Plauschen nach der Uni: In Tuzla gibt es zwölf Fakultäten, aber wenig Arbeit. Die Innenstadt hat einen mitteleuropäischen Charakter. Durch den stark salzhaltigen Boden sinkt sie immer wieder ab und muss neu gebaut werden. In einer Senke wurde 2003 in der Stadt ein Salzsee geschaffen.

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Tuzla - Einer hat juristische Kenntnisse, der andere ist Sicherheitsexperte, beide sind sie arbeitslos. Nun wollen die jungen Männer Detektive werden. Detektivbüros sind in Tuzla eine echte Marktlücke, es gibt noch kein einziges. Elvira Živanovic von der bosnischen Entwicklungsinitiative Taldi ist glücklich, dass sie die beiden in ihrem Training überhaupt dazu bewegen konnte, wieder daran zu glauben, dass sie eine geregelte Arbeit finden können. In Tuzla liegt die Arbeitslosenquote zwischen 49 und 52 Prozent, das ist Höchststand in Bosnien. Viele haben mit 30 noch keinen Job. Eine ganze Nachkriegsgeneration, die in wirtschaftlicher und politischer Stagnation aufgewachsen ist, glaubt nicht daran, ihre Zukunft selbst gestalten zu können.

Nun lernen sie, Business-Pläne zu schreiben und Unternehmen zu gründen. In einem Jugendbeschäftigungsprogramm werden auch Unternehmen gefördert, die Berufsanfängern ein Jobtraining anbieten. Beide Programme werden mit 1,7 Millionen Euro von der Austrian Development Agency (ADA), der Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, gefördert. Seit 2004 konnten so 25 Unternehmen gegründet und 50 Personen angestellt werden. Kristijan Smiljaniæ hat 2006 durch das Start-up-Programm eine E-Commerce-Firma gegründet, die mittlerweile elf Leute beschäftigt, zumeist Abgänger der Uni Tuzla, sowie ihn selbst. „Mein Business-Plan war einfach der beste", sagt der 28-Jährige. 2500 Euro wurden ihm für 10.000 Euro Startkapital zur Verfügung gestellt. „Das größte Problem ist die Verwaltung, man muss ewig auf die Papiere warten", erzählt er. Allein 3000 Euro musste er für Administratives ausgeben. Smiljaniæ gibt zu, dass er auch „geschmiert" hat, damit was weiterging. Manches in Bosnien-Herzegowina wirkt so, als wäre die Zeit stehengeblieben.

Wenn man nach Tuzla hineinfährt, dominieren die fetten Kraftwerksklötze der Termolektrana Tuzla, des landesweit größten Kohlekraftwerks. Tuzla war eine der wichtigsten Industriestädte, in der Arbeiter aus allen Teilen Jugoslawiens lebten. Auch während des Kriegs von 1992 bis 1995 kamen hier keine Nationalisten hoch. Bosniaken, Kroaten und Serben verteidigten gemeinsam die Stadt. Selbst als am 25. Mai 1995 bei einem Granatenbeschuss durch serbische Truppen 71 Menschen - die meisten von ihnen Jugendliche, die das Ende des Schuljahres feierten - getötet wurden, blieb Tuzla großteils immun gegen den grassierenden Ethno-Nationalismus.

Schwarzmarkt zum Überleben

Heute können die Industrieunternehmen den 130.000 Einwohnern aber nur mehr bedingt Arbeit geben. Viele Leute gehen schwarz arbeiten und sind trotzdem beim Arbeitsamt gemeldet, weil sie dadurch Zugang zur Krankenversicherung haben. Der Schwarzmarkt garantiert ihnen das Überleben, das Arbeitslosendasein ein Minimum an sozialer Sicherheit.
Die Ausbildungen orientieren sich noch wenig am Arbeitsmarkt. Der Rektor der Universität Tuzla, dr Džemo Tufekèiæ - in Bosnien legt man, wie in Österreich, viel Wert auf Titel, der „Doktor" wird klein vor den Namen geschrieben -, befindet zudem: „Wir haben keinen Markt für Wissen." Leute mit Kapital hätten kein Vertrauen in die Unis. „Und wir sind keine Konkurrenz gewohnt, nicht gewohnt, für uns selbst zu kämpfen."
Bosnien müht sich nicht nur mit dem sozialistischen Erbe ab, sondern ist 14 Jahre nach dem Krieg auch politisch und ökonomisch in zwei Landesteile geteilt. „Weil es keinen einheitlichen Staat gibt, erschwert das auch den Zugang zum Arbeitsmarkt", sagt der Direktor des Arbeitsamts Tuzla, Semso Berbiæ. „Aber wir überschreiten die Grenzen und haben mit der Republika Srpska eine Jobmesse organisiert und 911 Stellen vermittelt." (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, Printausgabe, 19.5.2009)