20) MGMT: "Oracular Spectacular"

Eine derart bombastische Hymne wie "Time to Pretend" muss man auch erst mal auswerfen, dann hat man in Sachen Pop schon einiges geleistet. Und dann folgten ja noch - abgesehen von den nicht ausgekoppelten Stücken, die sich allesamt eher an die Sparks anlehnen - das angenehm entspannte "Electric Feel" und der Elektro-Stampfer "Kids" ... wohlkalkuliert, aber die Rechnung geht auf: Die Klaxons von 2008. (Sony)

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MGMT

Coverfoto: Sony

19) Magnetic Fields: "Distortion"

Seltsam, die Platte ist heuer irgendwie untergegangen - dabei kann's Stephin Merritt heute noch genausogut wie zu Zeiten der "69 Love Songs", für die er einst als Onkel Gott gefeiert wurde. Und die mir zwei meiner liebsten Coverversionen der vergangenen Jahre bescherte: "Nothing Matters When We're Dancing" (Jens Friebe) und "Papa Was A Rodeo" (Lali Puna). Auch dieses Album bietet sich wieder mit Mini-Dramen an, die zu Tränen rühren. Allen voran "The Nun's Litany": I want to be a dominatrix - which isn't like me, but I can dream ... (Nonesuch Records/Warner)

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Magnetic Fields

Coverfoto: Nonesuch

18) Heidelinde Weis: "Der Supermann. Song Collection 1975 - 1979"

Hilfe, ich kriege "Hans Emmerich" nicht mehr aus dem Kopf! Das diesjährige Prunkstück der Pop-Archäologie: Unwiderstehlicher Easy Listening-Groove gepaart mit ... öhem ... experimentellen Einschüben, Liebesgesäusel gegerbt mit hausfräulichen Rachegelüsten. Was Mitte der 70er eine gar nicht so abwegige Mixtur gewesen sein muss, ist heute vor allem eines: très, très bizarre. Assimilieren bitte - Widerstand ist zwecklos. (Bureau B/Hoanzl)

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Coverfoto: Bureau B

17) Okay: "Huggable Dust"

Katzenjammer Kid Marty Anderson singt über sein gebrochenes Herz mit all der Inbrunst und Grandezza, die Schmalspurgeräte aufnehmen können. Nie klang Liebeskummer 2008 kratziger, verkaterter und zugleich zitronenfrischer als hier bei Marty allein zu Haus. 18 Mini-Perlen und kein Ende in Sicht: I could write you a novel tonight, I could write you a new song each day ... (Absolutely Kosher Records/Hoanzl)

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MySpace-Seite von Okay

Coverfoto: Absolutely Kosher Records

16) John Maus: "Love Is Real"

This is the time for auburn sunsets ... Joy Division hier, Angelo Badalamenti da - John Maus aus Minnesota weiß schon, aus welchen Quellen er feierlichen Wohlklang mit Verstörungspotenzial schöpfen kann. Synthesizer-Elegien wie "The Silent Chorus" oder "Tenebrae" adeln ein schaurig-schönes Album mit einigen Ausreißern und vielen unklaren Botschaften. (Upset The Rhythm)

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Coverfoto: Upset the Rhythm

15) Florian Horwath: "Sleepyhead"

Die schönste Americana-Studie europäischer Prägung kam heuer nicht aus Skandinavien, wo diesbezüglich eine ganze Szene blüht und gedeiht, sondern - tataa! - aus Österreich. Allerdings hat sich Florian Horwath mit reichlich schwedischer Unterstützung versorgt, unter anderem von den beiden Cardigans Magnus Sveningsson und Nina Persson und dem Zartbarden Peter von Poehl. Und dabei Songs geschaffen, die wie "The Great Destroyer" oder "Baby You Got Me Wrong" den Eindruck erwecken, als wären sie immer schon da gewesen. (Roof Music/Hoanzl)

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Florian Horwath

Coverfoto: Roof

14) Eliot Lipp: "The Outside"

