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Palmen, Strand, Meer, womöglich bald Geschichte.

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Der Premier der Cook Inseln, Jim Marurai (2.v.l.), hier auf einem Archivbild von einem Treffen südpazifischer Regierungschefs 2006 in Fidschi.

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Das Parlament auf der Hauptinsel Rarotonga.

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Bei internationalen Konferenzen, hier etwa beim Weltklimagipfel 2009 in Kopenhagen, erheben die Cook Islanders ihre Stimme.

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Hermann Mückler, Ethnologe und Südasien-Experte.

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Geht es nach dem Wiener Ethnologieprofessor Hermann Mückler, der Südseetraum auf den neuseeländischen Cook Inseln wäre schon bald ausgeträumt. Abwanderung, Isolation und Klimawandel stellen die Eilande im Südpazifik zwischen Hawaii und Neuseeland vor existenzielle Probleme. Am Mittwoch wird in dem 18.000-Einwohnerland, das zu Neuseeland gehört (siehe derStandard.at-Hintergrund), ein neues Parlament gewählt. Mückler ist Gründer der österreichisch-südpazifischen Gesellschaft und bereist die Inseln seit zwanzig Jahren. Im Interview mit derStandard.at erklärt er die Hintergründe der Wahl in einem Land kurz vor dem Untergang.

derStandard.at: Wird es die Cook Inseln 2050 noch geben?

Hermann Mückler: Die Inseln bestehen heute im Wesentlichen aus einer nördlichen und einer südlichen Gruppe, die größten Landflächen befinden sich im Süden, im Norden sind vor allem Korallenatolle mit Lagunen. Gerade dort kann man heute schon die Auswirkungen des Klimawandels sehen, genauso wie in anderen Teilen des Südpazifiks, etwa Tuvalu und in Polynesien. Der Norden der Cook Inseln ist von Überflutung bedroht, de facto beginnen die Probleme aber schon früher. Bevor die Inseln aber tatsächlich durch ein Ansteigen des Meeresspiegels verschwinden, stirbt die Vegetation durch das Eindringen des Salzwassers in die Böden ab und die Inseln werden unbewohnbar. Es deutet vieles darauf hin, dass bis dahin einige der Inseln, die heute noch bewohnt sind, verlassen sein werden. Die Zahl der bewohnten Inseln wird sich definitiv reduzieren, die Menschen werden auf einige wenige Insel zusammenrücken, die peripheren, nördlich gelegenen Cook Inseln werden dann so wie große Teile Mikronesiens unbewohnt sein.

derStandard.at: Kein anderes Land gibt so wenig Geld für Bildung aus wie die Cook Inseln, nirgendwo sonst ist die Abwanderung so stark. Wie kommt das?

Mückler: Das stimmt, man muss diese Zahlen aber auch in dem Kontext des Status der Inseln als neuseeländisches Territorium mit interner Selbstverwaltung betrachten. Das aktuelle Hauptproblem ist aber das negative Bevölkerungswachstum, das seit zwanzig Jahren besteht. Die Sogwirkung des Mutterlands Neuseeland ist sehr stark. Auch das Budget der Inseln wird von Neuseeland zugewiesen. Schon heute leben mehr Cook Islanders in Neuseeland, vor allem im Großraum Auckland, als auf den Inseln selbst. Die Abwanderung ist deshalb so groß und steigt konstant, weil es nur sehr eingeschränkte Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten gibt. Wer eine Ausbildung will, geht nach Neuseeland, was dazu geführt hat, dass man selbst auf der Hauptinsel Rarotonga nie größere schulische Einrichtungen etabliert hat.

derStandard.at: Wie reagiert die politische Klasse auf die Probleme?

Mückler: Die vergangenen zwanzig Jahre waren von relativ großer politischer Instabilität gekennzeichnet. Bei einzelnen Politikern standen immer wieder Korruptionsvorwürfe im Raum. Auch gegen Jim Marurai, dem amtierenden Premier, gab es erst im vergangenen Jahr massive Kritik und ich bin mir ziemlich sicher, dass er am Mittwoch abgewählt wird. Die ursprünglich dominante Partei, die Democratic Party, hat sich gespalten, Marurai steht der so genannten True Democratic Party vor. Man sieht starke Fragmentierungstendenzen aufgrund interner Konflikte und harte Verteilungskämpfe, die Konsequenz der begrenzten Ressourcen und Entwicklungsmöglichkeiten sind. Neuseeland hat sich bei diesen Streitigkeiten meist herausgehalten.

derStandard.at: Besitzt die Maori-Mehrheit eigentlich politische Repräsentanz?

Mückler: Das Regierungsmodell ist natürlich an den britischen und neuseeländischen Vorbildern angelehnt, parallel zu dem 24 Sitze umfassenden Parlament gibt es aber eine Art traditionelle Häuptlingsversammlung, das House of Ariki. Dessen 15 Mitglieder treffen sich einmal im Jahr, bei besonderen Anlässen auch öfter. Es hat offiziell zwar nur eine beratende Funktion, de facto entscheidet das Parlament aber nur dann etwa über ein neues Gesetz, wenn das House of Ariki vorher zugestimmt hat. Das ist aber auch auf Tonga, Samoa oder Fidschi so.

derStandard.at: Lässt sich aus der Stellung des House of Akiri eine Emanzipation gegenüber der neuseeländischen Zentrale ablesen?

