Als die Regeln bezüglich Frisur wieder gelockert wurden: beim Aufwärmen mit Herbert Prohaska. Weigl hier bereits im Dress der Admira.

Foto:

Helmut Weigl heute und gut aufgelegt: "Es war eine wunderschöne Zeit"

Foto: Philip Bauer

Wien - Ein Spiel dauert neunzig Minuten. Alte Weisheit, stimmt nicht immer. Das Große Wiener Derby am 29. September 1973 im Praterstadion war eine der Ausnahmen. In der 81. Minute stürmten massenweise Zuseher an den Spielfeldrand, der Schiedsrichter konnte die Sicherheit der Spieler nicht mehr gewährleisten und brach die Partie ab. Warum? "Na weil der Heli in der 80. Minute zum Ausgleich getroffen hat." Der Mann, der über sich in der dritten Person spricht und über beide Ohren grinst, ist Helmut Weigl, Ex-Austrianer und Derby-Spezialist.

Das 1:1 vor 30.000 Zusehern wurde nicht gewertet, zur Wiederholung des Spiels kam es erst im Dezember. "Ich glaube damals hatte es minus 35 Grad", neigt Weigl zur Übertreibung. Die klirrende Kälte hinderte den defensiven Mittelfeldspieler jedenfalls nicht daran, in der Südstadt den Treffer zum 1:0 zu erzielen. Das Match endete 3:1, einer von fünf Derby-Siegen, die Weigl mit der Austria feiern konnte. Den Erfolgen stehen zwei Unentschieden und vier Niederlagen gegenüber. "Vier Niederlagen? Mahlzeit, ich bin entsetzt", mimt er mit einem Lächeln den Unwissenden.

Eine verschärfte Revanche

Eine, an die er sich lebhaft erinnern kann, ereignete sich am 12. Mai 1974. Hans Krankl erzielte damals sämtliche Treffer zum 4:0 für Rapid, das tat weh. Aber nicht lange. Fünf Tage später deklassierte die Austria den Erzrivalen im Cup mit einem 6:2-Kantersieg. Die Torschützen der Violetten hießen Alberto Martinez, Julio César Morales, Karl Daxbacher, zwei Mal Ernst Fiala und natürlich Helmut Weigl. "Nach dem 0:4 waren wir heiß", erklärt der 58-Jährige die erstaunliche Trendwende. Drei Treffer erzielte Weigl in der Saison 73/74, alle gegen Rapid. Natürlich gibt es dafür nur eine vernünftige Erklärung: "Das Derby hat eigene Gesetze, abgedroschen, aber wahr."

Weigl war zehn Jahre alt als er vom SV Wienerfeld in den Austria-Nachwuchs wechselte, noch vor seinem 18. Geburtstag trat der große Ernst Ocwirk, damals Trainer der Kampfmannschaft, an ihn heran: "Burli, wir fahren auf Trainingslager und Du kommst mit." Zunächst musste sich der Jungkicker allerdings von seiner Haarpracht trennen. "Wenn Du spielen willst, musst Du vorher zum Friseur", erklärte Ocwirk unmissverständlich, dabei wollte Weigl "aussehen wie George Best". Aber für den autoritären Ocwirk, dessen Trainerqualitäten Weigl in höchstem Maße lobt, fiel die blonde Mähne gerne.

Große Trainer, schneller Abgang

Ernst Ocwirk, Heinrich Müller, Karl Stotz, Béla Guttmann, Josef Pecanka, Josef Argauer, Robert Dienst - Weigls Trainer waren Größen des Fußballs, mit allen kam er gut aus, nur mit Stotz wollte es nicht funktionieren: "Ich war nicht sein Typ, ich durfte nur spielen, wenn kein anderer mehr gehen konnte." Als bekannt wurde, dass Stotz vor der Rückkehr zur Austria stand, wechselte Weigl nach dreizehn Jahren in Violett zur Admira. Just im Jahr nach seinem Abgang ging der Meistertitel 1976 wieder an die Austria. "Vielleicht hätte ich doch auf Prohaska hören sollen", zeigt sich Weigl ein wenig reumütig. "Heli, sei jetzt nicht deppert, Deine Probleme mit Stotz sind lange her", habe ihn Österreichs Jahrhundert-Fußballer zum Verbleib überreden wollen.

Kommt die Rede auf Prohaska, gerät Weigl ins Schwärmen: "Er war unglaublich, mit 15 spielte er reihenweise Nationalspieler schwindlig." Nicht der einzige Mitspieler der beim Wiener Spuren hinterließ: "Fiala habe ich die ersten Wochen gesiezt. Er war am Platz vielleicht ein Häferl, nachdem Spiel aber eine absolute Vaterfigur. Ich habe geweint als er den Verein verlassen hat. Der Herbert auch." Prohaska war nicht die einzige Übermacht im Nationalteam: Hickersberger, Hattenberger, Jara - da gab es kein Vorbeikommen. In einem freundschaftlichen Länderspiel gegen Deutschland reichte es dennoch zu einem Einsatz.

Ein unvergesslicher Abend in Madrid

Der Karriere-Höhepunkt war laut Weigl aber ein anderer: am 23. Oktober 1974 spielte die Austria im Achtelfinale des Europacups der Cupsieger auswärts gegen Real Madrid. "Wir waren eine richtig gute Truppe, die schnellen Fußball spielen konnte", das Match vor 60.000 Zusehern im Bernabeu ging zwar 0:3 verloren, das Ergebnis sei aber täuschend ausgefallen. Auch ein Testspiel in Sevilla blieb Weigl in Erinnerung. Drei Gegenspieler habe er ausgetanzt, das Publikum skandierte "Ole!" und Sevilla-Coach Max Merkel zeigte sich nach dem Spiel interessiert.

Aus einem Auslandstransfer wurde nichts, zu oft wurde Weigl von Verletzungen zurückgeworfen. Aber selbst wenn sein Einkommen als Fußballer in Österreich ("Wenn einer pfuschen war, hat er drei Mal so viel verdient wie ich") gering war, lässt er nicht den geringsten Zweifel aufkommen: "Einmal violett, immer violett. Es war eine wunderschöne Zeit". (Philip Bauer; derStandard.at; 26. November 2010)