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Corinna Kuhnle, Weltmeisterin im Kajak-Einer, zur Wahl von Österreichs "Aufsteiger des Jahres": "Das Stimmen-Rennen um den Sieg beim Voting hat nicht mehr viel mit dem sportlichen Erfolg zu tun."

Foto: Reuters/Zivulovic

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Eine perfekte Saison: Für Kuhnle war es die erste WM-Einzelmedaille in der allgemeinen Klasse, bei der EM gab es bereits Silber. Die HTL-Wirtschaftsingenieurin hatte bereits in diversen Nachwuchs-Klassen ihr Talent unter Beweis gestellt, so holte sie U23-EM-Bronze 2008 und 2010, 2004 war sie Junioren-Vizeeuropameisterin geworden.

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Wien - Der September war ein sporthistorischer Monat für Österreichs Kanuten. Die Niederösterreicherin Corinna Kuhnle holte sich bei der Slalom-Wildwasser-WM in Tacen in Slowenien die Goldmedaille im Kajak-Einer und schaffte damit, was seit über 30 Jahren keinem rot-weiß-roten Athleten in dieser Sportart mehr gelungen ist. Nun ist Kuhnle bei der Wahl zu Österreichs Sportlerin des Jahres als eine von fünf Damen neben Sabrina Filzmoser, Andrea Fischbacher, Elisabeth Görgl und Marlies Schild nominiert. Zudem ist sie neben David Alaba und Golfer Matthias Schwab einer von drei möglichen Aufsteigern des Jahres. Im derStandard.at-Interview spricht Kuhnle über die Relevanz von Sportlerehrungen, schlechte Trainingsbedingungen hierzulande und ihren Kampf um das Olympia-Ticket für London 2012. Florian Vetter fragte nach.

derStandard.at: Sie gehen als Kajak-Weltmeisterin ins Rennen um den Titel "Sportlerin des Jahres". Sind Sie stolz darauf, es gerade im Kanu-Sport geschafft zu haben?

Corinna Kuhnle: Es bedeutet mir schon viel in dieser Sportart in einem derartigen Ranking aufzuscheinen, das auch von Journalisten mitbestimmt wird. Der Kanu-Sport ist in den Medien kaum vertreten, die Aufmerksamkeit kann uns nicht schaden.

derStandard.at: Sie haben auf ihrer Homepage kräftig um Stimmenunterstützung für das Voting zum "Aufsteiger des Jahres" geworben. Was bedeutet diese Nominierung für Sie?

Kuhnle: Es ist eine Anerkennung für die sportlichen Erfolge. Ob ich da jetzt gewinne oder nicht, ist für mich nebensächlich. Weil es ja nach der Nominierung darauf ankommt, wie viele Leute man mobilisieren kann. Das hat dann nicht mehr viel mit dem sportlichen Erfolg zu tun. Die beiden Burschen sind super Sportler, ich war auch erfolgreich und freue mich einfach, dabei zu sein.

derStandard.at: Die Frage nach den Siegesschancen ist eigentlich obsolet.

Kuhnle: Ich versuche natürlich trotzdem so viele Leute wie möglich zu mobilisieren. Das ist natürlich nicht so leicht wie beim Fußball oder beim Golf, wo das über Vereine oder den Verband laufen kann. Ich probier's über die internationale Ebene und auch über Facebook und meine Homepage.

derStandard.at: Können Sie vom Kajak fahren leben?

Kuhnle: Ich kann davon leben weil mich das Bundesheer finanziert. Dazu unterstützt mich die Sporthilfe und das Sportland Niederösterreich. Hoffentlich ergeben sich in Zukunft noch ein paar Dinge. Ich teile mein Schicksal aber mit einigen Sommersportlern, die erfolgreich sind aber vom Sport nicht auf Dauer leben können. Die Sabrina Filzmoser etwa wird auch nicht reich aussteigen nach ihrer Karriere.

derStandard.at: In der Vergangenheit sind Sie trotz guter Leistungen oft im Schatten der Bronzemedaillengewinnerin und Olympia-Dritten Violetta Oblinger-Peters gestanden. Jetzt herrscht eine neue Hierarchie, oder?

Kuhnle: Ich brauche nicht unbedingt eine Hierarchie im Verband. Wir sind beide Einzelsportler, ich war bei der WM besser und habe gewonnen. Dass ich in ihrem Schatten gestanden habe ist klar: Sie hat immerhin bei Olympia eine Medaille geholt, war immer erfolgreich.

derStandard.at: Wie viel Zeit und Schweiß haben Sie in den WM-Titel investiert?

