Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Korneuburg – "Hat sich in Ihrer Verantwortung etwas geändert?", fragt Richter Manfred Hohenecker Freitagfrüh den angeklagten Polizisten. Und des Richters eindringlicher Hinweis auf den Strafantrag hat über Nacht tatsächlich Wirkung gezeigt: "Ich bekenne mich schuldig", sagt der Polizist aus Krems. Schuldig im Sinne der Anklage, wonach er in der Nacht zum 5. August 2009 im Kremser Merkur-Markt "irrtümlich" von einer Angriffsituation ausgegangen sei, dass er "übersehen" habe, wie sich der Einbrecher abgewandt habe – und dass er deshalb "das gerechtfertigte Maß der Verteidigung überschritten" habe.

Am Freitag sagt der Angeklagte: "Ich habe in der Situation sicher überreagiert." Welche Schlüsse er nun daraus ziehe, fragt Hohenecker nach. "Eher vorsichtig zu sein", sagt der Polizist. Der Richter: "Ich glaube, das war ein guter Zug von Ihnen – immerhin ist ein Geständnis ein wesentlicher Milderungsgrund."

Doch vor den Schlussplädoyers und dem Urteil sind noch weitere Zeugen zu befragen. Etwa jene Sanitäter, die zum Supermarkt gerufen worden waren – wobei sich zeigt, dass es auch hier Pannen gegeben hatte: Der Kremser Notarztwagen konnte nicht kommen, jener aus St. Pölten hätte zu lange gebraucht. Während der Fahrt waren die Sanitäter dann nicht zum Krankenhaus durchgekommen, um eine Vorbereitung für die medizinische Versorgung veranlassen zu können. Der Gerichtsmediziner hatte allerdings festgestellt, dass der eine Jugendliche auch bei rascher Behandlung an den Folgen der Schussverletzung gestorben wäre.

Später dann auch die Einvernahme des Leiters der Kremser Kriminaldienstgruppe, während der sich Richter Hohenecker aufs Neue "wundern" muss. Jener Jugendliche, der im Merkur niedergeschossen worden war, "ist leider Gottes schon als Unmündiger bei uns angefallen", sagt der Abteilungsinspektor. Sachbeschädigung, Diebstahl, Körperverletzung – rund zehn bis 15 derartige Fälle habe es bereits gegeben.

Das entspreche aber nicht der Aktenlage, merkt der Richter an. Er habe auf Anfrage nur drei Fälle zugeschickt bekommen, "wie fahrlässige Brandstiftung, weil Pommes frites in der Pfanne zu brennen begonnen haben". Hohenecker hält auch nicht hinterm Berg, warum er die anderen Fälle auch gern gesehen hätte: "Ich wollte wissen, ob der Angeklagte schon einmal Ärger mit dem Jugendlichen gehabt hat".

Im Schlussplädoyer warf Staatsanwältin Magdalena Eichinger dem angeklagten Polizisten "einen Fehler" vor, "den ich als grob fahrlässig qualifiziere". Opferanwältin Eva Plaz, die die Eltern und die Brüder des erschossenen Vierzehnjährigen vertritt, warf dem Beamten hingegen vor: "Er war im Jagdfieber." Er habe dem Jugendlichen "nachgeschossen." Es sei "nicht nachvollziehbar, dass er in einer Art Blutrausch dem Einbrecher hinterher ist".

Verteidiger Rainer Rienmüller mahnte in seinem Schlusswort hingegen den Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" ein: "Ein Einbrecher, der den Polizisten zuvor schon bedroht hat, springt draußen vor ihm auf. Er reagiert mit dem Einsatz der Schusswaffe. Sein Mandant habe allenfalls "an der unteren Grenze der Fahrlässigkeit gehandelt".

Dann das Urteil: acht Monate bedingt. Die Verteidigung erbat Bedenkzeit; das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Richter Manfred Hohenecker erläuterte in seiner Begründung, er gehe "im Zweifel" davon aus, dass der Angeklagte den Tod des Jugendlichen "nicht ernsthaft für möglich gehalten hat". Allerdings merkte der Richter auch an: "Bei einer professionelleren Verhaltensweise, die von Ihnen als Polizist zu erwarten ist", wäre der 14-Jährige "noch am Leben." Und dann noch der Nachsatz: "Ich hoffe, dass Sie nicht mehr Exekutivdienst ausüben."

Der Polizist habe im Supermarkt "einfach abgedrückt und nicht auf die Beine gezielt" – und das in dem Moment, in dem sich der Jugendliche umdrehen und flüchten wollte. Der 43-Jährige habe "mehrere Sorgfaltsverstöße" gesetzt.

Richter Hohenecker kündigte an, dass er die beschlagnahmte Dienstwaffe des Polizisten nicht ihm zurückgeben, sondern dem Landespolizeikommando Niederösterreich übermitteln werde. "Ich hoffe, dass Sie Ihnen nicht mehr ausgefolgt wird." (Roman David-Freihsl/DER STANDARD, Printausgabe, 13./14. März 2010)