Foto: Maria Ziegelböck
Foto: Alexandra Eitzinger
Foto: Alexandra Eitzinger

Eigentlich ist Luisa Wammes Tapeziererin. Aber nur eigentlich, denn gewerbetechnisch betrachtet ist sie den klassischen Weg nicht bis zum Ende gegangen. Deshalb steht unter dem Firmenschild ihrer Werkstatt im 7. Wiener Bezirk "Schonbezug & Schutzkappenerzeugung" zu lesen. Schutzkappen sind zum Beispiel die stoffenen Dinger, an denen Flugreisende ihren Hinterkopf wetzen, aber auch Hussen aller Art.

Tapezieren tut sie trotzdem, die Luisa Wammes aus Silz in Tirol, die dort vor gut zehn Jahren ihren Job als Lehrerin für Werkerziehung aufgab, um ihr Glück als Näherin bei einem Biobettenerzeuger in Wien zu finden. Und wer sucht, der findet bekanntlich. Nach einer Lehre in einem klassischen Tapeziererbetrieb in Wien machte sie sich selbstständig. "Leicht war es übrigens nicht, mit 30 eine Lehrstelle zu finden. Von ,zu alt' bis ,wir verfügen über keine Damentoiletten' reichten die Ausreden", erzählt Wammes von weniger gepolsterten Zeiten, während im Hintergrund Latino-Klänge das Ihre zur Wohnzimmeratmosphäre in ihrer 100-Quadratmeter-Werkstatt beitragen. Neben der Hi-Fi-Anlage thront ein auf den Rücken gekipptes, nackiges Sofa und gewährt Einblick in seine federnden und haarigen Innereien. "Die Leute lieben die Werkstatt, diesen sinnlichen Touch, manche Kunden krabbeln bis ins letzte Eck hinein", berichtet Wammes.

Im Material selbst lag und liegt die Herausforderung, erzählt Wammes beim Hochpumpen eines Arbeitstisches, der seinen Aufstieg dem Mechanismus eines alten Friseurstuhles verdankt. Auch ihre Ideen entspringen dem Umgang mit Materialien. Samt, Filz, Kunststoff, Spinnakertuch, Leder und Kuhhäute, jeder Werkstoff ist ihr recht. Und mit gefärbten Rossfellen aus Italien wird in dem Einfraubetrieb besonders gern gearbeitet.

Mundproganda

Wammes scheint also aufs richtige Pferd gesetzt zu haben. An die 50 Stammkunden, darunter namhafte Architekturbüros wie Querkraft und Eichinger oder Knechtl wurden allesamt durch Mundpropaganda akquiriert und lassen Luisa Wammes heute von ihrer Arbeit "gut leben", wie sie am großen Holztisch in ihrer Werkstatt erzählt. Und das, obwohl sie ihr Geschäft erst vor knapp einem Jahr eröffnet hat. Noch passen ihre Erfolgszahlen auf eine Kuhhaut, aber schon länger überlegt die Gestalterin, einen Mitarbeiter aufzunehmen, denn zum gut Leben gehört auch harte Arbeit. "Außerdem haben zwei Leute mehr Ideen als einer", so Wammes. Von einem Großbetrieb will sie aber nichts wissen. Apropos Kuhhaut und Arbeit. Die über zehn Meter lange und mit der Haut von 14 Kühen bezogene Bar im Quartier 21 des Wiener Museumsquartiers stammt ebenfalls von ihr.

Zu ihrer Tätigkeit zählt aber keineswegs nur das Aussuchen und Drauftackern feiner Bezugsmaterialien, sondern das Aufpolstern, das so genannte und in ihren Worten besonders anstrengende Dressieren der hartnäckigen Federn, das Einarbeiten der Jute und natürlich des Afrik. So nennt man die Blätter der Zwergpalme, die unter einer weiteren Schicht Jute zu liegen kommen, bevor garniert und mit Spagat genäht wird. Rosshaar und Tapezierwatte finden sich auch noch irgendwo dazwischen. Erst dann kommt irgendwann der Allerwerteste der Kundschaft auf der penibel gearbeiteten Unterlage zum Ruhen.

Das Schaffen Luisa Wammes als Handwerk zu bezeichnen ist zwar korrekt, aber unzureichend. Die 42-Jährige arbeitet an der Schnittstelle zwischen Design und Handwerk. Wo die beiden Disziplinen fassbar werden, näht sie sie zusammen. Wammes gestaltet, sofern sie Zeit dazu findet, auch selbst Objekte, erwähnt sei ihr filziger Hocker namens Paiper oder die Lederhocker Twinnie. Eine bodenständige Sache sind ihre Rosshaarpatschen, die viel zu elegant sind, als dass sie die Bezeichnung Patschen verdienen. Die Kollektion heißt aber halt "lupatsch" und das meint "Luisas Patschen". Neben ihnen leuchten in knalligen Farben kleine Kissen mit heiteren Aufdrucken wie "Relax" "Not To- night" oder "You're at home Baby".

Eine Idee ergibt die andere

Auf den Begriff Design angesprochen meint Luisa Wammes:"I werd' nix neu erfinden, aber eine Idee ergibt die andere." Inputs erhält sie aus Zeitschriften, auch die Arbeiten italienischer Designer motivieren sie. Die Sitzobjekte von Franz West mag sie ebenfalls. Luisa Wammes will sich nicht in die Designerecke drängen lassen, und doch wünscht sie sich, dass der Anteil eigener Ideen auch im Bereich der "Hardware" zunimmt. Aber im Prinzip freut sie sich immer, wenn was fertig wird und man es angreifen kann. Das Herumtheoretisieren ist das Ihre nicht. "Der textile Bereich ist meiner", stellt sie fest, und verlangt von sich selbst, dass es letztendlich für den Kunden passt. "Designer", so die Handwerkerin "wissen oft nicht, wie etwas in der Praxis funktioniert." Egal, ob man die Tirolerin, die übrigens nicht an Heimweh leidet, auch wenn's ihr in Tirol "schon g'fallt, wenn sie oben isch", als Selfmadewoman, Handwerkerin oder Designerin bezeichnet, sie zeigt, dass man auch abseits schicker Wohnboutiquen und Designstudios mit Gestaltung gute Figur machen kann. (DER STANDARD/rondo/Michael Hausenblas/24/01/03)