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Wolfgang Bretschko und Klaus Schweighofer

Fotos: STANDARD/Fischer, APA/Hochmuth

STANDARD: Sie haben sich eine „gute Ehe" vorgenommen, als die Dreierbeziehung im Styria-Vorstand mit dem überraschenden Abgang von Vorstandschef Horst Pirker im September endete. Wie waren denn die ersten zweieinhalb Monate Eheleben?

Bretschko: Wir haben die Aufgaben mit 13. September quasi volley übernommen, die ersten zwei Monate liefen sehr gut. Wir haben in der Zwischenzeit unseren Strategieprozess finalisiert und die Ergebnisse den Eigentümern und den 130 Führungskräften des Konzerns kommuniziert und vereinbart, wie wir weitertun. Wir haben das Budget und die Mehrjahresplanung 2011 bis 2013 erstellt. Und wir haben das operative Tagesgeschäft weiter betrieben. Die ersten zehn Monate dieses Jahres sind sehr gut verlaufen, und auch der November sieht sehr gut aus. Auf der Basis wird es sich nicht verhindern lassen, dass wir ein sehr gutes Jahresergebnis schreiben werden. Es waren natürlich turbulente Zeiten, aber ich bin mit dem Verlauf der ersten Monate ganz zufrieden.

Schweighofer:Die Zusammenarbeit hat sehr gut funktioniert. Für uns war das am Anfang sicher die größte Unsicherheit. Nach zwei Monaten haben wir schon mehr Sicherheit, dass das zu zweit gleichrangig gut funktioniert.

STANDARD: Wie haben Sie die Zusammenarbeit geregelt - ab wann entscheiden Sie gemeinsam?

Schweighofer:Innerhalb der eigenen Ressorts kann jeder innerhalb der Budgets agieren. Alles andere, insbesondere große strategische Fragen, entscheiden wir gemeinsam.

Bretschko: Zwei größere Themenblöcke haben wir - über unsere jeweiligen Ressorts hinaus - aufgeteilt: Die Strategiearbeit mit der Boston Consulting Group treibe ich voran, wir entscheiden aber gemeinsam. Und das Thema Neubau treibt der Klaus voran. Auch da entscheiden wir gemeinsam, wie wir weiter tun.

Schweighofer:Entscheidend ist die Kommunikation. Wir haben in den letzten zwei Monaten soviel miteinander gesprochen wie in den letzten zwei Jahren nicht. Davor ging die Kommunikation sternförmig in Richtung Horst Pirker. Da haben wir viel nachgeholt.

STANDARD: Weil Sie den Neubau der Konzernzentrale erwähnt haben - wie ist der Stand? Horst Pirkers Abgang wurde ja auch mit diesem Vorhaben in Verbindung gebracht.

Schweighofer:Wir prüfen und rechnen noch ein paar Varianten. Wir sind noch nicht so weit für eine Entscheidung. Da geht es um 60 bis 70 Millionen Euro. Das ist auch für die Styria eine enorme Investition.

STANDARD: Graz greift der Styria dabei aber freundlich unter die Arme.

Schweighofer: So kann man das nicht sagen. Die GBG, die Immobiliengesellschaft der Stadt Graz, will sich an dem Projekt beteiligen. Und es gäbe damit seitens der Stadt Graz eine Haftungserklärung. Das ist es.

Bretschko: Wesentlich für unsere Eigentümer war da: Sie wollten vor dem Spatenstich wissen, wie das Projekt mit der Strategie zusammenpasst, die wir mit BCG erarbeitet haben, ob das kompatibel ist. Und inwieweit das in unsere Mehrjahresplanung passt. Beides haben wir jetzt bearbeitet. Parallel dazu prüfen wir zwei bis drei verschiedene Varianten und Zugänge, bevor wir das Projekt finalisieren.

STANDARD: Stichwort Strategie. Wo wollen Sie hin, zum Beispiel 2015?

