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Foto: EPA/ Everett Kennedy Brown

Im Wiener Saturn-Tower, dem Sitz der Volksbank International (VBI), standen Woche für Woche von acht bis neun Uhr morgens mehrere Paar Schuhe aufgereiht vor einer verschlossenen Tür. Das weckte unter den Mitarbeitern natürlich Neugier, sagt VBI-Vorstandschef Friedhelm Boschert. Zu Recht: Von Mitte April bis Anfang Juli dieses Jahres wurde in der VBI das Seminar Zen for Leadership abgehalten - ein anderer Weg in der Führungskräfte-Entwicklung.

Initiiert wurde das Seminar vom Vorstandschef selbst. Lange Jahre habe er sich mit Zen und Meditation beschäftigt, in den vergangenen Jahren wieder intensiver, sagt er. Boschert sieht in der Zen-Meditation einen für ihn geeigneten Weg, zu mehr Authentizität zu finden, auch zu mehr Authentizität im Führen von Menschen. Sein Bedürfnis, „in sich reinzuhören", zu meditieren, habe ihm, Boschert, zu mehr Gelassenheit, Ruhe und Konzentration verholfen. Dinge, die er auch seinen Mitarbeitern mitgeben wollte - und zwar in ihrem unmittelbaren Arbeitsumfeld, als Teil eines normalen Büroalltags.

Begleitet wurde das Seminar von Fleur Woess, die neben ihrer Tätigkeit als u.a. Vortrags- und Präsenz-Coach das Zentrum für Innere Ruhe, das Daishin-Zendo Wien, leitet und an der Uni Wien Aspekte des Buddhismus unterrichtet hat.

Selbsterforschung

Das Bedürfnis nach Sinn und Orientierung sei besonders in Krisenzeiten gesteigert. Die Wahrnehmung eines entsprechenden Umfelds verstärke dieses Gefühl noch. Zudem komme die Erkenntnis, so Woess, dass es für Menschen keine Antworten von außen gibt, diese nur bei sich selbst gesucht werden, also nur von innen kommen können - das sei ein Paradigmenwechsel. Üblicherweise trainiert man in Seminaren Werkzeuge, so Woess weiter. Im Zen, in der Meditation, wird der ganze Mensch trainiert, sein Körper und sein Geist. Dadurch finde man Halt in sich, eine innere Stärke und auch Standfestigkeit.

Authentisch führen

„Es war für uns wichtig, unseren Führungskräften zu kommunizieren, dass wir sie nicht verändern wollen, sondern - ganz im Gegenteil -, dass wir sie dabei unterstützen möchten, so zu sein, wie sie sind", sagt Boschert. Er selbst sei davon überzeugt, dass eine Führungskraft zukünftig nicht mehr hierarchisch, sondern authentisch führe, aus sich selbst heraus und im Einklang mit sich selbst. Führungskräfte - und das gelte besonders in Krisenzeiten - brauchen mentale Stärke, Konzentration, Selbstsicherheit und Gelassenheit, um ihren Mitarbeitern Orientierung geben zu können, so Boschert. 

Zehn Führungskräfte nahmen am Zen-Seminar der VBI teil. Nach einer Auftaktveranstaltung folgten zehn wöchentlich abgehaltene Einheiten mit Vorträgen, etwa zu „Achtsamkeit und Führung" bzw. „Achtsamkeit im Zen", gefolgt vom praktischen Teil, der Meditation. 

Woess: „Die Teilnehmer waren zunächst abwartend, aber neugierig. Und man sah, wie sie nach und nach ins Praktizieren hineingefunden haben und die Meditation ihre Wirkung gezeigt hat." Als „beobachtbare Folgen" nennt Boschert mehr Offenheit, verstärkte Teamfähigkeit, auch Empathie. Der „Nachhall" sei positiv gewesen: Mehr als die Hälfte der Teilnehmer praktizieren nach wie vor regelmäßig. Eine Wiederholung dieses Seminars sei, so Boschert und Woess, „sehr wahrscheinlich".

Über Projekterfahrungen berichten Friedhelm Boschert und Fleur Woess am 6.10. ab 18.30 Uhr im Daishin-Zen-Zentrum, Wien. Infos und Anmeldung: www.daishinzen.at oder unter Tel.: 01/313 40-3143. Mehr zum Thema Zen: Am 17. und 18. 9. findet das Seminar „Die Souveränität des Auftretens. Auftritt, Präsenz und die Welt des Zen" statt. (Heidi Aichinger, DER STANDARD, Printausgabe, 5./6.9.2009)