Susanna Schuda und Florian Schmeiser in ihrem Wohnatelier im dritten Wiener Gemeindebezirk: "Zwei ernste Menschen mit viel Humor."

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Foto: Schuda/Schmeiser

Tempelschläfer (2007/2008): interaktive Installation, die auf die religiöse Komponente des menschlichen Konsumverhaltens anspielt.

Foto: Kunst im öffentl. Raum Steiermark
Foto: Christa Ziegler

Soziale Aufwertung als Verkaufsschlager für PassantInnen: ValYou (2008) wurde an unterschiedlichen Orten im Wiener Stadtraum installiert.

Foto: Christa Ziegler

Die Soundinstallation Das Ende (2010): apokalyptische Visionen und alltägliche Katastrophenszenarien.

 

Zu den Personen:
Florian Schmeiser wurde 1973 in Graz geboren, Susanne Schuda 1970 in Wien. Das Künstler-Duo lebt in Wien und arbeitet solo als auch in Kooperation in den Bereichen Medienkunst, Soundart sowie Kunst im öffentlichen Raum. Ihre Arbeiten umfassen autogenerative Kunst, interaktive Installationen, klassische Kompositionen sowie digitale Collagen und Videos. Unter dem Label Schuda/Schmeiser haben sie in Österreich Projekte im öffentlichen Raum realisert und an internationalen Ausstellungen teilgenommen: Festival Liquid Music in Judenburg, Kunst im öffentlichen Raum Steiermark, Kunst im öffentlichen Raum Wien, Künstlerhaus Passage Wien, Galerie für Medienkunst Medianoche New York City.

 

Links:
schudaschmeiser.net
florianschmeiser.com
susanneschuda.net

Foto: Florian Schmeiser, Bearbeitung: Susanne Schuda

Ähnlich weitläufig und offen wie der Blick auf den Donaukanal sind auch die beiden Arbeitsräume von Susanna Schuda und Florian Schmeiser in ihrem gemeinsamen Wohnatelier im dritten Wiener Gemeindebezirk: vier spärlich möblierte Zimmer, die zum Teil miteinander verbunden sind, in der Mitte ein zentral begehbarer Raum, dessen Anordnung sich aus der Teilung einer großbürgerlichen Wiener Altbauwohnung erklärt - zugleich Küche, Wohnzimmer und Eingangsbereich.

"Die Ideen zu unseren gemeinsamen Projekten entwickeln wir in langen Gesprächen," so die beiden Künstler, die unter dem Label Schuda/Schmeiser soziale Interaktion und Kommunikation im öffentlichen Raum zu forcieren versuchen: "Sobald einmal Thema und Setting - also die prinzipielle Form unserer Installationen und Interventionen - festgelegt sind, kommt es zur Arbeitsteilung." Susanne Schuda ist dann für Text und Bild zuständig, Florian Schmeiser für den Sound, manchmal mischen sich die Aufgabenbereiche auch. Daraus erklärt sich auch der Umstand, dass die beiden Absolventen der Universität für angewandte Kunst in zwei getrennten Zimmern arbeiten, denn - wenn auch mit viel abstrakteren Werken - treten sie auch als Einzelkünstler in Erscheinung. Florian Schmeiser mit Klangobjekten und Kompositionen, Susanne Schuda mit Videoarbeiten und digitalen Collagen - beide mit Installationen.

Multimodale Collagierungen

Offensichtlich wird die Arbeitsteilung zwischen Schuda und Schmeiser beim Projekt Tempelschläfer (2007/2008). Hier haben sich ihre unterschiedlichen formalen Herangehensweisen an Themen zu einer interaktiven Bild- und Klanginstallation verbunden, mit der sie auf die religiöse Komponente des Shoppingwahns, auf die Verfremdung alltäglicher Konsumtechniken, auf das globale Zirkulieren von Waren und nicht zuletzt auf die Rolle des Individuums in diesen Kreislauf abzielen. Das überästhetisierte, zehn mal drei Meter lange Bild eines liegenden Buddhas, den so genannten Tempelschläfer, haben sie vor Einkaufszentren in Leoben, Gleisdorf oder Graz für jeweils zwei Wochen installiert.