Bretschko: Wir haben a) festgelegt, dass wir im Mediengeschäft bleiben wollen und dort auch noch genug Wachstumsmöglichkeiten sehen. Wir wollen als Styria weiter wachsen in den nächsten Jahren, und glauben, dass das möglich ist. Wir haben ein paar Zugänge entwickelt, wie wir da wachsen wollen. Ein wesentlicher Zugang ist: Wir wollen unser Digitalgeschäft deutlich stärker positionieren. Heuer kommen drei Prozent unseres Gesamtumsatzes aus digitalem Geschäft. Das ist für uns zuwenig, auch, um sich mittelfristig weiter gut entwickeln zu können. Wir wollen den Anteil mehr als verdreifachen: 2015 muss es zehn Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen. Dazu werden wir eine eigene Venture-Einheit gründen, die unser bestehendes Digitalportfolio weiterentwickeln soll. 

STANDARD: Weiterentwickeln im klassischen Mediengeschäft oder im Feld von Kauf- und Tausch- und Partnerbörsen?

Bretschko: Wir haben derzeit zwei wesentliche Standbeine: Classified-Portale wie willhaben in Österreich und unsere Marktplatzportale in Kroatien und Slowenien. Die wollen wir weiter ausbauen. Wir glauben, wir haben da auf das richtige Pferd gesetzt. 2010 werden sie einen wesentlichen Anteil an den zehn Prozent ausmachen. Das zweite Standbein sind unsere News- und Nischenportale wie Börse Express und Ichkoche.at. Da müssen wir neue Monetarisierungsquellen finden, etwa im E-Commerce. Da sind wir zu stark rein von Werbung getrieben. Da müssen wir andere Zugänge finden, und haben sie mit der BCG auch gefunden.

Schweighofer: Der Börse Express ist schon ein positives Beispiel dafür und kann für heuer ein sehr gutes Ergebnis vorweisen. Da sind wir im Kern der strategischen Stoßrichtung, die wir mit BCG erarbeitet haben: Rund um ein Medium, das eine Community bedient, müssen wir versuchen, Monetarisierungsströme zu finden. Das ist beim Börse Express auch noch Print, das ist die Roadshow, bis hin zu Merchandising. Mit dieser Wolke an Einnahmequellen gelingt ihm ein positives Ergebnis. Aber im Kern bleibt immer ein Medium. Ichkoche.at baut das mit etwa Seminaren aus, hängt aber noch stark an klassischen Erlösen. So erfolgreich, dass wir es in Slowenien schon gestartet haben und demnächst nach Kroatien bringen.

STANDARD: Community liegt bei Zeitschriften der Styria Multi Media auf der Hand...

Schweighofer: Community bezieht sich aber auch auf unsere Massentitel. Der Unterschied könnte in Zukunft sein, dass wir irgendwann nicht mehr schaffen, alle Communities mit einem breiten Massenmedium erreichen, sondern dass wir sie gezielter anspielen müssen. Dass wir näher heranmüssen an die User, an die Leser, an die Seher und Hörer. Ich würde auch STANDARD und Presse als so breit aufgestellte Titel sehen. Ich kann mir vorstellen, dass man hier Segmente herausschneidet, die attraktiv sind, auch unter dem Gesichtspunkt: sind sie zahlungsbereit, kann ich sie monetarisieren? Die spielen wir gezielt an, und nutzen aber unsere breiten Massentitel quasi als Treibstoff, um unsere kleinen Nischenportale zum Leben zu erwecken.

STANDARD: Was wäre die Presse-Community? 

Schweighofer: Zum Beispiel Benedikt Kommenda und sein Rechtspanorama, das wär schon etwas. Oder was Karl Ettinger versucht, für die Beamten langsam aufzubauen. Oder Wilhelm Sinkovicz. Wir nutzen es noch nicht richtig.

STANDARD: Zur Gesamtentwicklung der Styria. Sie haben zehn Jahre Expansionskurs im In- und Ausland hinter sich, die Styria hat ihren Umsatz verdoppelt, beinahe auch die Zahl der Mitarbeiter. Sagen Sie jetzt: Wir haben ein ansehnliches Portfolio, versuchen wir zu wachsen, indem wir mehr herausholen. Oder kaufen und gründen Sie munter weiter?

