Spenden- und Unterschriftensammlung: Die Partei musste 25.000 Euro aufbringen, um bei der Parlamentswahl am Sonntag entreten zu können.

Foto: Zelenite
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Bei der Parlamentswahl am Sonntag tritt erstmals die neugegründete Grünpartei "Zelenite" an. Die Aktivistewn haben haben ihre Registrierung für die Europa- und jetzt die Parlamentswahlen mit Spenden bezahlt. Obwohl ihnen Umfragen wenig Chancen auf einen Einzug ins Parlament geben, hofft Pressesprecher Boris Loukanov im Gespräch mit Berthold Eder, langfristig eine Veränderung der bulgarischen Gesellschaft bewirken zu können.

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derStandard.at: Was unterscheidet Ihre Partei von den beiden anderen Grünparteien Zelenata Partia und Zelena Bulgaria?

Boris Loukanov: Zelenata Partia ist keine wirklich funktionierende Partei, sie haben nicht einmal versucht, ihre Beteiligung an der von den Sozialisten geführten Regierung für Änderungen zugunsten des Umweltschutzes zu nutzen. Zelena Bulgaria ist eine Wirtschaftspartei, die von einer Versicherungsfirma gegründet wurde, die Beziehungen zu dubiosen Geschäftsleuten pflegt. Die Organisation dient nur zum Geschäftemachen und hat keinerlei Verbindung zur Umweltbewegung. Letztes Jahr schlossen sie sich unter dem Namen Zelena Bulgaria/Bulgarskite zeleni zusammen, haben es aber nicht geschafft, bei dieser Wahl anzutreten. Jetzt stehen einige Zelena Bulgaria-Kandidaten auf der Liste Simeon Sakskoburggotskis, und die Zelenata Partia unterstützt GERB, was auch nicht gerade auf Interesse an Umweltthemen hindeutet.

derStandard.at: Wie erklären Sie sich, dass viele Bulgaren kein Interesse an Politik haben und sie diese als intransparent und korrupt wahrnehmen?

Loukanov: Leider haben die ehemaligen kommunistischen Geheimdienste großen Einfluss auf die bulgarische Politik. Der Enthusiasmus nach dem Wechsel versickerte in Instanzen, die in der Praxis nicht funktionieren. Die Gesellschaft wurde bewusst manipuliert, um vom politischen Geschehen wegzubleiben. Da die Justiz nicht funktioniert, werden Politiker nie wegen Korruption vor Gericht gestellt. Deshalb fordern wir eine Reform des Rechtssystems und einen Säuberungsprozess, durch den Leute mit Beziehungen zu den ehemaligen Geheimdiensten und dem Führungskreis der kommunistischen Partei aus allen Ämtern entfernt werden sollen.

derStandard.at: Was hat Sie als Umweltschutzorganisation bewogen, eine Partei zu gründen?

Loukanov: Viele Jahre lang haben NGOs und Zivilgesellschaft gegen Umweltzerstörung, Korruption in der Regierung und die Umgehung geltender bulgarischer und EU-Rechtsvorschriften protestiert. Trotz großer Unterstützung aus der Bevölkerung und vielen gesammelten Unterschriften kam kein Dialog mit der Regierung zustande, weshalb wir beschlossen, in die Politik einzusteigen. Keine der existierenden Parteien vertritt unsere Prinzipien. Wir haben Zelenite gegründet, weil wir weiter in Bulgarien leben wollen und dazu die Funktionsweise des Staates verändern müssen. So soll die Zivilgesellschaft and der Regierungsverantwortung beteiligt und eine nachhaltige Entwicklung des Landes möglich werden.

derStandard.at: Ist Ihre erfolgreiche Spendenkampagne (Zelenite musste für die Registrierung als Partei 25.000 Euro sammeln) ein Zeichen, das die bulgarische Zivilgesellschaft von Korruption und intransparenter Politik genug hat?

Loukanov: Ja, den Leuten reicht es, wie in Bulgarien Politik gemacht wird: Korruption auf allen Ebenen und Unterweltgestalten in der Regierung. Wir haben vier Monate lang Unterschriften und Spenden gesammelt, um an dieser Wahl teilnehmen zu können und dabei viel positives Feedback erhalten. Wir sahen, dass viele Leute auf Veränderungen hoffen und uns unterstützen wollen, was uns große Hoffnungen auf die Zukunft gibt.

derStandard.at: Umfragen geben ihnen keine Chance, ins Parlament zu kommen. Warum treten Sie trotzdem an?

Loukanov: Wir wollen eine politische Partei schaffen, die nicht den Interessen einer spezifischen Gruppe oder der Wirtschaft dient und nicht unter dem Einfluss des ehemaligen kommunistischen Geheimdienstes steht. Obwohl wir seit 20 Jahren eine Demokratie haben, gab es bisher keine solche Partei. Wir sind eine von zwei Parteien, die weder auf ihren Mitglieds- noch auf den Kandidatenlisten Ex-Agenten des Geheimdienstes haben. Wir wollen eine politische Alternative für intelligente und denkende Bulgaren bieten, die sich engagieren wollen und direkte Demokratie fördern. 

derStandard.at: Wird Ihrer Meinung nach der prognostizierte Wahlsieg der bisherigen Oppositionspartei GERB fundamentale Veränderungen bringen?

Loukanov: Das Wahlprogramm der GERB liefert keine klaren Hinweise auf beabsichtigte Veränderungen. Es besteht allerdings die Hoffnung, dass wir in einigen Punkten mit ihnen zusammenarbeiten könnten, in vielen anderen Angelegenheiten wie der Energiepolitik gibt es aber fundamentale Differenzen. Eine weitere Ausweitung des russischen Einflusses lehnen wir jedenfalls ab.

derStandard.at: Macht es die ausschließliche Finanzierung Ihrer Partei durch Spenden glaubwürdiger, wenn Sie im Wahlkampf auf die grassierende Korruption hinweisen?

Loukanov: Wir wollen die Finanzierung unserer Partei vollkommen transparent machen und nehmen kein Geld mit unklarer Herkunft oder von Spendern, die Beziehungen zu Umweltverschmutzern pflegen. Durch die ausschließliche Spendenfinanzierung zwingt uns, verantwortungsvoll zu handeln, weil uns die Leute ihr Vertrauen geschenkt haben.

 

derStandard.at: Wie groß ist angesichts der Wirtschaftsprobleme das Interesse an Umweltthemen in Bulgarien?

Loukanov: Eine Mitte Juni in Sofia und den zehn nächstgrößten Städten durchgeführte Umfrage des Instituts ECTAT belegt, dass das Interesse an diesen Themen zunimmt. Eines der Hauptprobleme (25.8%), für die Menschen ist die Umweltverschmutzung in den Städten und ihrer Umgebung, erst danach kam die Wirtschaftskrise (15.4%). In dieser umfrage wurde Zelenite auch große Kompetenz bei Umweltthemen attestiert, und 2,5 Prozent derjenigen Befragten, die sicher zur Wahl gehen wollten, gaben sogar an, dass sie für uns stimmen wollen. Wir sind also durchaus zuversichtlich. (derStandard.at, 3.7.2009)