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Interessierter Techniker: Wolfgang Hesoun, Vorstandschef von Siemens Österreich.

Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

STANDARD: Waren die ersten Monate in der neuen Position für Sie sehr stressbeladen?

Hesoun: Der Umstieg von der Porr AG zu Siemens war fordernd, aber nicht belastend. Mir kommt zugute, dass ich aus einem großen Konzern komme und dort auch schon einen Vorstandsposten innehatte. Die Anforderungsprofile unterscheiden sich ja nicht wesentlich. Der Umstieg aus einem Mittelbetrieb fiele mir wahrscheinlich schwerer.

STANDARD: Welchen Gestaltungsspielraum haben Sie im durchstrukturierten System Siemens?

Hesoun: Er ist groß genug. Ich fühle mich im Vergleich zu früher überhaupt nicht eingeengt. Die Ausgangslage ist eine andere: Früher hat einen die Börse mit ihren Analysten gequält. Dazu kamen noch die Aufsichtsratsmitglieder mit verschiedenen spezifischen Interessenlagen. Sie alle haben letztlich die Handlungsfreiheit des Vorstands real beeinflussen können. Bei Siemens ist das anders. Es gibt einen Eigentümer mit einer ganz klaren Interessenlage. Das macht vieles planbarer.

STANDARD: Wie haben Sie sich auf Ihren neuen Job vorbereitet?

Hesoun: Ich habe mich in die wichtigsten Hauptthemen eingelesen. Was mir sehr entgegenkommt, ist, dass mich das breite Portfolio von Siemens sehr interessiert. Ich bin natürlich kein Spezialist, aber ein sehr interessierter Techniker, deshalb bin ich hier bestens aufgehoben. Und was auf einen zukommt, das weiß man nie. Aber wenn man nicht der Überzeugung ist, dass man es packen wird, sollte man es gleich sein lassen. Ich habe auch von Anfang an meine Ansprüche nicht zu hoch geschraubt, das macht keinen Sinn. Ich hatte nie vor, sofort alles zu verändern. Denn Siemens hat auch ohne mich sehr gut funktioniert. Wenn man neu dazukommt, sollte man sich bei seinen Mitarbeitern vorstellen, aber nicht von Start weg programmatische Äußerungen von sich geben. Viel wichtiger war mir, mein nächstes Umfeld gut kennenzulernen. Das hat mich auch extrem unterstützt und mir geholfen, die ersten Klippen zu überwinden.

STANDARD: Wie beschreiben Sie Ihren Führungsstil? Horst Pöchhacker meinte einmal, man sähe Ihnen jeden Ärger an.

Hesoun: Ich denke, das ist heute auch schon ganz anders. Ich ärgere mich zwar noch hie und da, aber tendenziell viel weniger als früher. Mir ist nichts egal, aber ich lasse die Dinge nicht mehr an mich persönlich heran, so wie das früher oft der Fall war. Wenn man nämlich alles persönlich nimmt, ist man nicht mehr gut - wenn man locker ist, gelingt einem mehr.

STANDARD: Sind Sie auch locker im Umgang mit Mitarbeitern?

Hesoun: Ich denke, ich bin vor allem klar, aber nicht derb. Ich möchte niemanden vorsätzlich beleidigen - sollte jemand den Freiraum über Gebühr beanspruchen, scheu ich auch nicht davor zurück, deutlich zu werden. Man sollte nämlich Gutmütigkeit nicht mit Blödheit verwechseln.

STANDARD: Wie sehr haben die Schmiergeldvorwürfe gegen die Porr Sie belastet?

Hesoun: Ich habe schon mehrfach betont, dass ich zu den zitierten Herren niemals Kontakt hatte, worüber ich aus heutiger Sicht froh bin. Ich bin daher in keinster Weise berührt. Selbstverständlich ist solch ein Kontext aber für niemanden angenehm.

STANDARD: Was halten Sie von Frauenquoten in Aufsichtsräten?

Hesoun: Ich kann verstehen, dass der Frauenministerin die Quote in staatsnahen Betrieben ein Anliegen war. Ohne Druck passiert nichts. Ich glaube nur, dass es wenig Sinn macht, dort Druck zu machen, wo rein die Qualifikation im Vordergrund stehen sollte. Es gibt nur sehr wenige Damen, die Technik studieren. Dazu kommt die unumgängliche Tatsache, dass es immer noch die Frauen sind, die Kinder kriegen und damit ihre Karriere zumindest unterbrechen müssen. Unter solch schwierigen Bedingungen kann man nicht erwarten, dass wir in absehbarer Zeit gleich viele Frauen wie Männer in Führungspositionen haben werden. Ich glaube, die Qualifikation sollte entscheidend sein. Wenn eine Frau besser ist als ein Mann, entscheide ich mich in der Sekunde für sie. Und: Frauen müssen gleich viel verdienen wie ihre männlichen Kollegen. (Judith Hecht, DER STANDARD, Printausgabe, 23./24./25.4.2011)