"Es ist nicht jedermanns Sache, sich durch diese Märkte durchzuquälen. Die Gestaltung polarisiert und öffnet die Excalibur-City letzten Endes nicht für die breite Masse."

Foto: GfK GeoMarketing

"Dass die Excalibur-City ein strukturelles Problem hat, ist so klar wie Kloßbrühe", sagt Manuel Jahn im Gespräch mit derStandard.at. Jahn berät für GfK-GeoMarketing Unternehmen und Inverstoren in Standortfragen. Aufgrund seiner Tätigkeit im tschechisch-österreichischen Grenzraum kennt Jahn auch die Excalibur-City. Preisvorteile sind durch den Wegfall der Grenzen verschwunden. Was den Standort bisher retten konnte, war das Factory Outlet Center (FOC) "Freeport", das 2004 eröffnete. Über die Gestaltung der Excalibur-City mit Ritterburgen und einem Flugzeugrestaurant sagt Jahn: "Das ist ein Problem für eine höherwertige Entwicklung."

derStandard.at: Sind die Shopping Center im Grenzland – wie Excalibur-City – nach der EU-Osterweiterung ein Auslaufmodell?

Jahn: Es gibt kein Ja und Nein bei solchen Fragen. In der Form wie die Excalibur-City letztlich bis 2004 bestanden hat, wird sie keine Zukunft haben. Ursprünglich war das ein großer Trödelbasar, wo dann ein Unternehmer gesagt hat, ich mach das Ganze mal etwas professioneller und mach eine Kombination aus Trödelmarkt und einer richtigen Shopzone.

Warum die Leute hingefahren sind und auch heute noch hinfahren ist, dass man in einzelne Produkte billiger bekommt als in Österreich. Das ist so bei Alkohol, Tabak und Parfum. Das heißt, die Leute, die auf den Preis gucken müssen und Schnäppchenjäger fahren nach wie vor dahin. Natürlich sind vor dem EU-Beitritt auch andere Markenartikel billiger gewesen.

derStandard.at: Vielen Leute sagen, sie kommen wegen der billigeren Dienstleistungen.

Jahn: Das ist genau das, was sich geändert hat. Am Anfang war es wirklich noch der Preisvorteil. Aber auch das Thema Neugierde: Ein kleiner Ausflug in ein fremdes Land. Dieser Effekt hat mittlerweile nachgelassen. Man kennt auch die tschechische Grenzregion. Man ist mittlerweile auch ein bisschen enttäuscht von der Qualität der Waren. Man weiß die Markenprodukte sind zu 99 Prozent Plagiate, die schnell kaputt gehen.

Früher ist jeder hingefahren. Mittlerweile sind es – das kann ich zumindest für Deutschland sagen – die sozial Benachteiligten, die glauben dort mit großem Preisvorteil einkaufen zu können. Es ist keine Massenbewegung mehr. Das haben natürlich die Betreiber von diesen Centern gemerkt. Spätestens als 2004 auch die wirklichen Preisvorteile wegfielen. Jetzt müssen sie aufrüsten.

Die Betreiber ergänzen ihr Angebot durch neue Angebote, um es weiterhin attraktiv zu halten. Bis zum EU-Beitritt sind die Besucherzahlen stark angestiegen. Seither stagnieren sie und wären sicherlich auch stark gesunken, wenn nichts passiert wäre. Um die Stagnation aufzufangen haben sie zur Excalibur-City das Factory Outlet Center (FOC) „Freeport" dazubekommen.

derStandard.at: Das FOC rettet demnach den Standort?

Jahn: Die Besucherzahlen wären ohne das FOC garantiert nach unten gegangen. Der geringe Preisvorteil und die Enttäuschung über die Qualität der Produkte sind mittlerweile zu groß, als dass die Leute den Weg auf sich nehmen würden. Das ist ja keine wirklich florierende Grenzregion, sondern von beiden Ländern aus eher ein Randgebiet. Von Brünn aus gesehen ist es irgendwo Pampa und von Wien aus ist es auch nicht gerade der Nabel der Welt. Insofern ist es keine traditionelle grenzüberschreitende Gegend, wo richtig was los ist, wie es zum Beispiel zwischen Deutschland und Holland der Fall ist.
Bis auf das Wochenende ist es relativ einsam. Denn der Vorteil der Sonntagsöffnung besteht nach wie vor. Zwar ist dieses Factory Outlet Center ist nicht so stark wie das in Parndorf, aber sie haben die Sonntags geöffnet. Davon profitiert auch Excalibur.

derStandard.at: Können Sie den Eindruck bestätigen, dass während im Excalibur-City "Excalibur-Center" überwiegend Österreicher einkaufen, sich das Publikum im Factory Outlet Center mischt. Ein Indiz dafür könnte auch sein, dass im „Shopping Center" die Preisschilder und Speisekarte nur deutschsprachig sind im FOC sind sie zweisprachig.

Jahn: Ich glaube, es würde auch jeden Tschechen abschrecken, was in dem „Shopping Center" abgeht. Das „Shopping Center" ist auf Österreicher zugeschnitten. Das kennen wir von den Vietnamesen-Märkten an der deutschen-tschechischen Grenze. Lediglich ein Prozent der Kunden kommt dort aus der Region. Denn billiger ist es ja auch nur aus der deutschen – oder österreichischen – Perspektive.