Aus Electro-Sounds Melodien gebastelt, nach denen sich TV-Serienmacher von "Die Profis" bis zum "Knight Rider" die Finger geleckt hätten, mit Breakbeats versehen und durch zeitgemäße Produktionsstandards von jeder nostalgischen Schlacke befreit - und das Ganze dann durch den Quirl Marke "Superfunky" gedreht:  Es geht auch ohne Worte! (Cargo Records)

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Eliot Lipps MySpace-Seite

Coverfoto: Cargo Records

13) Baby Dee: "Safe Inside The Day"

Soll mir keiner nachsagen, ich würde vor fordernden Stimmen zurückschrecken, nur weil der allseits gehypte Antony für mich das Grauen verkörpert. Baby Dee, die transsexuelle Riesin aus Cleveland, missbraucht den Schmerz nicht als Suhle, sie gibt in bester Brecht/Weill-Manier die fatale Diseuse oder verarscht sich mit Galgenhumor selbst. Viva la Diva!  (Drag City/Rough Trade)

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Baby Dee

Coverfoto: Drag City

12) Max Müller: "Die Nostalgie ist auch nicht mehr das was sie früher einmal war"

Der beste Titel des Jahres steht über einem Album, das das Lebensgefühl einer ganzen Generation zum Ausdruck bringt: Unbehagen in der Überflussgesellschaft. Max Müller von der großen Band Mutter setzt auf musikalische Schlichtheit, die an die gute frühe Zeit der NDW erinnert (Noch-Experiment, Noch-nicht-Hitparade) und die ungemütliche Botschaft umso deutlicher an den Mann und die Frau bringt. Sehr, sehr gute Platte. (Angelika Köhlermann/Hoanzl)

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Coverfoto: Angelika Köhlermann

11) Subtle: "ExitingARM"

An der US-Westküste sind Rock und HipHop schon vor langer Zeit die Heirat eingegangen. Die Sechs von Subtle halten sich allerdings weit vom testosterongeschwängerten Party-Sound entfernt und laden auf eine halluzinatorische Traumreise ein, die Henry Darger nicht seltsamer hätte entwerfen können. Ein Gruß aus einer anderen Welt und eine faszinierende Neuanordnung musikalischer Möglichkeiten. (Lex Records)

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Subtle: ExitingARM

Coverfoto: Lex Records

10) Santogold: "Santogold"

Möglicherweise wird aus dem Ohrwurm noch eine Eintagsfliege schlüpfen, aber ihr Solo-Debüt hat Santi White mit einer mitreißenden Mischung aus Grime und Girlpop, New Wave und Reggae auf den Punkt gebracht. "L.E.S. Artistes" war einer der Pop-Songs des Jahres und "You'll Find A Way" "Creator" usw. usf. rechtfertigen locker den Kauf des ganzen Albums. Blondie für die 2000er, für den Augenblick zumindest. (Lizard King Records/Trost)

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MySpace-Seite von Santogold

Coverfoto: Lizard King Records

9) Alec Empire: "The Golden Foretaste of Heaven"

Mein dunkler Prinz des Lärms ist zurück. Und - Überraschung! - er kreischt nicht mehr, er singt. Im Zeitalter nach Atari Teenage Riot hat Alec Empire die Synthese aus Rock und Elektronik endgültig vollzogen und spannt dabei den Bogen von Gary Numan bis Velvet Underground. Altes Muskelspiel unter neuer samtiger Oberfläche. (Eat Your Heart Out)

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Coverfoto: Eat Your Heart Out

8) White Williams: "Smoke"

Elektrifiziertes Songwriting zwischen Postpunk à la Wire und Glam im Geiste von Bolan & Bowie, und alles very mellow. - Oft wird noch Unausgegorenes im Nachhinein, wenn die Folgealben mit Feinschliff, Profil und Erfolg erschienen sind, als "eigentlich das Beste" verklärt. Warum also warten? Ich mag Rohfassungen. (Domino Records/Hoanzl)

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Coverfoto: Domino Records

7) Viele Bunte Autos: "Jetzt komme ich"

