Auf den ersten Blick ist "Du Trottel" natürlich keine Beschimpfung, die in ein "Wörterbuch zur Gegenwart" gehört. Denn: "Du Trottel" (in der Höflichkeitsform: "Sie Trottel") ist ein seit vielen Jahrzehnten gerne verwendetes Versatzstück österreichischer Alltagskonversation und daher nur von beschränktem Neuigkeitswert. Wieso es dann doch hier steht? Weil mir eine junge Gewährsperson von einer netten Szene auf der Wiener Modellbaumesse berichtet hat, die ich den p. t. Lesern nicht vorenthalten möchte.

Also: Die junge Gewährsperson sieht auf der Wiener Modellbaumesse einen älteren Herren stehen, der in äußerster Erbosung vor sich hin schimpft: "Du Trottel! A so ein Oaschloch! A so ein Dreck!" Das Mysteriöse ist nur: Der Herr ist ohne jedes Gegenüber und ganz allein auf weiter Flur, sodass die junge Gewährsperson zunächst überhaupt nicht erkennen kann, wem denn seine Tirade gilt.
Erst bei näherem Hinsehen stellt sich heraus, dass der Herr gerade mit dem Versuch beschäftigt ist, seine Geldbörse aus der Brusttasche seines Hemdes zu nesteln. Die Geldbörse aber hat sich derart hartnäckig verklemmt und leistet dem Herausgezogenwerden solch zähen Widerstand, dass der Herr in größte Rage geraten ist und das tückische Objekt aufs Wüsteste bedroht und insultiert: "Kummst jetzt aussa, du Trottel! A so ein Oaschloch!"

Kritische Leser mögen hier einwenden, dass die Beschimpfung von Gegenständen eine recht infantile Angewohnheit ist, die man sich – vor allem in der Öffentlichkeit – eher verkneifen sollte. Und doch: Ein solches Vorgehen bietet andererseits auch die kostengünstige und wirksame Möglichkeit, sich Frustrationen von der Seele zu laden. Ich persönlich gestehe ja gerne ein, dass ich mein üblicherweise innig geliebtes Bett schon mehrfach als gottverdammtes Dreckbett bezeichnet habe, als ich mir die kleine Zehe an einem Bettfuß stieß.

Aber womöglich haben die Leser ja zum Thema "Beschimpfung von Gegenständen" ihre eigenen Ansichten, Erfahrungen und Sprachtipps auf Lager.