"Ich habe grundsätzlich nie das Gespräch mit der FPÖ verweigert", meint der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Ariel Muzicant, im Gespräch mit Hans Rauscher zu den aktuellen Gesprächsangeboten von Seiten der FPÖ, nach dem Eklat um die Aussagen des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf. Wenn die FPÖ deeskalieren wolle, so wäre es ein Leichtes für die Partei, verschiedene Schritte zu setzen. Wie in seinem Brief an Martin Graf schlägt Muzicant unter anderem vor, dass man lächerliche Kampagnen gegen einen EU-Beitritt Israels einstellen könnte oder Graf seine Mitgliedschaft bei der Burschenschaft "Olympia" ruhend stellt.

Hetze und Antisemitismus

FPÖ-Kampagnen wie "Abendland in Christenhand" hält Muzicant für eine "Hetze der übelsten Art". In Deutschland wäre so etwas undenkbar, in Österreich würden sich viel zu wenige daran stoßen. Antisemitismus und Rechtsextremismus sei in Österreich seit 60 Jahren noch immer ein Kavaliersdelikt: "Diese Rülpser kommen in periodischen Intervallen immer wieder". Der Grund dahinter, sei eine "Verniedlichung", "Verluderung" und "Verschlampung" der Gesellschaft in diesen Fragen. Der Antisemitismus in Österreich steige laut einer Umfrage der Anti Defamation League und die Rechtsextremen bekämen eindeutig "Oberwasser". Auch die jüngsten Aussagen von EU-Kandidat Dirnberger würden zeigen, dass es "wieder Mode ist, solche Dinge zu machen". Muzicant erwartet eine weitere Verschlimmerung: "Was die Wirtschaftskrise in Richtung Antisemitismus auslösen könnte, das will ich mir gar nicht vorstellen."

Seilschaften

Muzicant zeigt sich überzeugt, dass es einen Konnex zwischen den in letzter gehäufter auftretenden Neonazi-Vorfällen unter Jugendlichen und der Politik von Seiten der FPÖ gibt. "Hier wird eine Stimmung erzeugt, wo man sich auf die Schenkel klopft und sagt: 'Na, jetzt haben wir es den Juden wieder hinein gesagt." Das sei kein Zufall, sondern dahinter würden sich "personelle Netzwerke" und "fließende Verbindungen" verbergen, die man mit freiem Auge erkenne, wie zum Beispiel rund um den verurteilten Auschwitz-Leugner John Gudenus. In dieser Dichte habe es das in der Haider-FPÖ nicht gegeben, hält der Chef der Kultusgemeinde fest, ohne dass er der FPÖ des Strache-Vorgängers eine Absolution erteilen möchte. Muzikant: "Dass, was Dirnberger jetzt sagt, wäre in dieser kruden Dummheit unter Haider nicht passiert." Wenn manche Funktionäre der heutige FPÖ frei reden könnten, dann würden sie Dinge sagen, die unter das Verbotsgesetz fallen. Diese Leute seien das Problem. Muzicant hält fest: "Ich habe nichts gegen die FPÖ, ich habe etwas gegen diese Funktionärsschicht, die in meinen Augen in diesem Milieu ideologisch beheimatet ist." Auf diese "Truppe" passe der Begriff "Kellernazis", wie ihn Muzicant auf seiner Homepage verwendet.

Ausgrenzung der FPÖ?

Zur politische Frage, ob man die FPÖ ausgrenzen solle oder nicht, meint Muzicant: In Zeiten der Krise und der Verängstigung der Menschen würden Strache und die FPÖ zulegen, egal was man mache. Man müsste jedoch die FPÖ mit ihren eigenen Waffen bekämpfen und ihr offensiv die Maske vom Gesicht reißen. Die österreichischen Politiker würden jedoch eher beschwichtigen und das Ausmaß der Krise nicht in den Mund nehmen. "Man muss auf die Probleme der Menschen mit echten Antworten reagieren, und die Antworten werden weh tun." Denn mit "kosmetischem Schönreden" könne man die Wirtschaftslage nicht sanieren. Muzicant fordert eine Verwaltungsreform ein, denn man brauche keine neun Landesstudios und kein Spital in jedem Dorf.

ÖVP und SPÖ müssten aufhören, mit der FPÖ zu kokettieren. "Dieses strategische Spiel, dass man sich die Option des Gespräches mit der FPÖ offen lässt, ist der typische schlampige Umgang Österreichs mit der rechtsextremen Szene." (rasch, derStandard.at, 3. Juni 2009)