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Überwachungsstaat oder notwendiges Mittel zur Verbrechensbekämpfung? Bei der Vorratsdatenspeicherung gibt es zwischen diesen beiden Polen wenig Spielraum. In Österreich läuft den Politikern beim Beschluss des entsprechenden Gesetzes die Zeit davon - Millionenstrafen der EU drohen. Eine Einigung zwischen Technologie-, Justiz- und Innenministerium gibt es aber noch immer nicht.

Grundsätzlich

Der Hintergrund des Streits: Technologieministerin Doris Bures (SPÖ) steht der Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich kritisch gegenüber. Sie sieht in der verdachtsunabhängigen Archivierung von Internet- und Telefondaten eine mögliche Gefährdung der Grundrechte. Erst durch Gesetzesänderungen in den beiden anderen Ressorts, konkret im Sicherheitspolizeigesetz und der Strafprozessordnung, könne man diese Gefahr bannen.

Das Problem dabei: Schon seit mehr als einem halben Jahr sträuben sich Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) und Justizministerin Claudia Bandion-Ortner dagegen. Sie wollen die kriminalitätsrelevanten Bestimmungen möglichst weit gefasst sehen. Besonders in zwei Punkten spießt es sich: An der Definition, was eigentlich eine "schwere Straftat" ist, ab der die Telekommunikationsbetreiber ihre Daten herausgeben müssen. Und an der Frage, ab wann die Polizei Betroffene informieren muss, dass sie überwacht wurden.

Juristischer Trick

Die Grünen-Abgeordnete Gabriela Moser vermutet nun, dass ein juristischer Trick bevorsteht. "Nach meinen Informationen aus dem Technologieministerium wird dort geplant, beim Ministerrat in der kommenden oder übernächsten Woche zwar das neue Telekommunikationsgesetz zu beschließen. Über Protokollanmerkungen soll dann aber festgehalten werden, dass die beiden anderen Ministerinnen ihre Gesetze noch verschärfen." Komme das so, überlege man rechtliche Schritte.

Druck der EU

Für den Verfassungsjuristen Heinz Mayer ist diese Vorgehensweise zwar durchaus möglich. Allerdings: Die anderen Regelungen müssten dann in Kraft treten, bevor das neue Telekommunikationsgesetz Realität wird. Andernfalls könnte dieses im Extremfall nämlich ungültig werden - was die EU nicht begeistern würde. Hintergrund der möglichen juristischen Spielerei ist nämlich der Druck der EU. Ende Juli 2010 wurde Österreich wegen der Nichtumsetzung der im Jahr 2006 im Europäischen Rat beschlossenen Richtlinie verurteilt. Was noch keine dramatischen Auswirkungen hat. Schon im März könnte aber das Ergebnis der nächsten EU-Überprüfung vorliegen. Und wenige Wochen später finanzielle Strafen beschlossen werden, die in den Millionen-Euro-Bereich gehen können.

"Manche sind der Meinung, dass bessere Bekämpfung der Kriminalität und besserer Datenschutz ein Widerspruch sind."

Dass man das verhindern will, gesteht auch Walter Fleißner, Pressesprecher im Technologieministerium ein. Auch dass die Variante der Protokollanmerkung denkbar ist, leugnet er nicht. Denn noch seien wichtige Punkte nicht ausverhandelt. Warum man dann den Weg der Protokollanmerkungen nicht schon längst gegangen ist, um dem Druck der EU zu entgehen? Man habe eben auf die Gespräche mit den anderen Ministerien gesetzt. Dort ist man bedingt mitteilungsbedürftig. "Wir sind in Verhandlungen", bescheidet Gregor Schütze, Sprecher von Innenministerin Fekter, knapp. Im Justizministerium beantwortet man die Frage, warum man bis zur finanziellen Strafandrohung braucht, ehe man sich zusammenrauft, damit, dass das auch ideologische Gründe habe. Oder, wie Sprecher Gerald Fleischmann es ausdrückt: "Manche sind der Meinung, dass bessere Bekämpfung der Kriminalität und besserer Datenschutz ein Widerspruch sind."

Die betroffenen Unternehmen sind übrigens noch immer gegen das Gesetz. Allein die Investitionen in die Infrastruktur würde einen Euro pro Internetanschluss betragen, rechnet Andreas Wildberger, Generalsekretär der Vereinigung der österreichischen Internetprovider, vor. (Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe, 8. Februar 2011)

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