Nun ja, wirklich auf Konfrontationskurs gegenüber Neuseeland geht das House of Ariki nicht. Man weiß auch dort, dass man am Tropf des Mutterlandes hängt. Indem es die traditionelle Komponente in den politischen Prozess bringt, scheint das House of Ariki nach innen, also für die Cook Islanders, wichtiger zu sein als das offizielle Parlament, das eher für die Repräsentation nach außen – und gegenüber Neuseeland – von Bedeutung ist.

derStandard.at: Ist die Subventionierung der mehr als 1.000 Kilometer entfernten Eilande in Neuseeland eigentlich populär?

Mückler: Unter den Pakehas, also den weißen Neuseeländern auf jeden Fall, ich vermute auch unter den indigenen Maoris, weil deren historische Wurzeln in genau dieser Gegend liegen. Kupe heißt der Mann, der seine Kanus zu Beginn des 15. Jahrhunderts (andere Theorien sprechen vom 10. Jahrhundert, Anm.) aus dem polynesischen Raum, wo auch die Cook Inseln liegen, nach Neuseeland geführt hat. Ursprünglich sind die Maoris sprachlich gesehen Austronesier und kamen im Laufe der Jahrhunderte aus Südostasien in den südpazifischen Raum. Erforscht hat dies übrigens ein Österreicher, Robert Heine-Geldern.

derStandard.at: Gibt es unter den Parteien eigentlich einen Konsens, dass der Klimawandel die Inseln existentiell bedroht?

Mückler: Ja, den gibt es sicher. Der Konsens wird aber auch ganz bewusst instrumentalisiert, um die westlichen Industrienationen, die als Verursacher ausgemacht wurden, an den Pranger zu stellen und so an mehr Geld zu kommen. Keine Frage, der Klimawandel ist eine Riesengefahr für die Pacific Islanders, aber zum Teil ist das Problem auch hausgemacht. Eine meiner Studentinnen forscht im Moment auf der Insel Wallis, wo weniger der Klimawandel Schuld daran trägt, dass den Inseln immer mehr Küste wegbricht. Sondern die Menschen selbst, in dem sie sehr viel Sand abgraben, um ihn zum Betonieren zu verwenden. Ab einem gewissen Punkt verselbständigt sich dieser Prozess durch die Brandung und ist nicht mehr umkehrbar. Es ist natürlich leichter, den Raubbau am eigenen Land hintanzustellen und sämtliche Probleme den bösen Industriestaaten anzulasten. Wenn es darum geht, treten die pazifischen Inseln, die alle untereinander zerstritten sind, plötzlich sehr geeint bei internationalen Tagungen auf.

derStandard.at: Was gedenken die Politiker gegen die Abwanderung zu unternehmen?

Mückler: Grundsätzlich sind die pazifischen Inseln heute wesentlich isolierter als vor zwanzig Jahren. Das hat einen ganz einfachen Grund: früher mussten die Fluglinien bei Trans-Pazifikflügen Zwischenstopps auf den Inseln einlegen, um aufzutanken, heute ist das nicht mehr notwendig. Es lohnt sich heute nicht mehr, gewisse Inseln per Flugzeug oder Schiff anzufahren, was das Verbindungsnetz zunehmend ausdünnt. Die Inseln fallen wieder zurück in die Isolation, werden dadurch noch peripherer. Das merkt man dort natürlich auch, weshalb das Credo lautet: nichts wie weg von den Inseln. Diese Entwicklung wird immer rasanter, vor allem die Jungen wollen weg, weil in zwanzig Jahren voraussichtlich alles noch schlimmer sein wird als heute. Konzepte gegen die Abwanderung haben die Politiker der Cook Inseln allesamt nicht, im Gegenteil gibt es Strömungen etwa auf der Insel Niue, die für eine geschlossene Übersiedelung der 2.000 Inselbewohnern nach Neuseeland eintreten.

derStandard.at: Und was sagt Neuseeland dazu?

Mückler: Dort will man tendenziell lieber mehr Geld in die Inseln investieren, als die gesamte Bevölkerung aufzunehmen. Es gab aber auch skurrile Überlegungen, die 2.000 Bewohner von Niue gesammelt in einem Wolkenkratzer in Auckland unterzubringen. Solche Ideen wurden auch tatsächlich in den Medien diskutiert, auch wenn ich nicht glaube, dass das jemals realisiert wird. Auch die 18.000 Cook Islanders könnten theoretisch in einem Stadtteil einer neuseeländischen Stadt einquartiert werden. Soweit ist man aber vonseiten der offiziellen neuseeländischen Politik noch nicht. (flon/derStandard.at, 16.11.2010)