Schweighofer: Es ist beides. Mehr aus dem Bestehenden herauszuholen, mit Communities, mit einem neuen Zugang zum Werbemarkt...

STANDARD: ...einer so genannten 360-Grad-Agentur, die offenbar alle Styria-Medien vermarkten soll...

Schweighofer:... als Antwort auf Google und seine Annäherung an regionale Märkt. Zu Akquisitionen und Neugeschäft haben wir keinen anderen Zugang als in den letzten zwei Jahren. Wir sind in den heute stagnierenden Märkten sicher vorsichtiger als vor fünf Jahren, als sich die Märkte ganz anders entwickelten. Wir gehen von stagnierenden Märkten aus, hoffen aber natürlich, dass der eine oder andere anzieht.

STANDARD: Das Vorarlberger Medienhaus hat seine Mitarbeiter gerade informiert, 2010 wäre das bestes Jahr seiner Geschichte.

Schweighofer:Aber wohl nicht in Ungarn und Rumänien. Die Werbeumsätze in Österreich sind auf dem Niveau von 2007 oder 2008. Im Ausland sind wir auf dem Niveau von 2006 oder 2007. Die Ergebnisse unter diesen Bedingungen - das ist die Arbeit unserer Leute in den letzten zwei Jahren.

Bretschko: Sie fragen: Gibt es einen Strategiewechsel? Die Frage würde ich mit Ja beantworten. Aber nicht, weil Horst Pirker gegangen ist. Sondern weil wir uns diese Frage bewusst heuer gestellt haben. Wir haben uns nicht mit Boston Consulting ein Jahr auseinandergesetzt, weil wir alles so weitermachen wollten wie bisher. Wir haben uns zusammengesetzt, weil wir zehn Jahre gewachsen sind, und sich die Frage stellt: Was machen wir jetzt aus dem? Auch vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise und auch vor dem Hintergrund der digitalen Transformation. Unsere Erkenntnis daraus ist: Medien sind noch immer ein profitables Geschäft. Wenn Sie sich anschauen, was die Kleine Zeitung 2008, 2009 oder 2010 verdient, kann man daraus keine Krise ablesen. 

Schweighofer: Vor allem nicht am Ergebnis.

Bretschko: Das gleiche gilt für 24sata in Kroatien. Die Zahlen deuten nicht auf eine Krise hin, obwohl diese massiver als in Österreich verläuft.

Schweighofer: Beide Zeitungen werden heuer das beste Ergebnis aller Zeiten haben.

Bretschko: Wir haben geprüft: Müssen wir komplett deinvestieren, gehen wir komplett in andere Geschäftsfelder? Wir haben gesagt: Wir bleiben im Mediengeschäft, weil wir überzeugt sind, dass man heute und auch 2015, 2020 mit Medien noch gut Geld verdienen kann. Konkret für die Styria haben wir aber auch gesagt: Aufgrund des massiven Wachstums ziehen wir eine Phase ein, wo wir konsolidieren wollen, Synergien heben. Wenn man zehn Jahre gewachsen ist, hat man gute Chancen, dass man Synergiepotenziale findet. Das wird die Jahre 2011 und 2012 bestimmen. Parallel dazu machen wir uns fit für den nächsten Expansionsschritt. Wir wollen profitabler werden, um eine Kriegskasse zu haben für künftige neue Projekte und Akquisitionen. Wir glauben, man kann im Medienbereich sowohl im analogen wie im digitalen Bereich expandieren. 

Schweighofer: Das war sehr früh in unseren Überlegungen das zentrale Thema. Mit Boston Consulting und Horst Pirker. Das große Bild war im Juli fertig. Dann ging es nur noch um Details und die Umsetzung. 

STANDARD: Und Sie mussten das große Bild nicht noch schnell im September nach dem Abgang Pirkers umschreiben?

Bretschko (lacht): Das hätten wir bis zur Führungskräfteklausur im Oktober nicht geschafft.

