Ein Sturz in eine Felsspalte wird dem Protagonisten von 127 Hours beinahe zum Verhängnis. James Franco ist für diese Rolle als bester Hauptdarsteller nominiert.

Zur Person:
Der Schauspieler und Regisseur James Franco nimmt eine vielseitige Position in Hollywood ein. Neben seiner Kompatibilität mit Blockbustern (Spiderman) und Rollen des romantischen Liebhabers (Eat Pray Love) arbeitet er an seinem Doktortitel in Englisch und Filmwissenschaft an der Universität von New Haven und als bildender Künstler. Seinen künstlerischen Durchbruch schaffte er mit der Titelrolle in James Dean.

Derzeit ist er mit 127 Hours in den Kinos zu sehen. Die Verfilmung erzählt die wahre Geschichte von Aron Ralston, der beim Klettern in eine Felsspalte stürzt. Nach 127 Stunden trifft er die Entscheidung, sich den Arm selbst mit einem stumpfen Taschenmesser zu amputieren. Für diese Darstellung ist James Franco für den Oscar nominiert.

Außerdem läuft in Berlin seine Ausstellung Dangerous Books Four Boys (bis 23. April bei Peres Projects, www.peresprojects.com). Darin widmet er sich inspiriert von einem amerikanischen Kinderbuchklassiker der Frage, was es bedeutet, ein Bub zu sein, und wie man zum Mann wird. In den launigen Installationen lässt sich unter anderem Captain Kirk belauschen, wie er Körper und Sexualität seines Kollegen Commander Spock erforscht. Oder beobachten, wie James Franco ein Penis aus der Stirn wächst.

Foto: 20th Century Fox

James Franco wird die Verleihung der Academy Awards moderieren, gleichzeitig ist er für den Preis des besten Hauptdarstellers nominiert. Peter Fuchs traf den 32-jährigen Kalifornier in Berlin.

Standard: Alle Welt nimmt an, dass Ihr Kollege Colin Firth den Oscar gewinnt. Wie fühlt man sich dabei, wenn man selbst nominiert ist?

James Franco: Ich frage Sie jetzt nicht, aber Sie glauben sicher auch, dass Colin den Preis mit nach Hause nimmt. Mittlerweile bin ich an den Punkt gekommen, das zu akzeptieren. Das ist sogar eine sehr gute Ausgangssituation. Das Moderieren gibt mir einen Grund, bei der Verleihung anwesend zu sein, und ich muss doch nicht nur dasitzen und zuschauen, wie Colin einen weiteren Preis einheimst.

"Standard: 127 Hours ist ein riskantes Projekt. Das Publikum weiß, wie die Geschichte endet. Wie versuchten Sie, nicht langweilig zu sein?

Franco: Es ist die besondere Art, wie Regisseur Danny Boyle diese wahre Geschichte erzählt. Er überrascht das Publikum, indem er es auf eine emotionale Reise schickt.

Standard: Der Held Aron Ralston kann sich die meiste Zeit nicht bewegen. Außerdem warten alle auf den Moment, in dem er sich den Unterarm abschneidet. Wohin kann die emotionale Reise gehen?

Franco: Das Publikum sieht einen Typen auf der Leinwand, den ein Felsblock einklemmt. Und plötzlich wird auch das Publikum von einem Felsblock eingeklemmt. Es weiß, dass dieser Mann am Ende seinen Unterarm abschneiden wird. Das Publikum hat Angst vor diesem Moment, auch bei den leichten Szenen, die mitunter sogar komisch sind. Manchmal ist es sogar rührend, weil das Publikum weiß, wie die Geschichte ausgeht. Zu wissen, wie es endet, langweilt also nicht, sondern intensiviert die Erfahrung.

Standard: Dann schließen viele die Augen, weil dieser Splatter-Moment zu sehen ist.