Kuhnle: Ich trainiere zwei- bis dreimal täglich, hauptsächlich am Wasser. Im Winter ist der Trainingsumfang größer, weil im Sommer rund um WM und EM fast durchgehend Wettkämpfe stattfinden. Im Winter ist es ein Kombinationstraining, bei dem Kraft- und Ausdauereinheiten dazukommen. Nächste Woche fliege ich nach Australien und trainiere dort bis März.

derStandard.at: In Österreich ist es wohl zu kalt, oder?

Kuhnle: Zum einen ist das Wasser schon sehr kalt und zum anderen gibt es hierzulande kaum Möglichkeiten, um für den Wildwasser-Slalom trainieren. Die einzige Strecke, auf der immer gefahren werden kann, liegt in Klagenfurt. Die ist aber teilweise nicht anspruchsvoll genug für mich. In Australien kann ich im olympischen Wildwasser-Kanal von Sydney trainieren, das ist die perfekte Lösung.

derStandard.at: Slalomfahren kann man simulieren, die Physik des Wassers nicht. Wie berechenbar ist der Kajak-Slalom?

Kuhnle: Nimmt man die Idealsituation her, sagt man als Sportler: Es ist alles zu hundert Prozent berechenbar. Dann hat beim Lauf alles funktioniert. Leider ist es natürlich nicht so. Das Wasser ist auf manchen Strecken schwer berechenbar, die Strömungen wechseln, da muss man gut reagieren. Man spürt, wann die Strömung am Boot greift.

derStandard.at: Worauf kommt es bei einem guten Lauf an?

Kuhnle: Der Kopf spielt eine große Rolle, klar. Und man muss gut auf der Linie fahren. Dann ist es auch körperlich nicht so anstrengend. Ein Laie sieht im Wildwasser-Slalom einen großen Kraftaufwand, wenn man aber einen guten Lauf hat, ist fast kein Kraftaufwand nötig.

derStandard.at: Ihr großes Ziel ist eine Olympiamedaille. Wie weit ist der Weg dorthin? Sie sind ja erst 23 Jahre alt.

Kuhnle: Die olympischen Spiele in London 2012 sind definitiv mein großes Ziel. Ich bin mir aber sicher, dass ich bis 2016 weitermachen werde. Die meisten Topathleten im Kajaksport sind um die 27 Jahre alt, aber das heißt auch nichts: Die Violetta (Oblinger-Peters, Anm.) wird 33, die tschechische Doppel-Olympiasiegerin Stepanka Hilgertova ist 42. Vom Alter her sind fast keine Grenzen gesetzt, weil es beim Kajakfahren sehr viel auf Erfahrung und Technik ankommt. Aber bezogen auf die Sportler-Wahl: Matthias Schwab, der Golfspieler, ist 15 und Alaba ist 18. Die Pressekonferenz letzte Woche war witzig, da fühlte ich mich schon alt.

derStandard.at: Bei der WM im nächsten Jahr in Bratislava geht es für Sie und Österreich um den Quotenplatz für Olympia 2012. Wie stark ist die Konkurrenz, auch aus den eigenen Reihen?

Kuhnle: Bei der kommenden WM kämpfen wir zusammen um den Quotenplatz, weil nur eine Fahrerin pro Nation bei den olympischen Spielen starten darf. Ob Violetta Oblinger-Peters den Platz holt oder die Viktoria Wolffhardt oder ich, das macht keinen Unterscheid für die spätere Olympia-Qualifikation. Im Olympia-Jahr geht es um das Ticket, entscheidend sind dann Ergebnisse bei der EM und drei Weltcupbewerben. Das waren zumindest die Richtlinien vor Peking.

derStandard.at: Nach der WM wurde Ihnen ein Empfang mit Blasmusik, Freibier und Gratiswürstel am Dorfplatz gemacht. Wie wichtig ist Ihnen die Unterstützung ihrer Heimatgemeinde und vor allem: Wie kann der Kajaksport aus seinem Nischendasein herauskommen?

Kuhnle: Die Leute aus meiner Heimatgemeinde sind mir sehr wichtig. Höflein an der Donau hat vielleicht tausend Einwohner, die meisten haben meinen Werdegang verfolgt, freuen sich mit mir. Kajak ist international nicht so eine Randsportart wie bei uns. In der Slowakei oder in Tschechien ist der Sport populär. Vielleicht liegt es bei uns auch daran, dass es lange Zeit keine Erfolge gegeben hat. Mittlerweile sind wir aber im Sommersport der zweiterfolgreichste Verband nach den Schwimmern. Trotzdem fehlen uns hauptamtliche Trainer, ich arbeite selbst mit dem Nachwuchs. Das Nationalteam rekrutiert sich aus vier Vereinen österreichweit (Klagenfurt, Steyr, Tulln und Höflein, Anm.). Fließt das wenige Geld in internationale Wettkämpfe, fehlt es bei der Jugendarbeit. (derStandard.at; 2. November 2010)