Katharina Razumovsy, Künstlerin und Philosophin mit David-Schurz und Heiligenschein, will Gott in den "wohlverdienten Ruhestand" schicken.

Foto: Razumovsky

Wien - Es gäbe gar keine andere Möglichkeit, sagt Katharina Razumovsky: "Wer in einen Dialog mit der Welt eintreten will, muss Kunst machen." Und die Dialoge der Malerin, Performance- und Aktionskünstlerin mit der Welt sind ganz schöne Tabubrüche.

So wie jetzt mit ihrer Beichtbox am Wiener Karlsplatz: Weil die Welt sich nicht nur in einer Wirtschafts-, sondern vor allem in einer Wertekrise befinde, wird Razumovsky gemeinsam mit ihrer Künstlerkollegin Anja Danneberg ab Donnerstag allabendlich die Beichte abnehmen, reuigen Sündern Ablass zum Schnuppertarif oder als Restposten erteilen, bei einem Karaoke-Beichtcontest nach dem Super-Sünder und im Rahmen einer Ehevermittlung nach dem besten Sündenpartner suchen. Bußwilligen wird ein Sündenspiegel das Bekennen erleichtern, im Register ganz oben ein Mangel an Selbstliebe:"Ich trau mir nichts zu" ; "Ich darf nicht" . Sie respektiere den christlichen Glauben, so Razumovsky. Doch die katholische Kirche könne man bestenfalls mit Humor ertragen: "Wir erleben als erste Generation in Westeuropa den magischen Moment, da unsere Gesellschaft nach langer, schmerzvoller Pubertät erwachsen wird und fähig ist, eigenverantwortlich zu entscheiden." Weshalb Razumovsky und Danneberg am Ende "Gott als autoritären Übervater in den wohlverdienten Ruhestand" schicken werden.

In ihrer Doktorarbeit hatte die gebürtige Deutsche, die seit zehn Jahren in Wien lebt, untersucht, ob Kunst ein Wahrheitsanspruch zugeschrieben werden könne, und kam zum Schluss, dass, wenn überhaupt, nicht Philosophie, sondern nur Kunst etwas über die Welt aussagen könne: "Kunst ist, ähnlich einer Familienaufstellung, die Aufstellung unserer Lebenswelten." Malerei, Collage, Fotografie, Video, Computer, Happening, Materialschlachten aus Plastik, Stoff, Transparentpapier, Folie, Gießharz: Katharina Razumovsky ist großzügig bei der Wahl ihrer Mittel. Aufregen, aufrütteln, Menschen aus dem Trott reißen, zum Nachdenken anregen, alles, nur kein Stillstand. Und die Frage: Was wäre, wenn. Wenn wir altern und nicht mehr westlichen Schönheitsidealen entsprechen, Randfiguren im sozialen Gefüge werden? Für diesbezügliche Recherchen bedruckte sie Transparente mit Fotos von Obdachlosen, Ausländern und geistig behinderten Menschen, versah sie mit Fragen wie "Bin i im Weg?" und "Siehst du mich?" und dokumentierte mit Video und Webcams die Reaktionen der Passanten.

Unmittelbarer Anlass für ihre aktuelle Performance war das abgelaufene Priesterjahr inklusive dem Total-Ablass für Priester und Laien, die für sie beteten. "Der Papst hat sich für die Missbrauchsfälle entschuldigt, Aber man kann seine Predigt auch so interpretieren, dass der Teufel den Priestern nur das Priesterjahr verderben wollte."

Das sei Kinderkram. Und überhaupt: "Ethik ist nicht nur durch Soll-Sprüche zu regulieren. Folgt man Ludwig Wittgenstein in seinen Überlegungen zur Ethik, so verhält es sich wie mit einer Tasse Tee: Man kann noch so viel hineingießen, es wird nie mehr hineinpassen, als darin Platz hat - transzendente Inhalte jedenfalls nicht. Eine Moral, die auf einer solchermaßen geprägten Werte-Ideologie aufbaut, kann sich aus sich heraus nicht legitimieren."

Darüber wird am 29. 6. ab 18 Uhr mit Philosophen und Theologen im Project Space diskutiert.(Andrea Schuria, DER STANDARD/Printausgabe, 22.06.2010)