STANDARD: Stichwort weitere Expansion: Unter Horst Pirker war immer wieder die Expansion nach Wien die Rede, mal war der Kurier interessant, dann wieder todkrank. Oder wie wäre es mit einer Kleinen Zeitung für Wien? Oder beides in einem?

Schweighofer: Wien ist ein Thema für uns. Nach der Zahl der Mitarbeiter ist Wien schon unser größter Standort. Wir haben die meisten Titel in Wien. Wir haben in unserem Joint Venture mit der Moser Holding die Wiener Bezirkszeitung erfolgreich von 14-tägig auf wöchentlich umgestellt. Der Kurier ist immer interessant für jemand, der Wien und Österreich für sich als Markt definiert hat. Die Styria war ja schon in den Siebzigerjahren am Kurier beteiligt.

Bretschko: Klar ist, dass Wien für uns ein Kernmarkt ist. Wir haben dort Die Presse, das Wirtschaftsblatt, wir haben dort die Magazine der Styria Multi Media. Das wird auch so bleiben. Klar ist auch, dass die Kleine Zeitung ein Erfolgskonzept ist. Das nach Wien zu transferieren, wäre natürlich charmant, würden wir aber nicht tun. Denn der Wiener Markt ist sehr belegt. Sie haben dort den Kurier, die Krone, Österreich, Heute - rein in dem Segment tummeln sich vier. Es gibt kein Zeitfenster, das die Investitionen rechtfertigen würde, die Kleine Zeitung nach Wien zu bringen. Das ließe sich schwer darstellen. Der Kurier würde natürlich zu unserem Portfolio passen. Aber dafür braucht es immer zwei: Einen, der verkaufen will, und einen, der kauft. Und dann gilt es noch kartellrechtliche Aspekte zu berücksichtigen. Wenn wir die Möglichkeit hätten, würde das ganz gut zu unserem Portfolio passen. Aber derzeit gibt es, glaube ich, auch dieses Mondfenster nicht.

Schweighofer: So etwas muss einen interessieren. Ob es dann schlussendlich etwas wird, muss man im Einzelfall klären, wenn es sich ergibt. 

STANDARD: Die WAZ, die fast 50 Prozent am Kurier hält, hat sich vergangenes Jahr schon durchaus verkaufsbereit gezeigt. Man muss sich halt mit Raiffeisenchef Christian Konrad einigen, der über die knappe Mehrheit und das Vorkaufsrecht verfügt.

Schweighofer: Ja, da gibt es noch einen, gar nicht unwesentlichen Eigentümer.

STANDARD: Gibt es Gespräche oder Kontakte in die Richtung?

Bretschko: Kontakte gibt es schon, aber ...

Schweighofer: ... keine Gespräche zu dem Thema.

STANDARD: Was, wenn Österreich zu haben wäre?

Schweighofer: Ich glaube, die Frage stellt sich nicht.

Bretschko: Wenn es ein Interesse des Kurier gäbe, mit der Styria stärker und intensiver zu kooperieren bis hin zu einer Verflechtung auf Eigentümerseite, wäre das sicher ein Projekt, das wir sehr ernsthaft verfolgen würden. Das würden wir auch mit viel Engagement verfolgen, weil wir glauben, das würde unser Portfolio optimal abrunden. Wenn es ein Interesse seitens der Brüder Fellner gäbe, würden wir das nicht angehen. Da müsste man einen ziemlich großen Block an Verbindlichkeiten übernehmen. Das macht keinen Sinn. Mit dem Geld kann man sinnvoll Anderes in Kroatien oder woanders in Südosteuropa machen. 

Schweighofer: Zu dem großen Investment, das schon drinsteckt, kommt: man kann nicht sicher sein, dass dieses Geschäftsmodell auch für den Zweiten funktioniert. Heute hat eine sehr gute erste Linie hingelegt. Österreich ging als zweiter im Wiener Gratiszeitungsmarkt an den Start. International sehen wir, dass es der Zweite immer sehr, sehr schwer hat.

STANDARD: A propos Gratiszeitung: Sie unterstützen die Reichweite der Kleinen Zeitung in Graz mit einer Gratis-Sonntagszeitung namens G7. Haben Sie die Unstimmigkeiten darüber in der Media-Analyse schon geklärt?

