Stockholm – Der Literatur-Nobelpreis 2010 geht an den 74-jährigen peruanischen Schriftsteller und Politiker Mario Vargas Llosa, gab die Schwedische Akademie am Donnerstag – wie stets Punkt 13:00 Uhr - in Stockholm bekannt. Und zwar für seine "Kartographien von Machtstrukturen und seine bissigen Bilder von Widerstand, Revolte und Niederlage des Individuums".

Llosa habe "sehr gerührt und begeistert" auf die Zuerkennung des Literaturnobelpreises reagiert, berichtete Jury-Chef Peter Englund nach der Bekanntgabe: "Er war schon um fünf Uhr aufgestanden, um sich auf eine Vorlesung vorzubereiten. Unseren Anruf bekam er um viertel vor sieben und war schon kräftig am Arbeiten". Llosa, der sich in New York aufhält, wo er an der Princeton-Universität lehrt, habe angekündigt, dass er zur Preisverleihung am 10. Dezember nach Stockholm kommen wolle.

Vargas Llosa selbst hat die Zuerkennung des Preises zunächst für einen Scherz gehalten. "Ich kann es immer noch nicht glauben", sagte er zur Madrider Zeitung "El Mundo". Er sei von der Entscheidung völlig überrascht worden: "Schon seit mehreren Jahren war mein Name nicht mehr im Zusammenhang mit dem Nobelpreis genannt worden." Seine Frau habe früh am Morgen ein Telefongespräch entgegengenommen und ihm gesagt, sie habe nicht verstanden, was der Anrufer wollte. "Man rief mich bald darauf erneut an, und dann hat man mir gesagt, dass ich die Auszeichnung erhalten habe", berichtete Vargas Llosa. "Ich dachte zuerst, ein Freund hätte sich einen Scherz mit mir erlaubt."

Romancier und Politiker

Mario Vargas Llosa gilt als einer der Giganten der lateinamerikanischen Literatur. Er wurde 1936 in Arequipa in Peru geboren. Sein erster Roman "Die Stadt und die Hunde", der auf eigenen Erfahrungen in einer Kadettenanstalt in Lima beruht, erschien 1963. Der Durchbruch gelang ihm mit "Das grüne Haus", dem Erfolgsromane wie "Der Krieg am Ende der Welt" und "Tante Julia und der Kunstschreiber" folgten.

In Peru trat Vargas Llosa als marktwirtschaftlich-liberaler Kandidat bei Präsidentschaftswahlen an, unterlag 1990 aber gegen Alberto Fujimori, der sich zum Autokraten entwickelte. Seine Erfahrungen als Politiker beschrieb der Autor, der 1993 auch die spanische Staatsbürgerschaft erhielt und ein Jahr darauf Mitglied der Königlichen Spanischen Akademie wurde, in dem Buch "Der Fisch im Wasser" (1996).

Auf Deutsch ist im Laufe des letzten Jahrzehnts 2001 der Roman "Das Fest des Ziegenbocks" ("La fiesta del chivo") erschienen, in dem es um den langjährigen Beherrscher der Dominikanischen Republik, General Rafael Leonidas Trujillo, um die Diktatur, ihre Mitläufer und Opfer geht. Im Band "Die Sprache der Leidenschaft" (2002) sind politische und literarische Kommentare gesammelt. 2004 erschien "Das Paradies ist anderswo" ("El paraíso en la otra esquina"), 2006 "Das böse Mädchen" ("Travesuras de la niña mala"), jeweils bei Suhrkamp. Sein jüngstes auf Deutsch erschienenes Werk ist "Die Welt des Juan Carlos Oentti", das er im Juli vergangenen Jahres in Frankfurt vorstellte. Im November soll sein neuer Roman "El sueno del celta" "(Der Traum des Kelten") erscheinen.

Verfilmt wurden "Die Stadt und die Hunde" (1985), "Der Jaguar" (1987), "Julia und ihre Liebhaber" (1991), "Der Hauptmann und sein Frauenbataillon" (2000) und "Das Fest des Ziegenbocks" (2006). Mario Vargas Llosa erhielt im Laufe seiner Karriere zahlreiche Ehrungen, etwa den Cervantes-Preis (1995) und den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1996). (Erhard Stackl/ DER STANDARD, 7.10.2010/ APA/ red)