Karussell, dreh dich schnell ... "Ballspiel" war das Lieblingslied meiner Schulzeit und gemeinsam mit "Liliputaner" und "Küsse" macht es fast schon das gesamt Œuvre des noch vor Chuzpe, Minisex und selbst Blümchenblau besten österreichischen Beitrags zur Neuen Deutschen Welle aus. Mit Live-Versionen und anderer S/Found Footage ist daraus ein Vierteljahrhundert später doch noch ein Album voller zucker- und gifthaltiger Kleinodien geworden... und jetzt platzt dir was im Kopf! (Klanggalerie/Trost)

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MySpace-Seite von Viele Bunte Autos

 

Coverfoto: Klanggalerie

6) Grace Jones: "Hurricane"

Obwohl ich nicht mehr der Jüngste bin, lief Grace Jones für mich immer unter dem Stichwort "Papas Plattensammlung" - soviel Zeit verstreicht also zwischen den Blüteperioden einer fleischfressenden Pflanze. Und so schnell wird dieses Intervall auf Null reduziert, wenn Grace Jones mit Hilfe von Sly & Robbie die späten 80er und die Gegenwart eins werden lässt. Gleichermaßen authentisch als tödliches Alien oder unfassbar sanftes Großmütterchen Grace - "Hurricane" ist ein in jeder Beziehung majestätisches Album. (Wall of Sound)

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Grace Jones

Coverfoto: Wall of Sound

5) Quitzow: "Art College"

Erica Quitzow sägt am Cello dass Gott erbarm' und legt einen fliegenden Wechsel zum Keyboard hin, um dem Electroclash-Genre neues Leben einzuhauchen. Punk ist 2008 ausstellungsreif geworden, da kommt der hier entworfene Kunst-Kontext gerade zur rechten Zeit. Ein Riot Girl im Orchestergraben. (Young Love Records)

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Coverfoto: Young Love Records

4) Derek Meins: "The Famous Poet"

25 Minuten voll ausgelebter Wahnsinn. Krachender Rock, jaulender Blues und dazu etwas, das man Spoken Word nennen müsste - nur dass das Wort (SEIN WORT) nicht gesprochen, sondern gebrüllt wird. Derek Meins mag unscheinbar aussehen, doch er ist ein dunkler, durchgeknallter Gott. Fürchtet euch! (1965 Records/Hoanzl)

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Coverfoto: 1965 Records

3) Get Well Soon: "Rest Now, Weary Head! You Will Get Well Soon"

Nicht dass Konstantin Groppers Videos unterambitioniert wären - aber "Witches! Witches! Rest now in the fire" schreit nach mehr, nämlich nach einer Verfilmung durch Matthew Barney. Gemeinsam mit "If this hat is missing I have gone hunting" führt es ein Album an, das schwarze Gedanken in die opulenteste Barockoper des Jahres transformiert - überwältigend. (City Slang/Universal)

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Get Well Soon

Coverfoto: CitySlang

2) Vampire Weekend: "Vampire Weekend"

Art School-Attitüde, die sich vor allem in den Texten äußert, Calypso und Klassik-Elemente als Bereicherung für Indie-Pop ... das hatten wir doch schon einmal: Fast 30 Jahre ist es her und hieß 10.000 Maniacs (bevor sie sich stärker auf Folk konzentrierten). Das ändert aber nichts an der Originalität und Strahlkraft des New Yorker Quartetts um Ezra Koenig und Rostam Batmanglij: ein lange ersehnter frischer Wind im weiten öden Land der Gitarrenbands. (XL Recordings/Edel)

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Vampire Weekend

Coverfoto: XL Recordings

1) The B-52's: "Funplex"

Das ist durchaus subjektiv, aber ehrlich: drauf gepfiffen. Keine andere Platte hat mir dieses Jahr soviel Spaß gemacht, "Pump" und "Funplex" würden meine Single-Charts anführen, und our little hippie tune "Roam" endlich live im Konzert erleben zu können war der rührendste Moment des Jahres. Eine klare persönliche Nummer 1. Keep this party going! (Astralwerks/EMI)

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(Josefson)

Coverfoto: Astralwerks/EMI