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Viktor Orbán (li.), von Staatspräsident László Sólyom soeben mit der Regierungsbildung beauftragt, richtet seine Blicke in die Zukunft.

Foto: AP/Bela Szandelszky

Viktor Orbán, seit Mittwoch designierter ungarischer Regierungschef, könnte auf die Installierung eines Präsidialsystems hinarbeiten. Darauf lassen zumindest Andeutungen seines Partei-Vize schließen. 

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Der ungarische Staatspräsident László Sólyom hat am Mittwoch erwartungsgemäß den rechtsnationalen bisherigen Oppositionsführer Viktor Orbán mit der Regierungsbildung betraut. Dessen Bund Junger Demokraten (Fidesz) hatte die Parlamentswahl am 11. und 25. April haushoch gewonnen und sogar mehr als zwei Drittel der Mandate errungen. Zugleich berief das Staatsoberhaupt die konstituierende Sitzung der neuen Volksvertretung für den 14. Mai ein.

"Der Wählerwille ist angekommen, dies ist ein Fest für die Demokratie", sagte Sólyom nach der Erteilung des Regierungsauftrags. Die für ihn ungewohnt euphorische Laune, die Sólyom zeigte, dürfte allerdings auch nichts mehr daran ändern, dass die von Orbán dirigierte neue Parlamentsmehrheit sein im Juli ablaufendes Mandat an der Spitze des Staates nicht mehr erneuern wird.

Dahingehend ließ sich zumindest Fidesz-Vizeobmann Zoltán Pokorni tags zuvor im privaten Fernsehsender TV 2 vernehmen. Wörtlich sagte er zum Reporter auf die Frage, ob der Staatspräsident bleiben werde: "Wenn Sie mich fragen würden, ob ich glaube, dass László Sólyom in zwei oder drei Jahren Staatspräsident sein wird, dann würde ich dies verneinen."

Die Formulierung ist insofern seltsam, als der Präsident in Ungarn vom Parlament auf fünf Jahre gewählt wird. Pokornis kryptische Äußerung fördert Spekulationen, dass Orbán nun doch auf die Installierung eines Präsidialsystems mit ihm an der Spitze hinarbeiten könnte, allerdings nicht jetzt, sondern eben in zwei oder drei Jahren. Vor den Wahlen hatte Orbán eine derartige Absicht dementiert.

Auch in anderen Bereichen sichert sich die neue Macht zielbewusst ab. So soll, wie Fidesz-Mediensprecherin Annamária Szalai am Dienstag bestätigte, die für die Gesamtheit der elektronischen Medien zuständige und von den Parteien paritätisch besetzte Medienaufsichtskommission ORTT abgeschafft und durch eine staatliche Medienbehörde ersetzt werden. Deren Chefin soll nach Medienberichten eben Szalai werden, die als stramme Parteisoldatin gilt. Geschäftskreise um den seit Jahrzehnten mit Orbán eng verbundenen Marktforscher István Stumpf (Minister im Amt des Premiers in Orbáns erster Regierung 1998-2002) erwarben indes 31 Prozent der Anteile am privaten Fernsehsender RTL Klub. Der ungarische RTL-Ableger ist der meistgesehene TV-Kanal im Land.

Auch der Druck auf den noch von den scheidenden Sozialisten berufenen Nationalbank-Gouverneur András Simor wächst. Dessen Mandat läuft zwar noch bis 2013, doch Pokorni forderte ihn im erwähnten TV-Interview zum unverzüglichen Rücktritt auf. Orbán selbst hatte ihn schon in seiner Pressekonferenz am Montag abfällig einen "Offshore-Ritter" genannt. Tatsächlich war Simor, dessen Kompetenz nicht angezweifelt wird, vor einem Jahr ins Gerede gekommen, als bekannt wurde, dass er auch nach seiner Berufung zum Notenbank-Chef Firmen besaß, die im Steuerparadies Zypern registriert waren. (Gregor Mayer aus Budapest/DER STANDARD, Printausgabe, 29.4.2010)