Cheerleading auf Burkinisch: In Tougan im Nordwesten von Burkina Faso präsentiert sich eine Mädchen-Tanzgruppe zur Begrüßung österreichischer Parlamentarier ...

Foto: Standard/Raabe

... und eine Frau präsentiert stolz ihren Müllwagen mit zwei Eseln. "Das ist Hightech", sagte eine Ada-Mitarbeiterin.

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Dass das Budget nicht gekürzt wird, ist aus Wiener Sicht schon viel – doch für die lokale Bevölkerung viel zu wenig.

Mathias Zerbo hat an alles gedacht, er nimmt es genau. Neben der Baustelle außerhalb des Ortes hat der Bürgermeister ein buntes Zelt aufgebaut, das vor Wind und der sengenden Sonne schützt. Davor steht ein Rednerpult. Die Stühle in der ersten Reihe sind gepolstert. Die wichtigsten Persönlichkeiten der Stadt bilden das Empfangskomitee. Die Müllfrauen tragen neue, neongelbe Leuchtwesten über dunkelgrünen Kitteln. Die österreichische Flagge flattert auf dem Zeltdach. Eine Mädchen-Gruppe tanzt mit Pompons zu Trommelklängen.

Tougan, Burkina Faso: Für die Stadt im Nordwesten ist es ein wichtiger Besuch. Die österreichische Entwicklungshilfe-Agentur Ada finanziert hier eine Müllanlage. Fünf Abgeordnete aus Wien, die entwicklungspolitischen Sprecher, schauen sich vor Ort an, was mit den Geldern passiert: Petra Bayr (S), Franz Glaser (V), Judith Schwentner (G), Johannes Hübner(F )und, in Vertretung, Martina Schenk (B). Zerbo, der Bürgermeister, will sich daher von der besten Seite zeigen.

In seiner Ansprache erzählt er den Abgeordneten von der Fraueninitiative, die das ganze Projekt ins Rollen gebracht hat. Sie richtete sich vor allem gegen die schwarzen Plastiksackerln, die überall im Land die Büsche und Felder entlang der Hauptstraßen säumen. Nun sollen hier künftig 200 Frauen ihr Geld verdienen – bis zu 2000 westafrikanische Francs (CFA) im Monat, wie Zerbo später präzisiert, etwas mehr als drei Euro. "Hier wurden 200 Ökojobs geschaffen", lobt Petra Bayr, die Delegationsleiterin.

Eine lokale Initiative, die so etwas wie eine Zivilgesellschaft verspricht, Frauen fördert und der Umwelt gut tut – das sind Projekte, auf die man bei der Ada besonders stolz ist. Und doch erscheinen sie oft nur wie der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

Kein Höflichkeitsbesuch

Deutlich wird das bei einem Treffen in Dédougou mit dem Gouverneur der Region Boucle de Mouhon, einer der ärmsten Gegenden des Landes, zu der auch die Stadt Tougan gehört.

Siaka Prosper Traoré empfängt in einem abgedunkelten Büro, Neonröhren geben Licht, ein Ventilator dreht sich stumm an der Decke. Es soll ein Höflichkeitsbesuch sein, wie es oft erwartet wird, wenn die Delegation in einer Stadt ankommt. Doch der grauhaarige Mann nutzt die Gelegenheit und zückt einen Zettel. Bildung und Gesundheit – diese beiden Bereiche hat er gerade als die größten Herausforderungen identifiziert. Jetzt rechnet er vor: Die Region verfüge über etwas mehr als 1,1 Milliarden CFA pro Jahr, also rund 1,7 Millionen Euro – nötig seien 2,2 Milliarden CFA.

Mehr Geld: Das ist ein Anliegen, mit dem die Österreicher auf dieser Reise nicht nur einmal konfrontiert werden. Delegationsleiterin Bayr kann dem Gouverneur nur versichern, dass das Budget für Burkina Faso gleich bleibe. Aber ja, sie wisse, die Preise seien gestiegen. "Daher ist das nur ein schwacher Trost."

Dass es keine Kürzungen gibt, ist angesichts der Einsparungen aus österreichischer Sicht schon ein Fortschritt (s. Wissen). Andere Länder ziehen sich ganz zurück, Belgien etwa oder die Niederlande. Doch für Burkina Faso heißt selbst ein konstantes Budget eben doch weniger Geld, wie Bayr es andeutet. Seit 2007 haben sich die Preise für Baumaterialien verdoppelt, sagt Elisabeth Sötz, die Büroleiterin der Ada in Ouagadougou. Darunter leiden die Projekte.

So hatte Österreich ursprünglich drei Schulen bauen wollen, in abgelegenen Regionen auf dem Land etwa in Koutoura nahe der Grenze zu Côte d'Ivoire, wo die Schüler sonst keine Möglichkeit haben, in die Schule zu gehen. Doch wegen der Preissteigerungen sind es aus den geplanten drei nun zwei Schulen geworden.

Gestiegen sind auch die Preise für die Lebensmittel. Seit der Krise 2007/2008 sind sie hoch geblieben, die Krise in Côte d'Ivoire hat die Lage weiter verschärft. Das gilt vor allem für Reis, Speiseöl, auch für das Holz zum Kochen. Was früher 20 Euro gekostet hat, ist nun bei 30 Euro. Das ist viel, wenn man im Durchschnitt 50 Euro verdient.

Direkte Budgethilfe

Im Finanzministerium in Ouagadougou nimmt der Minister am Kopfende eines runden Tisches Platz. Er hoffe, es gehe bei dem Gespräch auch darum, wie man die Kooperation verstärken könne, sagt Lucien Bembamba. Wie er sich das vorstellt, macht er rasch deutlich: Weniger Projekthilfe, mehr direkte Budgethilfe, sprich: eine Auszahlung an die Regierung, die über das Geld dann verfügt. "Die Mittel, die uns zur Verfügung gestellt werden, verwenden wir effizient."

Doch das ist eine Option, die für die meisten Abgeordneten nicht in Frage kommt, wie in den Gesprächen später deutlich wird. Dafür gebe es noch keine ausreichenden Strukturen. Und ein mögliches Hindernis:Korruption.

"Korruption ist ein Riesenproblem", bestätigen auch zwei Vertreter der Menschenrechtsorganisation Mouvement Burkinabé des droits de l'Homme et des Peuples (MBDHP), die sich beide als Richter im Brotberuf vorstellen – "vor allem in der Justiz".

Vor einigen Wochen sind in mehreren Städten die Schüler auf die Straße gegangen und haben protestiert: ein Schüler war in Polizeigewahrsam gestorben, ihm war vorgeworfen worden, ein Mädchen belästigt zu haben. Offiziell hieß es, der Junge sei an Meningitis gestorben. Doch das Mädchen soll Bekannte bei der Polizei gehabt haben. "Die Polizisten haben den Jungen misshandelt", sagen die Aktivisten. Deshalb haben die Ferien an Schulen und Unis früher begonnen. Damit habe die Regierung die Proteste zwar verschoben, aber nicht aufgehoben. (Julia Raabe aus Ouagadougou/DER STANDARD, Printausgabe, 12.4.2011)