Seit 10.30 Uhr tagt in Wien der Erweiterte Bundesvorstand (EBV) der Grünen. Spannend wird, ob er Johannes Voggenhubers Angebot einer "Solidaritätskandidatur" annimmt - nach Einschätzung von grünen Insidern wird es eine knappe Entscheidung. Voggenhuber traf um 14 Uhr in Wien ein, die Entscheidung wurde für den Nachmittag erwartet. Die Diskussion zieht sich aber in die Länge. Kurz nach 17 Uhr war eine Sitzungsunterbrechung geplant, ein Ende des Gezerres um den EU-Parlamentarier war nicht in Sicht. Im Anschluss an die Sitzung sollte es eine Pressekonferenz geben, diese wird wahrscheinlich nicht vor 18.30 Uhr stattfinden.

Im EBV sind 33 Delegierte - je zwei aus aus den Bundesländern und auch die Mitglieder des neunköpfigen Bundesvorstandes. Eines ist jedenfalls fix: Deklarierten Voggenhuber-Gegnern stehen begeisterte Anhänger gegenüber. Ein derStandard.at - Überblick.

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"Ich erwarte mir, dass Johannes Voggenhuber seine Motivation erklärt, wie er sich den Wahlkampf vorstellt und nach einer offenen Diskussion für oder gegen seine Kandidatur werden wir uns endgültig entscheiden", sagt Gebi Mair, Mitglied des Erweiterten Bundesvorstandes (EBV) und Tiroler Landtagsabgeordneter im Gespräch mit derStandard.at.

Auf die Frage, ob sich die Grünen jetzt nicht in einem Dilemma befinden - darf Voggenhuber nicht antreten, könnte dies als undemokratisches Signal gewertet werden - antwortete Mair: "Damit ist der Problembogen gut beschrieben".

Argumente dafür und dagegen

Sowohl für als auch gegen die Kandidatur Voggenhubers gebe es Argumente. Die Solidaritätskandidatur sei als Signal der Loyalität zu verstehen und mit Voggenhubes Kandidatur könnten viele Stimmen zu gewinnen sein, so Mair. Auch wählten ihn beim Bundeskongress 45 Prozent der Delegierten zum Spitzenkandidaten. Viele sagen, deshalb kann man ihm einen Listenplatz nicht verwehren. Andererseits könne er auch den feministischen Standpunkt nachvollziehen: "Es wurden drei Frauen an die Spitze gewählt, nun sollen sie von einem Mann überschattet werden". Auch über Voggenhubers Chancen, die 7-Prozent-Hürde der Vorzugsstimmen zu schaffen und so Listenerste Ulrike Lunacek überholen zu können, herrsche Uneinigkeit: "Bei der letzten EU-Wahl erhielt er 9,5 Prozent aller Vorzugsstimmen. Da war er aber am ersten Listenplatz", so Mair.

"Keine Spaltung"

In Grünen Gremien sei vorher nie fix, wie die Entscheidung ausfallen wird, so Mair weiter. Mit seinen KollegInnen in Tirol sei er als EBV-Delegierter im engen Kontakt, um unterschiedliche Stimmen einzuholen und Argumente abzuwiegen. Auch mit den restlichen 17 Delegierten aus den anderen Bundesländern führe man Gespräche, um Standpunkte abzuwiegen. "Die Partei ist aber nicht im völligen Aufruhr, so wie das von manchen Medien dargstellt wird. Zu einer Spaltung kommt es deshalb natürlich nicht", sagt Mair. Zudem sei es ein großes Missverständnis, dass eine Kandidatur Voggenhubers eine Niederlage für die Parteispitze sei. "Die Parteispitze hat die Liste für die EU-Wahl nicht bestimmt, sondern diese wurde demokratisch im Bundeskongress gewählt."

Niederösterreich gegen Voggenhuber

"Es ist jetzt wirklich nicht die Zeit, über Grün-interne Befindlichkeiten zu diskutieren", mein Madeleine Petrovic, Niederösterreich-Delegierte im EBV, im Gespräch mit derStandard.at. Von Niederösterreich wird es keine Unterstützung für Voggenhubers Kandidatur geben, so Petrovic. "Wir haben die EU-Wahl-Liste beim Bundeskongress besprochen, und diese Entscheidung muss Voggenhuber akzeptieren. Was liegt, das pickt". Voggenhuber habe es "darauf angelegt", dass es zu einer Entscheidung für oder gegen ihn kommt.  Bei den Grünen würde es, so Petrovic, viele Rollen geben, die für Voggenhuber angemessen seien. "Aber eben nicht mehr im Europaparlament - Voggenhuber hat den Delegierten diese Frage gestellt, und die haben das abgelehnt". Gerade angesichts der Wirtschaftskrise werde von den Grünen erwartet, dass sie Antworten liefern "und keinen Showdown".

