Nicht nur Journalisten kennen das eherne Mediengesetz, dass only bad news good news sind, sondern auch der Angstforscher und Psychiater Borwin Bandelow von der Universität Göttingen. In einem Kurier-Interview (23. 5.2010) stellt Bandelow die Behauptung auf, dass die Angstlust ein Naturtrieb des Menschen sei. "Man möchte in Angst und Schrecken versetzt werden, am liebsten mit einem Erdbeben im Nachbardorf mit vielen Toten. Das hinterlässt das positive Gefühl: Ich bin grad davongekommen." Die Medienvariante, welche diese Angstlust gern und reichlich bedient, nennt Bandelow mit einer griffigen Formulierung den "Immer mehr Menschen leiden unter...."-Journalismus.

Eine kleine Internet-Recherche hat mir dramatisch vor Augen geführt, wie sehr der "Immer mehr Menschen leiden unter...."-Journalismus floriert (71.300 Belegstellen bei Google!). Hier nur eine Mikro-Auswahl dessen, woran "immer mehr Menschen" leiden, nämlich unter Nagelpilz, Hörschwäche, sozialer Isolation, Krätze, Alzheimer, Lärm, Glutenunverträglichkeit, Aviophobie, chronischen Erschöpfungszuständen und so weiter und so fort. Glücklich die wenigen, denen diese Schicksale erspart geblieben sind und die sich bei der Lektüre ihres "Immer mehr Menschen leiden unter..."-Blattes dazu gratulieren können.