Algier/Paris - Aus Angst vor einer Revolte wie in den Nachbarländern hat der algerische Präsident Abdelaziz Bouteflika Reformen für mehr Demokratie angekündigt. Die Opposition glaubt seinen Worten allerdings nicht. Islamische Extremisten verübten unterdessen mehrere Attentate.

Algerische Oppositionelle und Menschenrechtler reagierten enttäuscht auf die jüngsten Reformversprechen von Bouteflika. Die Ankündigungen des 74-jährigen Staatschefs machten wenig Hoffnung auf einen grundlegenden Wandel im Land, hieß es am Samstag übereinstimmend in Algier.

Minimale Zugeständnisse

"Der Präsident spricht von Demokratie, nachdem er ihr jeden Sinn genommen hat", sagte der Vorsitzende der algerischen Menschenrechtsliga (LADDH), Mustapha Bouchachi. Die Sozialistische Arbeiterpartei kommentierte, der seit 1999 regierende Bouteflika wolle mit minimalen Zugeständnissen nur eine Revolte wie in Tunesien und Ägypten verhindern.

Bouteflika hatte am Freitagabend vor dem Hintergrund der Proteste von Regierungskritikern weitreichende demokratische Reformen und Verfassungsänderungen angekündigt. Mit einem neuen Wahlrecht und einem neuen Parteiengesetz sollen die Mitbestimmungsrechte gestärkt werden. Radio und Fernsehen sind aufgefordert, mehr als bisher unterschiedliche Meinungen wiederzugeben.

"Noch mehr Gerechtigkeit und Freiheit"

"Alle, insbesondere die Jungen, wollen sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt und noch mehr Gerechtigkeit und Freiheit", sagte der Staatschef in der TV-Ansprache. Kommissionen sollten sich um die Umsetzung der Reformpläne kümmern. An dem Prozess dürften sich alle politischen Kräfte des Landes beteiligen.

Der Präsident schiebe seine Verantwortung nur an Kommissionen ab, kommentierte Abderrezak Mokri von der Partei Bewegung für eine friedliche Gesellschaft (MSP). Lob kam hingegen von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. "Das geht alles in die richtige Richtung", sagte Außenminister Alain Juppé in Paris.

Bouteflika wirkte bei seiner ersten großen Rede an die Nation seit zwei Jahren müde und angeschlagen. Über eine mögliche schwere Erkrankung gab es bereits in der Vergangenheit immer wieder Gerüchte. Überschattet wurde die Übertragung der Rede von einem Terrorangriff islamischer Extremisten auf Sicherheitskräfte in der nördlichen Provinz Tizi Ouzou.

Nach der jüngsten Bilanz starben 17 Soldaten, als schwer bewaffnete Angreifer einen Militärstützpunkt stürmten. 16 weitere wurden verletzt, wie die Nachrichtenseite Algérie Plus berichtete. Der Anschlag gilt als blutigster seit Jahren in der Region. Am Sonntag gab es erneut eine Terrorattacke. Bei einem Bombenanschlag starben nach ersten Informationen in der Provinz Boumerdès vier Soldaten. Ein weiter wurde erschossen. Auch zwei Terroristen kamen ums Lebens.

Unter dem Eindruck der Ereignisse in Tunesien, Ägypten und Libyen hat sich in den vergangenen Monaten auch in Algerien der soziale Widerstand gegen das herrschende System und die sozialen Missstände im Land formiert. Bei Ausschreitungen in Folge von Studentenprotesten wurden erst in dieser Woche wieder etliche Menschen verletzt.

Vor allem Arbeitslosigkeit, Korruption und Behördenwillkür lassen die Algerier auf die Straße gehen. Sie sind über ihren niedrigen Lebensstandard umso erboster, als das Land anders als das rohstoffarme Tunesien große Öl- und Gasvorkommen hat.

Um eine Revolte zu verhindern, hatte Präsident Bouteflika bereits im Februar den 1992 verhängten Ausnahmezustand offiziell beendet. Dieser sollte den Kampf gegen den Terrorismus erleichtern, ermöglichte der Regierung aber auch erhebliche Eingriffe in politische Rechte, insbesondere in die Versammlungsfreiheit. Seine Abschaffung war eine der Hauptforderungen der Regierungsgegner bei den Protesten zu Beginn des Jahres. Dabei waren fünf Menschen getötet und rund 800 verletzt worden.

Bouteflikas dritte Amtszeit endet 2014. Gerüchte über vorgezogene Neuwahlen bereits 2012 wurden bisher nicht bestätigt.  (APA)