Bretschko: G7 ist keine Gratiszeitung, sondern der erweiterte Regionalteil der Kleinen Zeitung, der in Graz und Umgebung auch an die Nicht-Abonnenten der Kleinen zugestellt wird. Dazu gab es eine Diskussion innerhalb der Media-Analyse. Unsere Position war: Es muss zulässig sein, dass man auch kreative Ideen und neue Konzepte entwickelt. Schlussendlich haben wir uns auf vernünftige Spielregeln für solche Produkte geeinigt, die für alle gelten. Wir werden uns selbstverständlich daran halten. 

STANDARD: Als nächstes plant die Kleine eine Kinderzeitung?

Bretschko: Es gibt sehr konkrete Pläne für eine wöchentliche Kinderzeitung im nächsten Jahr. Die Kleine Zeitung hat immer wieder neue Ideen - und wie sie sich finanzieren lassen. Sie überlegt sich ständig: Wie kann sie ihre Zielgruppen, ihren Markt noch besser bespielen. Das macht ihren Erfolg aus.

STANDARD: Zur Gesamtstrategie noch: 2011/12 ist auch nicht mit großen Zukäufen oder Gründungen im Ausland zu rechnen?

Schweighofer: Das ist nicht auszuschließen. Aber derzeit stehen wir nicht in großen, intensiven Verhandlungen. Die interessanten Ziele waren schon in den vergangenen Jahren sehr rar. In Serbien waren wir vor zwei Jahren relativ knapp dran, haben das Projekt aber auch aufgrund der sich anbahnenden Krise zurückgestellt. Heute sehen wir, dass das eine gute Entscheidung war. Wo es interessante Ziele gäbe, sind wir teilweise schon durch das Kartellrecht beschränkt. In Kroatien und Slowenien können wir deshalb nicht so einfach weiter akquirieren.

STANDARD: Im Inland zerbröselt gerade der ORF. Wäre die Styria am einen oder anderen Filetstück interessiert, wenn es zu haben ist?

Schweighofer: Die Landesstudios in Kärnten und der Steiermark nehmen wir gerne. Wir sind überzeugt, dass wir sie deutlich effizienter führen können. Ob auch qualitativ besser, möchte ich aus Respekt vor den Kollegen jetzt nicht beurteilen.

STANDARD: Stichwort Konzernbestand. Bei der Strategieklausur haben Sie einen Gesundheitscheck aller Konzernfirmen angekündigt.

Schweighofer: Der Gesundheitscheck war schon Teil der Strategiearbeit. Wir haben das gesamte Portfolio diesem Check unterzogen. Da gab es für uns keine großen Überraschungen. Aber wir wollen diesen Check künftig laufend machen und das Portfolio evaluieren. Da stehen auch einzelne Titel und Unternehmen zur Diskussion, wie das schon in der Vergangenheit der Fall war. Wir wollen das nur aktiver machen als in der Vergangenheit. 

Bretschko: Voriges Jahr haben wir uns schon von den regionalen Fernsehsendern Steiermark 1 und KT1 getrennt, weil uns das strategisch nicht weitergebracht hat. Das hat zwar keine großen Verluste gebracht, aber auch keine großen Gewinne. Wesentlich ist: Jedes Unternehmen der Gruppe muss einen positiven Wertbeitrag zur Gruppe leisten. Wir wollen uns kein Unternehmen leisten, das über Jahre hinweg keinen positiven Beitrag leistet. Es ist klar, dass in Gruppen wie unserer immer Unternehmen geben wird, die gerade in einer Restrukturierungsphase, einer Startup-Phase oder einer Investitionsphase sind. Aber auf Dauer muss jeder für sich selbst lebensfähig sein. 

STANDARD: Die nächste Frage kennen Sie: Wie lange reicht die Geduld beim Wirtschaftsblatt?