Auf Hochglanz poliert liegt er da und lächelt zufrieden die BesucherInnen des Konsumtempels an, sobald diese das Shoppingcenter betreten oder wieder verlassen wollen. Etwas scheint aber die Ruhe des Götzenbildes zu stören: es sind die perfekt collagierten digitalen Bilder, die den Körper des Buddhas mit Szenen aus dem Alltag einer globalisierten Konsumwelt bedecken, es sind aber auch seine an kaltes weißes Keramik erinnernde Haut sowie seine nicht vorhandenen Augen - durch und durch artifiziell und mehr als nur irritierend.

Codefragmente einer fragmentierten Welt

"Wir zitieren gerne. Wir versuchen bestehende kulturelle Praktiken und mediale Räume zu variieren und in einen anderen Kontext zu überführen", erklären Schuda/Schmeiser: "Die Ästhetik, auf die wir anspielen und mit der wir gleichzeitig operieren, hat immer einen Anknüpfungspunkt im realen Leben." Im Fall von Tempelschläfer gesellt sich zur visuellen Ebene, mit der Susanne Schuda auf massenmedial vermittelte Bildwelten Bezug nimmt, die von Florian Schmeiser entwickelte auditive Komponente des Werks. Im Zentrum des visuellen Arrangements - genau am Bauchnabel des schlafenden Buddhas - befindet sich nämlich ein Barcode-Scanner.

Sobald BesucherInnen des Einkaufszentrums kurz nach dem Bezahlen im Supermarkt den Strichcode ihrer neu erworbenen Konsumgüter ein zweites Mal über die Glasfläche gleiten lassen, ertönen Klänge, die je nach Beschaffenheit der Waren, mehr oder weniger an tibetanische Gebetszeremonien erinnern. "Ich arbeite im Moment an Musikkompositionstools zur Übersetzung von digitalen Text- und Bilddaten in musikalische Strukturen", erklärt Florian Schmeiser, der Tempelschläfer auch als Vorstufe für seine aktuellen Einzelprojekte im Bereich (auto-)generativer Musik versteht: "Mit diesen Instrumenten wird jedes beliebige Datenpaket auf der Festplatte eines Computers in Töne verwandelt. Die Strukturen der einzelnen Dateien - also eines Word-Dokuments zum Beispiel - werden uminterpretiert und in generative Musik transferiert."

Absurditäten der Wertegesellschaft

Weniger die an den Geldwert von Produkten gebundene Codierung wie im Fall von Tempelschläfer, sondern der soziale Wert von Menschen stand beim Projekt ValYou (2008) im Zentrum des interventionistischen Interesses von Schuda/Schmeiser. An neuralgischen Punkten im Wiener Stadtraum wie etwa am Schwedenplatz, in der Favoritenstraße oder in der Mariahilferstraße sind sie gemeinsam mit der Improvisationstheater-Gruppe English Lovers als fingierte Firma ValYou-Corporation aufgetreten. Eine zehn mal zehn Meter große Bühne mit einem blütenweißen Teppich, ein Logo, das ganz im Sinne einer New Economy Dynamik und Flexibilität ausstrahlt und die Neuvertonung Wagners Rheingold im Hintergrund waren der Rahmen für eine Unternehmenspräsentation im öffentlichen Raum.

"Wir haben versucht, bei den PassantInnen Erwartungshaltung zu schüren", so die beiden Künstler, die ihre Herangehensweise an die Scheinfirma ValYou-Corporation folgendermaßen erklären: "Die Bühne war abgesperrt und sollte den Anlass geben, mit den PassantInnen über das Produkt ins Gespräch zu kommen, das dort verkauft wurde - es ging um soziale Aufwertung." Um hinter die Absperrung zu kommen, musste man ein Minimum an Geldeinsatz von 1000 Euro aufwenden. Die Mitarbeiter der Firma - alle in Uniform und mit ValYou-Firmenlogo gebranded - haben mit Interviews in Erfahrung gebracht, wieviel das Publikum Wert ist. Je nach ermitteltem sozialen Stellenwert änderte sich schließlich auch der Eintrittspreis: je niedriger die Punkteanzahl auf einer Skala von 1 bis 10, desto höher die Geldleistungen - absurd, aber nicht weltfremd.

