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Er halte sich, erklärt H., für nicht weltfremd: Fahrräder würden eben manchmal gestohlen – und es sei unmöglich, über Bauart, Marke oder Preis vorab seriöse Diebstahlprognosen zu erstellen: Während ein Kollege das sauteure Bike seit Jahren oft tagelang beim Bahnhof unbeaufsichtigt am Billigschloss hängen lasse, habe sein Nachbar weniger Glück. Egal, wie billig oder gebraucht seine Räder seien, egal, wie kurz er sie allein lasse, und egal, wie belebt die Zone sei, an der er Radrahmen und Stadtmobiliar per Bügelschloss verbindet: Länger als ein Vierteljahr besäße der Mann kein Rad.

Radverlust, sagt H, sei also schicksalhaft: hinzunehmen, unerklärlich. Doch nun, sagt H., stehe er an den Grenzen seines Verschwindeakzeptanzvermögens: Er sei nämlich mit seiner Tochter zu einem Freund geradelt. Vaters teu-res Markenrad und Tochters günstiges Plastikding habe er mit einem (massiven) Schloss an einen Bügel gehängt. Eine halbe Stunde später galt es, Kindertränen trocknen: Das zwar billige, aber heiß geliebte Kinderrad war weg.

Seither zweifelt H. an der Welt: Kinderbikes stehlen sei nämlich so stillos wie Kinderwagenklau. Das, so H., gab es früher nicht. Darüber hinaus irritiert H. aber noch etwas: Sein teures Rad war nämlich nicht entwendet worden. Und er habe sicher nicht vergessen, das Kinderrad mit abzusperren. Doch auch das Schloss war verschwunden. Und wieso jemand ein fettes Schloss knackt, um dann nur das Billigrad zu nehmen, das bekommt H. nicht in seinen Kopf hinein. (Thomas Rottenberg/DER STANDARD/Automobil/16.4.2010)