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Angela Merkel und Nicolas Sarkozy waren die treibenden Kräfte des Euro-Pakts. Der Brite David Cameron (li) schloss sich nicht an.

Foto: APA/EPA/Hoslet

Der Europakt steht: Die Bewertungen reichen von euphorischer Zustimmung bis hin zu Ängsten vor massivem Sozialabbau. Was steht wirklich in den Beschlüssen, und welche Bedeutung haben sie? Ein Überblick.

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Wien - Bei den Staats- und Regierungschefs der EU ist die Freude offenbar von Woche zu Woche größer geworden. War anfangs noch vom "Wettbewerbspakt" oder einem "Pakt für den Euro" die Rede, wurde am Ende gar ein "Euro-plus-Pakt" beschlossen.

Was aber steckt hinter den Überschriften? Wird die Wirtschaftspolitik künftig zentral in Brüssel gesteuert? Oder droht gar "eine verheerende Lohnspirale nach unten" und ein "Angriff auf die Sozialsysteme", wie die Gewerkschaften und die Globalisierungskritiker von Attac befürchten? Der STANDARD hat sich die Beschlüsse des Eurogipfels näher angesehen.

Eines vorweg: Die Formulierungen lassen Interpretationen in alle Richtungen zu. Einmal im Jahr wollen die Regierungschefs "gemeinsame Ziele" vereinbaren, wie die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden soll. An mehreren Stellen des Gipfeldokuments wird aber explizit darauf hingewiesen, dass die Umsetzung von Maßnahmen "für die kommenden zwölf Monate" bei den einzelnen Mitgliedsstaaten liegt. Konkrete zentrale Vorgaben aus Brüssel gibt es also nicht.

Verweigern leicht möglich

Eine andere Formulierung zeigt ein Hintertürl für Reformverweigerer auf: "Kann ein Mitgliedsstaat darlegen, dass in dem einen oder anderen Bereich keine Maßnahmen erforderlich sind, so lässt er diesen Bereich unberücksichtigt", heißt es.

Der von Gewerkschaftern befürchtete Eingriff in Lohnverhandlungen lassen sich ebenfalls nicht direkt aus den Beschlüssen ableiten. "Nationale Gepflogenheiten" und die "Autonomie der Sozialpartner" sollen berücksichtigt werden, heißt es.

Gleichzeitig sollen sich die Löhne aber entsprechend der Produktivität entwickeln (was vor allem in Südeuropa bisher nicht der Fall war). Bei der Frage, wie dieses Ziel erreicht werden soll, wird es wieder vage: Lohnbildungsregeln könne überprüft werden, auch die Lohnabschlüsse im öffentlichen Dienst sollen auf die Wettbewerbsfähigkeit Rücksicht nehmen. Eine "weitere Öffnung von geschützten Sektoren" wird ebenso angesprochen wie "lebenslanges Lernen" oder die "Bekämpfung von Schwarzarbeit". Es gibt also ein großes Potpourri an möglichen Anknüpfungspunkten.

Keine Sanktionen vorgesehen

Je nach politischem Standpunkt kann auch der Bereich "langfristige Finanzierbarkeit von Renten, Gesundheitsfürsorge und Sozialleistungen" ausgelegt werden. Von der Berücksichtigung der "demografischen Situation" ist die Rede, von der "Erhöhung der Erwerbsquote" und auch von Anreizen für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer". Bei der Steuerpolitik heißt es noch allgemeiner: eine "pragmatische Koordinierung" sei ein "notwendiger Bestandteil einer stärkeren wirtschaftspolitischen Koordinierung".

Wann tatsächlich Reformen nötig sind, bleibt wieder Interpretationssache. Sanktionen sind im Euro-plus-Pakt grundsätzlich nicht vorgesehen. Überwacht werden die Reformen von den Regierungschefs selbst - auf Basis eines EU-Kommissionsberichts. Strafen kann es nur dann geben, wenn die gesamtstaatlichen Schulden im Sinne des Stabilitätspaktes zu hoch werden.

Was im politischen Tagesgeschäft - vor allem rund um Wahlen - aber nicht unterschätzt werden sollte: Nationalen Politikern bietet sich mit dem Euro-plus-Pakt eine weitere Möglichkeit, nötige Reformen auf "die in Brüssel" abzuschieben. (Günther Oswald, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26./27.3.2011)