Schweighofer: Nächstes Jahr ist ein positives Ergebnis dort sehr realistisch. Das Wirtschaftsblatt hat die Ergebnisse auch in der größten Krise signifikant verbessert. Das ist nicht selbstverständlich in einer Phase, in der gerade die Finanzdienstleister als Werbekunden weggefallen sind. Wo sie zurückkommen, sehen wir, dass sich das Wirtschaftsblatt besser entwickelt, als erwartet. Und wir setzen große Erwartungen in den neuen Verkaufsvorstand Joachim Zieger. Wir werden aber zusätzlich im Haus etwas beitragen. Wir werden es nicht alleine über die Erlösschiene schaffen, da Nachhaltigkeit zu schaffen.

STANDARD: Das heißt, wir hören demnächst von einer Fortsetzung des Konflikts vor einem Jahr, Redakteure aus dem Journalistenkollektivvertrag zu bringen...

Schweighofer: Nein. Da geht es sicher nicht darum, Redakteure aus dem Kollektivvertrag herauszuholen. Es geht um eine Kostenbasis in allen Bereichen, die Nachhaltigkeit garantiert. Das gilt für alle Titel. Und wir haben einige Titel, die um die Nulllinie performen. Das ist die Aufgabe jedes dieser Titel. Nicht erst seit Horst Pirkers Abgang am 13. September, sondern seit längerer Zeit. 

STANDARD: Die Presse will sich dieser Nulllinie gerade nähern.

Schweighofer: Die Presse ist auf einem guten Kurs wie das Wirtschaftsblatt und schon weiter, trotz des Investments am Sonntag. Aber auch dort gilt: Alleine über die Erlöszeile werden wir es dort nicht schaffen. Wir sind dabei, darüber nachzudenken, wie wir gewisse Dinge anders machen können und damit die Standfestigkeit des Unternehmens zu verbessern.

STANDARD: Das Wirtschaftsblatt zieht in den Gebäudekomplex der Presse. Da drängen sich Synergien auf.

Schweighofer: Natürlich gibt es da Potenzial. Das kann in der Medienproduktion sein, in Backoffice-Bereichen, etcetera. Das ist logisch. Die werden voneinander profitieren, das ist ja auch die erklärte Aufgabe.

STANDARD: Gibt es auch redaktionelle Synergien?

Bretschko: Mit Sicherheit...

Schweighofer: Es spricht viel dafür, dass sie voneinander profitieren. Aber es ist zu früh, zu sagen, wie und wo.

STANDARD: Es gab schon das Szenario einer gemeinsamen Wirtschaftsredaktion.

Schweighofer: Das ist im Moment kein Szenario. Aber wir haben alle Möglichkeiten zu überprüfen und zu bewerten. Von einer gemeinsamen Redaktion zu sprechen, ist zu früh. Eine theoretische Möglichkeit ist das. Aber davon sind wir weit entfernt. Wir versuchen, Synergien in der Infrastruktur zu heben, da geht es auch um Verdichtung der Flächen, etc. Man kann viel realisieren, was überhaupt nichts mit dem unmittelbaren Produkt zu tun hat. Aber natürlich werden wir uns auch diesen Grundsatzfragen stellen müssen: Kann man redaktionelle Synergien finden? Das ist aber noch völlig offen.

STANDARD: Presse und Wirtschaftsblatt sollen aber weiterhin zwei Titel bleiben - und nicht das Wirtschaftsblatt zum Wirtschaftsteil der Presse werden.

Schweighofer: Selbstverständlich, das ist kein Thema.

Bretschko: Wichtig ist: Wir sind mit Presse und Wirtschaftsblatt sehr zufrieden. Beide werden nächstes Jahr ein positives Ergebnis erwirtschaften. Aber wir sehen die Herausforderung nicht darin, dass beide nächstes Jahr eine Null schreiben. Die wesentliche Herausforderung ist, sie nachhaltig erfolgreich aufzustellen. Der werden wir uns intensiv widmen. Dass beide plusminus Null wirtschaften, ist zuwenig. Sie müssen wirtschaftlich erfolgreich sein und im Minimum die Kapitalkosten verdienen. Dazu werden wir noch einige Anstrengungen machen müssen.

Schweighofer: Immer um die Null herum zu bilanzieren, ergibt auch keine Stabilität. So kann man allein nicht überleben.