Franco: Menschen, die gewöhnlich dabei wegsehen, sind bei 127 Hours schon einen anderen Weg gegangen. In Horrorfilmen baut man kaum emotionale Bindungen zu den Charakteren auf. Bis es bei uns zu dieser heftigen Szene kommt, kennt der Zuschauer die Figur bereits sehr gut und leidet mit ihr mit. Ich bin sogar überzeugt, dass viele den Helden anfeuern, das Unmögliche zu versuchen und sich den Unterarm zu amputieren. Alle wissen, dass er nur so überleben kann.

Standard: Aron Ralston zeigte Ihnen die Videos, die er in dieser Spalte von sich als Vermächtnis drehte. Hatte das Auswirkungen auf Ihr Spiel?

Franco: Er zeigt diese Aufnahmen nicht vielen Menschen. Ich fragte mich, ob sie zu drastisch sind und er mental zusammenbricht. Zu meiner Überraschung ist er sehr gefasst, obwohl er davon ausgeht, dass er sterben wird. Er ist sich bewusst, dass dies die letzten Bilder sind, die seine Familie von ihm zu sehen bekommt. Die Botschaften sind sehr gradlinig, gar nicht poetisch. Als Schauspieler erkannte ich die große Kraft in dieser Einfachheit. Das authentische Sprechen zu seinen Liebsten wollte ich einfangen, und keine mächtig tönende Abschiedsrede.

Standard: Wie agierten Sie so ganz ohne Kollegen?

Franco: Die Umstände der Rolle bewirkten, dass ich auf mich selbst reagieren konnte. Ich musste laut Skript mit nur einer Hand einen Flaschenzug installieren. Ich versuchte es einmal, noch einmal und immer wieder, aber es klappte nicht. Der Regisseur rief nicht "cut", sondern ließ weiterdrehen. Das frustriert ernsthaft. Es treibt einen dann nicht in die Verzweiflung in der Art "Wenn ich das nicht schaffe, sterbe ich", sondern in die Frustration. Die kam aus mir selbst. Und auch die Frage: "Warum hat er niemandem gesagt, dass er hier in dieses menschenverlassene Gebiet allein wandern geht?"

Standard: Derzeit stellen Sie Kunstwerke in Berlin aus. Ist Ihnen Hollywood zu eng?

Franco: Ich bin für meine Schauspielkarriere sehr dankbar, aber Hollywood ist nicht genug. In der Kunstwelt ist es üblich, dass bildende Künstler verschiedene Medien ausprobieren. Da dreht ein Maler schon einmal ein Video, oder ein Bildhauer liefert eine Performance. Im Filmgeschäft sind solche Crossovers eher ungewöhnlich. Mit meiner Ausstellung finde ich aber die passenden Medien für unterschiedliche Themen. Für mich ist spannend, wie der Inhalt durch die Form geprägt wird.

Standard: In der Ausstellung sehen die Betrachter, wie Ihnen in einer Videoinstallation ein Penis aus der Stirn hängt.

Franco: "Dicknose in Paris" ist eine Figur, die ich erfunden habe. Er ist ein wenig unsicher, weil er diesen Penis im Gesicht trägt und damit klarkommen muss.

Standard: Auch in Hollywood agieren Sie von Ihrem Rollenprofil her ungewöhnlich und spielen auffällig viele homosexuelle Charaktere. Was interessiert Sie daran?

Franco: Ich spielte in Milk an der Seite von Sean Penn, einem Lieblingsschauspieler von mir. Dann den schwulen Dichter Alan Ginsberg in Howl. Ginsberg ist einer meiner Helden in der Literatur. Außerdem bin ich demnächst als Hart Crane in Broken Tower zu sehen. Auch dieser schwule Künstler ist wichtig für mich. Deshalb hatte ich alle Gründe der Welt, diese Rollen zu spielen.

Standard: Viele Ihrer Kollegen spielen ungern schwule Rollen.

Franco: Mir ist es egal. Es waren einfach gute Rollen. Und vor was sollte ich Angst haben? Dass die Leuten glauben, ich sei schwul? (DER STANDARD, Printausgabe, 25.2.2011)