Irritierender Marktkonformismus

Was landläufig im Bereich der Medienkunst unter Interaktion verstanden wird, erweitern Schuda/Schmeiser immer wieder um eine soziale Komponente. Eine Reflexion auf die technologischen Bedingungen zieht sich dabei zwar als roter Faden durch ihre Arbeiten, vordergründiges Ziel ihrer Aktionen ist es jedoch, Kommunikationsprozesse anzukurbeln. "Abgesehen davon, dass sich sehr viele TeilnehmerInnen sehr niedrig eingestuft haben, wurde von niemandem bezweifelt, dass die Firma ValYou-Corporation wirklich existiert. Erschreckenderweise gab es keinen Widerspruch gegenüber dem Bewertungssystem. Die Aktion wurde selbst von den Medien unreflektiert geschluckt", antwortet Susanne Schuda auf die Frage nach den frappantesten Eindrücken und Publikumsreaktionen. Florian Schmeiser ergänzt: "Das war unser bisher problemlosestes Projekt im öffentlichen Raum. Nachdem wir die Aktivitäten der ValYou-Corporation als Firmenpräsentation und nicht als Kunstprojekt betitelt haben, hat sich alles andere erübrigt: keine Fragen von der Polizei, keine Fragen von privaten Personen. Die Breitseite an möglichen Reaktionen, denen man sich bei so etwas aussetzt, hat einfach nicht stattgefunden - es hat sich auch niemand beleidigt gefühlt."

Zuletzt haben Schuda/Schmeiser eine Arbeit für das Liquid Music Festival im steirischen Judenburg entwickelt. Bei Das Ende (2010) handelt es sich wie bei den anderen beiden Arbeiten ebenfalls um eine Installation, bei der PassantInnen dazu aufgefordert werden, sich einzubringen. Die Soundinstallation, die Anleihe am Speakers' Corner im Londoner Hyde Park nimmt, veränderte sich je nach der Distanz der BesucherInnen zum Rednerpult. Je näher man dem Zentrum der Installation kommt, desto leiser wird der Sound, einmal im Zentrum angelangt, fährt dieser zur Gänze runter und man steht vor einem Mikrophon, das die eigenen Worte in den öffentlichen Raum trägt.

Ein Transparent schwebt über der Installation: Wir sind heute hier, um über das Ende zu sprechen. Der Sound stammt von Florian Schmeiser, eingearbeitet sind Fragen aus der Feder von Susanne Schuda, die sich auf das von den beiden Künstlern vorgegeben Thema beziehen. "Das Ende kann alles sein", behaupten Schuda/Schmeiser, "es kann sich auf der persönlichen Ebene abspielen, es kann sich auf das Ende der Menschheit beziehen, auf ein Spielfilmende oder auf etwas ganz Banales... Wir gehen einerseits von aktuellen apokalyptischen Visionen aus, dem gegenüber steht andererseits eine Gewöhnung an medial vermittelten Katastrophenszenarien."

Ambivalenzen bekannter Sujets

Das Display der Installation ist an sektiererische Methoden des Menschenfangs angelehnt: ein Rednerpult, alles in Schwarz gehalten, eine griffige Message, verstärkt durch Sandsäcke, die die Installation in eine Art Krisengebiet verwandeln. "Das Material, das wir in Judenburg gesammelt haben, wird jetzt  weiterverarbeitet und dann auf einer eigenen Website veröffentlicht. Außerdem haben wir vor, Das Ende noch an anderen Orten aufzubauen und die Publikumsreaktionen miteinander zu vergleichen und in Beziehung zueinander zu setzen. Die Inszenierung liegt irgendwo zwischen Esoterik und Politik, zwischen geistiger und ideologischer Führerschaft, zwischen Kanzel und Podest", so Susanne Schuda: "Man kennt dieses Sujet beispielsweise aus Filmen: ein durchgeknallter Typ steht am Straßenrand und beschwört mehr oder weniger fanatisch das Ende herauf."

Die gesellschaftspolitischen Aspekte ihrer gemeinsamen Arbeit verbinden Susanne Schuda und Florian Schmeiser mit der formalen Stringenz, die sich aus ihren Einzelprojekten ergibt. Sie spicken ihre Installationen mit Witz und Ironie und rücken dabei die von ihnen gestalteten, umgeformten oder zweckentfremdeten Medien so lange in den Vordergrund, bis dem Publikum nichts anderes mehr bleibt, als sich in die Kommunikationsprozesse einzuklinken und Teil der installativen Kunstwerke zu werden. Auf die abschließende Frage, warum sie bewusst mit apokalyptischen Themen und religiösen Sujets arbeiten und diese mit Szenen aus dem Alltag kurzschließen, antworten Schuda/Schmeiser: "Ja, wir sind zwei ernste Menschen mit viel Humor." Sie lachen - zurecht.