STANDARD: Mit dem Abgang von Horst Pirker sahen manche in der Branche Chancen für einen neuen Anlauf zur Fusion der Moser Holding mit der Styria.

Bretschko: Das sind reine Spekulationen. Faktum ist, dass wir mit der Moser Holding mit der RMA (Regionalmedien Austria) ein 50:50 Joint Venture haben, das nach Geburtswehen bei der Gründung sehr gut läuft. Der neue Vorstand entwickelt das sehr gut.

STANDARD: Und bei der Zusammenarbeit auf der Ebene von Gratiswochenzeitungen soll es bleiben.

Bretschko: Ob sich daraus wieder etwas Neues ergibt, wird man sehen. Aber es gibt zur Zeit keine Pläne, das zu revitalisieren. Wir wollen dieses Joint Venture gut weiterentwickeln, und da sind wir auf dem besten Weg.

STANDARD: Noch einmal zurück zum Ausgangspunkt: Die Eigentümer verlangen von Ihnen nun, dass Sie zu zweit im Vorstand der Styria Media Group schultern, was Sie bis vor zweieinhalb Monaten zu dritt erledigt haben. Ist das fair von den Eigentümern?

Schweighofer: Wir haben es als Ausdruck des sehr großen Vertrauens gesehen.

Bretschko: Technisch hängt das davon ab, wie man die Organisation auf den weiteren Ebenen organisiert. Man kann nicht einfach Horst Pirkers Arbeit auf uns zwei aufteilen kann.

Schweighofer: Dass eine neue Konzernstruktur her muss, ist uns klar, und daran arbeiten wir. Klar ist aber auch, dass man sie erst angehen konnte, als die weitere Strategie geklärt war.

STANDARD: Aber Sie bleiben zu zweit?

Bretschko: Wir arbeiten daran, die nächste Ebene so zu organisieren und strukturieren, dass das schaffbar ist. Ein Konzern der Größenordnung der Styria verträgt aber zweifellos auch drei Vorstände.

Schweighofer: Und er hat üblicherweise auch einen Finanzvorstand. Es ist Sache des Eigentümers, ob man dieses Thema au f einer Ebene unter uns bündelt oder bei einem Finanzvorstand. 

STANDARD: Haben Sie Feedback von den Eigentümern, ob Sie das Unternehmen nun nach ihren Vorstellungen führen?

Bretschko: Wir sind für unsere Eigentümer kein unbeschriebenes Blatt, die kennen uns ja schon eine Zeit. Wir haben die Strategie mit den Eigentümern diskutiert und die Arbeitsschwerpunkte gemeinsam festgelegt. Unsere Termine miteinander seither sind auch konstruktiv und gut verlaufen. 

Schweighofer: Und wir haben einen klaren Umsetzungsplan zur Strategie, den wir dem Aufsichtsrat vorlegen werden.

Bretschko: Ich sehe keine Dissonanzen. Im September hat es dieses Erdbeben gegeben. Ich glaube, das ist jetzt gut verdaut. Gemeinsam mit unserem Aufsichtsrat schauen wir jetzt nach vorne, wie wir diese Gruppe weiterentwickeln können.

STANDARD: Also keine Nachbeben?

Bretschko und Schweighofer: Nein.

STANDARD: Horst Pirker hat 2010 zum besten Jahr in der Geschichte der Styria gesprochen.

Schweighofer: Wir rechnen mit sehr guten Ergebnissen. Für die Kleine Zeitung und 24sata trauen wir uns das fast schon zu sagen, dass sie das beste Ergebnis in ihrer Geschichte einfahren werden.

STANDARD: Die Rede war von 25 Millionen Euro Ergebnis. Was machen Sie mit dem Geld? Bleibt das nach bisheriger Übung größtenteils im Konzern? Oder wollen die Eigentümer, die Katholische Medien Privatstiftung und der Katholische Medienverein, mehr Geld anderweitig verwenden?

Schweighofer: Dem Stiftungszweck wird jedes Jahr etwas zugeführt.

