Karin Küblböck: "Europa ist ein attraktiver Finanzplatz, das ändert sich nicht wegen einer Transaktionssteuer."

Foto: Attac/David Walch

Wer Märkte regulieren will, muss für die Finanztransaktionssteuer kämpfen, sagt Attac-Begründerin Karin Küblböck. Mit András Szigetvari sprach sie über die Macht von Lobbyisten und faire Steuern.

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STANDARD: Attac wurde 1998 mit dem Ziel gegründet, eine Finanztransaktionssteuer zu erkämpfen. Inzwischen wollen das auch viele EU-Staaten. Sind Sie am Ziel?

Küblböck: Nein. Als Attac in Österreich gegründet wurde, haben uns viele als utopische Spinner abgetan. Insofern sind die letzten Entwicklungen ein Erfolg. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer schien noch nie so realistisch. Das hat weniger mit ideologischen Positionen zu tun, als damit, dass den Regierungen das Wasser bis zum Hals steht und sie Einnahmequellen brauchen. Schön wär's gewesen, wenn es manche Einsichten schon vor der Krise gegeben hätte.

STANDARD: Der Internationale Währungsfonds meint, dass höhere Transaktionskosten keine Spekulationsblasen verhindern.

Küblböck: Viele kurzfristige Transaktionen werden durch die Steuer unrentabel. Wir sagen nicht, dass sie ein Allheilmittel ist, sie ist ein Instrument zur Regulierung. Wir fordern auch die Austrockung von Steueroasen und eine Zulassungspflicht von Derivativgeschäften wie Credit Default Swaps (CDS - Kreditversicherung, Anm.). Dass Leute CDS besitzen dürfen, obwohl sie die dazugehörigen Staatsanleihen nicht halten, macht keinen Sinn. Das ist so, wie wenn ich eine Versicherung für ein Pkw kaufe, den ich nicht habe und dann hoffe, dass der Fahrzeughalter einen Unfall hat.

STANDARD: Führt die Transaktionssteuer nicht zum Kapitalabfluss?

Küblböck: Europa ist ein attraktiver Finanzplatz, das ändert sich nicht wegen einer Transaktionssteuer. In Großbritannien gibt es die Stamp-Duty, eine Besteuerung von Aktienkäufen, und deswegen ist es auch zu keinem wesentlichen Abfluss gekommen. Im Gegenteil, die Stamp-Duty ist eine wesentliche Einnahmequelle für den Staat. Als Begleitmaßnahme ist vorstellbar, Kapital, das die EU verlässt, höher zu besteuern.

STANDARD: Die EU-Finanzminister haben sich diese Woche auf eine Hedgefondsregelung geeinigt. Sehen Sie das als einen Fortschritt?

Küblböck: Die Regelungen sind viel zu schwach. Betroffen sind nur Hedgefonds, die in der EU sitzen. Aber die meisten Fonds sitzen in Steueroasen. Wir hätten gerne, dass sich alle Hedgefonds EU-weit registrieren lassen müssen. Neben den Zulassungsregelungen muss auch die Aktivität der Fonds beschränkt werden. Die Hedgefonds haben keinerlei gesellschaftlichen Nutzen. Sie können aber durch den massiven Einsatz von Fremdkapital einen starken destabilisierenden Effekt haben.

STANDARD: Aber in der freien Marktwirtschaft geht es nicht um gesellschaftlichen Nutzen. Die Idee ist doch, dass das Streben nach individuellem Profit allen nützt.

Küblböck: Nur in der Theorie. Diskussionen darüber, was zugelassen werden darf, sind legitim. Die Finanzmärkte sind jener Bereich der Wirtschaftspolitik, der am undemokratischsten ausgestaltet ist. Das verdeutlicht schon ein Blick darauf, wie Entscheidungen zustande kommen: US-Abgeordnete werden bei der Finanzpolitik massiv von Lobbyisten bearbeitet. Laut einer Studie der NGO Public Citizen ist das Verhältnis dabei im Schnitt 11:1. Elf sind gegen die Veränderungen - einer dafür. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22./23./24.5.2010)