Salzburg für Voggenhuber

Die Salzburger Grünen stellen sich hinter den EU-Abgeordneten Johannes Voggenhuber und seine für die EU-Wahl im Juni angekündigte "Solidaritätskandidatur" auf einem hinteren Listenplatz. "Ja, wir werden sie unterstützen, weil wir Johannes Voggenhuber in Salzburg besonders schätzen" sagte Landessprecher Cyriak Schwaighofer am Donnerstag gegenüber der APA. Sollte Voggenhuber versuchen, durch einen Vorzugsstimmenwahlkampf auch den Sprung ins EU-Parlament zu schaffen, hätte Schwaighofer damit kein Problem, wie er betont. Er empfiehlt dem erweiterten Bundesvorstand, die Kandidatur anzunehmen.

"Ein Vorzugsstimmenwahlkampf hat mich noch nie gestört!" betont Schwaighofer. "Wenn so viele Bürger glauben, Johannes Voggenhuber sollte für die Grünen im EU- Parlament sitzen, dann soll das auch so sein." Gerade die Grünen müssten dafür Verständnis haben.

Wien ablehnend

Mit wenig Unterstützung für sein Vorhaben kann der Grüne EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber aus Wien rechnen. Sowohl die Grüne Klubobfrau im Rathaus, Maria Vassilakou, als auch Gemeinderätin Sigrid Pilz stellen sich als Mitglieder im Erweiterten Bundesvorstand hinter Bundessprecherin Eva Glawischnig und die am Bundeskongress getroffene Personalentscheidung.

"Für mich ist wichtig, dass Ulrike Lunacek und Eva Lichtenberger die nächsten Grünen Abgeordneten im Europa-Parlament sein werden", stellte Vassilakou gegenüber der APA klar. Auch Pilz stellte sich in dieser Frage hinter Glawischnig: "Ich kann die Skepsis der Bundessprecherin gut verstehen." David Ellensohn, der auf einem Wien-Ticket im EBV sitzt, will nicht sagen, wie er persönlich sich entscheiden wird. Er sieht die aktuellen Diskussionen jedenfalls als Zeichen einer "gesunden grünen Diskussionskultur". Momentan gehe es zwar drunter und drüber, aber das sei nicht von Dauer: "Morgen weden wir uns dann für einen Weg entscheiden müssen".

Kärnten für Voggenhuber

Der Landessprecher der Kärntner Grünen, Rolf Holub, erklärte  er würde eine "Solidaritätskandidatur" Voggenhubers begrüßen: "Johannes Voggenhuber ist einer der profiliertesten Europapolitiker, wenn er für die Grünen auf der Liste steht, kann das für uns nur gut sein."

Oberösterreich entscheidet sich am Abend

Wie die beiden Delegierten aus Oberösterreich beim EBV stimmen, wird sich erst am Abend, nach einer eigens einberufenen Sitzung entscheiden. "Das ist noch offen", sagt der Pressesprecher zu derStandard.at.

Vorarlberg zurückhaltend

Vorarlbergs Grünen-Sprecher Johannes Rauch äußerte sich zurückhaltender: "Realistischerweise wird es in etwa so sein wie auf dem Bundeskongress. Der EBV ist ja nicht irgendein Gremium, er ist repräsentativ für alle Grünen", erklärte er. Er gehe an die Angelegenheit jedenfalls "ganz nüchtern" heran.

Das Vorhaben Voggenhubers, nach seinem Rücktritt nun doch per Solidaritätskandidatur anzutreten, kommentierte Rauch mit den Worten: "Das ist jetzt seine Entscheidung". Insgesamt sei das "schon überraschend, weil seine Aussage am Bundeskongress eigentlich klar war".

Die zweite EU-Abgeordnete Eva Lichtenberger erklärte auf Anfrage der APA, dass sie trotz Grippe morgen Freitag im EBV anwesend sein werde. Auf die Frage, ob sie dabei für oder gegen einen Listenplatz von Voggenhuber votieren werde, wollte sie keine Auskunft geben: "Das werden wir diskutieren". (burg/az,derStandard.at, 29. Jänner 2009)