Bretschko: Für uns ist nicht erkennbar, dass sich an der Politik der Eigentümer etwas geändert hätte. Unsere Eigentümer waren bisher bereit, das von der Styria erwirtschaftete Geld in Expansion zu investieren. Und wir haben es nicht nur in Expansion investiert, sondern auch das Eigenkapital deutlich erhöht, was wiederum zu einer höheren Stabilität führt. Die Eigenkapitalquote wurde in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Wir expandieren von jeher nicht nur um der Expansion willen. Wir wollen, dass das auf sehr stabilen Beinen steht. Wir werden auf jeden Fall dafür eintreten, die von uns erwirtschafteten Gelder in Expansion und eine noch höhere Stabilität zu investieren.

Schweighofer: Das ist ja auch notwendig, um den strategischen Weg zu beschreiten.

Bretschko: Wenn man das so formulieren will, bauen wir auch eine Kriegskasse auf. Vielleicht ergeben sich neue Gelegenheiten in Süd- und Südosteuropa, die wir nutzen möchten.

Schweighofer: Oder auch im digitalen Geschäft. Dort suchen wir nach solchen Möglichkeiten.

STANDARD: Schließlich hat Boston Consulting die Styria als Old Media Company bezeichnet.

Schweighofer: So wollen wir das Bild nicht stehen lassen. Schon bisher haben wir erfolgreich im digitalen Geschäft investiert. Was Wolfgang Bretschko mit willhaben und unseren Marktplatzportalen in Kroatien und Slowenien aufgebaut hat, ist ein künftiges Standbein und eines der wesentlichen Zukunftsprojekte. Sie sind ebenso noch in der Investitionsphase wie in unsere Gratiszeitung in Slowenien, die im dritten Jahr steht, und nicht zuletzt investieren wir in die Presse am Sonntag. Auch wenn die Presse das nächstes Jahr, vielleicht sogar heuer, selbst abfangen kann.

STANDARD: Nach dem Abgang Horst Pirkers gab es in Ihrem Haus Befürchtungen einer „Rekatholisierung" und einer „Reprovinzialisierung".

Bretschko: Was in den Wochen nach dem Abgang von Horst kolportiert und diskutiert wurde hat sich inzwischen durch Fakten widerlegt: Wir würden Die Presse verkaufen, das Wirtschaftsblatt verkaufen, das Auslandsgeschäft aufgeben... Abgesehen davon, dass wir das nicht wollen: Unsere Eigentümer haben kommuniziert, dass das jeder Grundlage entbehrt. Die Mitarbeiter und der Markt sehen, dass wir das Gegenteil von Reprovinzialisierung oder Rekatholisierung vorhaben. Das waren Spekulationen und Gerüchte, weil man die Styria gerne in dem Eck hätte, wo sie nie war: Sie hat nie der Kirche gehört, aber es ist leicht zu schreiben. Damit bedient man ein Vorurteil. 

STANDARD: Die Befürchtung kam nicht von außen: Einer Ihrer Chefredakteure fragte danach bei Ihrer Führungsklausur.

Bretschko: Horst Pirker hat die letzten zehn Jahre als Vorstandsvorsitzender massiv geprägt. Wenn eine solche Persönlichkeit geht, gibt es natürlich ein großes Maß an Verunsicherung. Am Ende der Konzernklausur hat uns eine Führungskraft gesagt: Sie konnte sich nicht vorstellen, wie eine Klausur ohne Horst Pirker funktionieren kann. Nach zweieinhalb Tagen sagte sie: Es ist ganz anders, aber es ist sehr okay. 

Schweighofer: Wir beide gehen jetzt auf eine Roadshow an die Styria-Standorte, um unseren Mitarbeitern ein Bild von unseren Vorstellungen zu vermitteln und ihnen Rede und Antwort zu stehen. 

STANDARD: Rechnen Sie damit, dass Sie Horst Pirker kommendes Jahr als Konkurrenten wiederfinden?

Bretschko und Schweighofer, nicht ganz zeitgleich: Wir rechnen nicht damit. (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 9.12.2010/Langfassung)