Bei den FOCs ist es anders: Gefühlsmäßig würde ich sagen 60 Prozent Österreichische Kunden – 40 Prozent tschechische. Allein deshalb, weil Wien natürlich ein größerer Ballungsraum ist als Brünn. Und die Prager kommen nicht, weil sie mittlerweile ihre eigenen FOCs haben. Das Freeport war, glaube ich, das erste FOC in Tschechien, aber die haben jetzt nachgerüstet: In Prag selber gibt es zwei Factory Outlets und es wird noch eines auf der Autobahn nach Brünn entstehen – das ist allerdings noch nicht fertig. Aber da es eben noch nicht fertig ist, kaufen auch die Brünner in dem FOC bei der Excalibur-City ein.

derStandard.at: Von den Leuten, die im Bus in die Excalibur-City fahren, geben die meisten an, sie kommen wegen der Dienstleistung.

Jahn: Da muss man die Mengenverhältnisse gegenüberstellen. Ich weiß nicht, wie oft ein Bus in die Excalibur-City fährt und wie viele Leute da kommen. Im Vergleich zu den Kunden, die mit dem Auto anreisen, ist das sicherlich ein kleiner Teil. Das sind also die Junkies. Diese Kunden kaufen dann ganz gezielt ein, um zu sparen. Die Motivation der Kunden – und das ist sicher das Problem für die Excalibur-City – ist immer noch zu 90 Prozent der Preisvorteil. Diesen Vorteil gibt es aber nur mehr bei wenigen Produktgruppen, wie Alkohol und Zigaretten und eben bei Dienstleistungen. Damit ist aber nicht ein ganzes Center bespielen.

Deshalb muss der Betreiber weiteres machen, der auch immer wieder Erweiterungen, wie einen Entertainment-Park, plant. Lediglich mit dem Preisvorteil auf wenige Produkte ist das Shopping-Center dort nicht zu halten. Der Betreiber muss also für einen Erlebnis-Mehrwert sorgen. Es muss eine Location sein, die man auch aufgrund anderer Dinge besucht. Nur auf Discount zu setzen ist zu wenig. Restposten und Ramschläden gibt es auch in der Stadt an jeder Ecke. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Dass die Excalibur-City hier ein strukturelles Problem hat, ist so klar wie Kloßbrühe.

derStandard.at: Wie sehen Sie die Gestaltung der Excalibur-City, stilisierte Ritterburgen, Drachen oder ein Flugzeugrestaurant? Ist das ein Vorteil oder eine Belastung?

Jahn: Es ist ein Problem für eine höherwertige Entwicklung. Die Gestaltung ist auf dem Niveau von einem Privatfernsehsender wie RTL II oder der Bild-Zeitung – Leute die das mögen, finden auch dieses Einkaufszentrum schick. Leute, die ein bisschen auf Qualität Wert legen, werden dadurch natürlich abgeschreckt. Mich hat es auch Überwindung gekostet. Es ist nicht jedermanns Sache, sich durch diese Märkte durchzuquälen. Die Gestaltung polarisiert und öffnet die Excalibur-City letzten Endes nicht für die breite Masse. Dafür, dass sie nur eine ganz bestimmte Zielgruppe anspricht, ist sie ziemlich groß. Es wird sich jetzt zeigen, wie der Unternehmer es schafft, auch breitere Schichten zu begeistern. Das ist ja nicht Disneyland, das ist ja Disneyland auf primitiv.

derStandard.at: Wie schauen im Gegensatz dazu breitenwirksamere Zentren aus?

Jahn: Das sind massenkompatiblen Konzepte, wie das Donauzentrum in Wien oder die Shopping City Seiersberg in Graz, die auch auf „Mittelstand plus" setzen. Da ist die Excalibur-City natürlich ein Exot. Natürlich gibt es auch themenbezogene Einkaufszentren, aber die wenden sich an eine viel breitere Schicht. Per definitionem ist die Excalibur City kein Shopping Center. Mir ist nicht bekannt, dass es so etwas in dieser Größe noch ein zweites Mal gibt.

derStandard.at: Profitiert die Region rundherum?

Jahn: Offen gesprochen habe ich darüber keine Daten vorliegen, das war nicht Teil meiner Untersuchung vor Ort. Meine persönliche Meinung ist die, dass es nur rein lokale Beschäftigungseffekte hat.
Auch die Infrastruktur dort ist nicht auf diese Größe ausgerichtet – da gibt es immerhin nur eine zweispurige Straße. Das führt vor allem am Wochenende zu Staus. Für die anliegenden Dörfer ist es auch kein Zuckerschlecken, diesen Verkehr zu ertragen. Das ganze Projekt ist nicht mit der Region abgestimmt. Es ist die Einzelleistung eines Menschen, der sich dort mit den regionalen Behörden zusammengetan hat, um etwas aus der Erde zu stampfen.

derStandard.at: Sie machen Standortberatung – würden Sie einem Kunden raten, im Grenzland zu bauen?

Jahn: Grundsätzlich würden wir Nein sagen. Bei einem Shopping Center ist wichtig, dass es in der Nähe eines dicht bewohnten Einzugsgebiets steht. Der Fahrradius sollte nicht mehr als 20 Minuten betragen. Das Thema „Grüne Wiese ist gleich Shopping Center" wird immer schwieriger. Die Konkurrenz steigt, die Städte rüsten auf. Für uns gehört das Shopping Center auf der grünen Wiese deswegen der Vergangenheit an – auch in Grenzregionen. Es sei denn, es liegt auf einer paneuropäischen Verkehrstraße, oder einer regionalen Verkehrsachse , wo zwei Großräume gleichermaßen darauf zugreifen, weil das Angebot besonders ist, wie ein Freizeitpark zum Beispiel. Auch für ein Factory Outlet Center nehmen die Leute eine Stunde Fahrzeit in Kauf. (Nicole Bojar, Michaela Kampl, 2.3.2009)