Einige der Workshop-TeilnehmerInnen: Elena Tikhonova, Petra Ladinigg, Umut Dag, Tereza Kotyk, Julia R. Waldner und Arman T. Riahi (v.l.n.r.)

Foto: Witcraft Szenario

Ursula Wolschlager, Projektleiterin

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Robert Buschwenter, Projektleiter

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"No Sex in the City": So lauter der Arbeitstitel von Elena Tikhonovas Geschichte. Aber eigentlich soll es in diesem Film, oder eben der Fernsehserie - so genau steht es noch nicht fest - um die Suche nach der großen Liebe gehen: "Eine Geschichte über zwei Freundinnen, Vera und Nadeshda, Emigrantinnen aus Russland und der Ukraine, die der Liebe wegen nach Österreich gekommen sind", soll es werden, erzählt Tikhonova. "Mit sehr vielen tragikomischen Momenten".

Umut Dag und Petra Ladinigg haben sich zusammengetan, um eine typische Weihnachtgeschichte zu erzählen. Eine Geschichte, wie sie vielleicht gerade in Wien zigfach passiert: Die kleine Gülsüm Bayram ist in der ersten Klasse Volksschule und lernt zum ersten Mal Weihnachten kennen. Begeistert von diesem Feiertag versucht sie ihre Familie davon zu überzeugen, "dass sie Weihnachten nicht als Kommerzschlacht oder christlichen Feiertag, sondern als Familienfest feiern".

Hilfestellung

Diese und sieben weitere Geschichten wurden von AutorInnen und Nachwuchstalenten mit Migrationshintergrund erdacht und sollen nun im Rahme des Projektes "Diverse Geschichten" weiterentwickelt werden. "In manchen anderen europäischen Ländern gibt in den letzten Jahren einige Leute aus der zweiten und dritten Migrantengeneration, die richtig auffallen. Bei uns ist das noch nicht der Fall, meint Robert Buchschwenter, einer der Projektleiter. "Wir dachten uns, dass man Leute motivieren muss, Geschichten zu erzählen, und so kamen wir auf die Idee, dieses Projekt zu starten." Damit die Geschichten auch filmisch verwirklich werden können, bietet das Projekt den TeinehmerInnen Workshops und individuelle Beratung, um sie in der Erstellung von Drehbüchern dramaturgisch und praktisch bestmöglich zu unterstützen. Den Nachwuchstalenten sollen außerdem Kontakte zu erfahrenen Autorinnen, ProduzentInnen und FördergeldgeberInnen vermittelt werden.

Eine andere Suppe kochen

Angesprochen sind alle Menschen mit Migrationshintergrund, jeden Alters, die Lust am Erzählen haben und ihre Geschichten filmisch verarbeiten möchten.Thematische Vorgaben gibt es nicht, so die Projektinitiatoren Ursula Wolschlager und Robert Buchschwenter. "Uns geht es in erster Linie darum aus diesem 'eigene Suppe kochen' herauszukommen, um zu sehen, was Menschen, die einen anderen Background haben, erzählen wollen. Was haben sie für einen Blick auf diese unsere gemeinsame Welt", erklärt Ursula Wolschlager. "Wir haben die Hoffnung oder die Illusion, dass Geschichten vielleicht einfach mal anders erzählt werden. In einem anderen Tonfall quasi".

Förderung muss sein

Film ist eine kostspielige Kunstform, die nicht niederschwellig zugänglich ist. Man braucht ein Team, Kontakte und jede Menge Geld - diese Mittel stehen MigrantInnen nur selten zur Verfügung.. "Wir wollen jenen, die am kürzeren Hebel sitzen, mehr Hilfestellung geben", betont Wolschlager. Auf die Frage, ob die explizite Förderung von „migrantischen AutorInnen" vielleicht den Neid schürt, hat Buchschwenter eine plausible Erklärung: "Diesen Vorwurf kann man natürlich der gesamten Filmlandschaft machen. Mir wäre es natürlich lieber, wenn Filme aus kleinen europäischen Ländern ohne Hilfe mit Hollywood konkurrieren könnten. Das funktioniert leider nicht. Wir brauchen also Starthilfe. Auch wenn das, relativ gesehen, unfair wirkt". Ohne Hilfestellung gilt das Gesetzt des Marktes, und das ist nicht gerecht, betonen die Projektinitiatoren.

Ganz normale Familiengeschichten

Besonders wichtig sei es außerdem, dass es bei "Diverse Geschichten" keine thematische Vorgabe gibt. Auch bereits etablierte FilmemacherInnen mit Migrationshintergrund beschweren sich oft, dass man bei der Projekteinreichung "soziale Dramen und rührselige Migrantengeschichten" von ihnen erwartet, erzählt Robert Buchschwenter. "Wenn sie das nicht liefern, wird es schwierig. Deswegen sagen wir: Erzählt doch was ihr wollt!", betonen die Projektleiter. Umut Dag und Petra Ladinigg, zwei Studenten der Wiener Filmakademie wollen genau das: Ihre Weihnachtsgeschichte soll keine filmische Aufarbeitung eines kulturellen oder gar religiösen Problems werden. "Es ist einfach ein Familienfilm", meint Dag. Robert Buchschwenter setzt auch auf diese Selbstverständlichkeit, wenn er seine Zukunftsvision des Filmemachens in Österreich skizziert: "Sobald eine Bosnierin einen Film in Österreich macht, der nichts mit Integratios- und Migrationsfragen zu tun hat, und das als vollkommen selbstverständlich angesehen wird, haben wir es geschafft".

Role Models

Auch bei dem Thema Filmemachen kommt man schnell darauf, dass das Integratinosthema eigentlich ein soziales Thema ist. Jugendliche, deren Eltern es geschafft haben, sich soziale Akzeptanz zu verschaffen, treten mit einem anderen Selbstbewusstsein auf, schildert Buchschwenter seine Erfahrungen mit SchülerInnen. Vorbilder im Umfeld und in der Öffentlichkeit spielen natürlich auch eine große Rolle. "Wir hoffen, dass unsere Autorinnen zu role models für eine neue Generation werden", so die Projektleiter. (Olivera Stajić, 16. Dezember 2010, daStandard.at)