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An die zehn Mal in der Saison erklettern Plantagenarbeiter die Dattelpalmen. Geerntet wird in Tunesien in luftiger Höhe von Oktober bis Dezember.

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Barbara mag es süß. Zuckerstücke sind der Stute nicht vergönnt, also frisst sie Datteln. Eine nach der anderen zieht sie zart aus der Tasche ihres Besitzers, nachdem der Feldweg unter den Palmen keine mehr hergibt. Die Kerne spuckt sie aus, ein ganzes Häufchen davon liegt zu ihren Hufen. Das gebe Kraft, versichert Abdallah und klopft seinem Pferd anerkennend auf den Hals.

Kräftig ist es und hat glänzendes Fell. Ganz anders machen sich da dürre Kollegen Barbaras aus, die, vor klapprige Kutschen gespannt, am Rande des Palmenhains auf Besucher warten. Viele sind es nicht, die im Dezember in den Süden Tunesiens reisen. Eisiger Wind bringt die Kutschenfahrer zum Frösteln. In Decken gehüllt, nippen sie an heißem Kaffee, derweil ihre Rösser schläfrig in die Sonne blinzeln.

Im Herzen der Oasengärten des Bled el Djerid herrscht jedoch rege Betriebsamkeit. Es ist die Zeit der Dattelernte, und um das Städtchen Tozeur gedeihen die besten Früchte weit und breit, ist sich Abdallah sicher. Seine Kutsche rumpelt über Feldwege ins Innere der Plantage. Bananen wachsen hier, Granatäpfel und Feigen. Dazwischen ragen bis zu 20 Meter hoch die Palmen.

Gut zehn Jahre braucht es, bis sie zum ersten Mal tragen, manche erreichen wie Olivenbäume das biblische Alter von tausend Jahren, erzählt Abdallah. Eine Palme bringe es im Jahr auf mehr als 60 Kilo Datteln. Innerhalb weniger Sekunden erklettert ein Plantagenarbeiter behände und bloßfüßig eine Krone. Früchte prasseln auf die ausgebreiteten Tücher, Dattelzweige schaukeln an einem Seil herab. Ein paar Schritte abseits sind sie um ein bis zwei Euro für das Kilo zu haben.

Bernsteinfarben sind sie, groß, weich und picksüß. Abdallah teilt großzügig aus: Dank ihres hohen Kaloriengehalts reiche eine Handvoll, um in der Sahara eine Woche zu überleben. Das "Brot der Wüste" hat es in der Tat in sich. Die Dattel kommt neben viel Eisen, Kalium und Zink auf einen Zuckeranteil von 60 bis 70 Prozent. Leicht verdaulich soll sie obendrein sein. Experten zählen weltweit mehr als 1400 Sorten, an die hundert gibt es in Tunesien. Tozeur exportiert Deglet en Nour, die Finger des Lichts. Andere Sorten seien dunkler, kleiner, trockener, sagen Plantagenarbeiter. Die verarbeite man hier lieber zu traditionellen Süßspeisen.

An die 2000 Männer arbeiten in den Palmenhainen von Tozeur für Tageslöhne von je rund 15 Euro. Im März bestäuben sie die Blüten mit pollengetränkten Tüchern. Die reifenden Früchte werden mit blauen Plastiksäcken geschützt. Insektiziden bedarf es nicht - vieles aus der Region kommt in den Wintermonaten mit einem Biosiegel auch in die österreichischen Supermärkte, bestätigt Großhändler Zeilberger.

Die Oasengärten sind der liebliche Kontrast zur rauen Naturkulisse rundum. Eine Wüstensteppe erstreckt sich gen Norden, weitläufige Sanddünen in den Westen. Im Süden flimmern die weißen Salzseen des Chotts el Djerid. Die Wurzeln der Dattelpalmen müssen in salzhaltigem Wasser baden, ih- re Kronen von der Sonne liebkost werden, besagt eine alte Bauernregel. Doch das Wasser wird für die hunderte Jahre alten Plantagen am Tor zur Sahara zunehmend knapp.

Am Rande der Altstadt von Tozeur mit ihren verwinkelten Gässchen und Torbögen sind innerhalb kurzer Zeit riesige Hotelkomplexe entstanden. Misstrauisch beäugen die Stadtväter vor allem einen Golfplatz, der aus dem Boden gestampft wurde. Er soll von 50 Villen flankiert werden. Der artesische Brunnen, der eine halbe Million Palmen versorgt hat, ist versiegt. Immer tiefer wird nach Wasser gebohrt. Bedenken der Bevölkerung seien verständlich, da sie von Golf keine Ahnung habe, nicht wisse, dass dafür recyceltes Wasser verwendet werde, sagt der Manager des Golfplatzes. Für die Neubauten reichen die derzeitigen Quellen aber nicht aus, räumt er ein. Rund um viele Hotels sterben die Palmen bereits jetzt ab.

In den blühenden Oasengärten werden sie mit ausgeklügelten Kanalsystemen aus dem 13. Jahrhundert bewässert, sagt Abdallah und macht sich mit kiloweise frisch geernteten Datteln auf den Rückweg. Pferd Barbara luchst ihm noch eine Handvoll ab. Die süße Arbeit ist für sie mit Ende der Erntesaison ohnehin in wenigen Tagen vorbei. (Verena Kainrath/DER STANDARD/Printausgabe/19.12.2009)