Innsbruck - Aufgewärmt ist nicht nur ein Gulasch gut. Nach dieser Alltagsweisheit hat offenbar ein Rechtsprofessor der Uni Innsbruck seine Habilitationsschrift für die Uni-Dozentur zu knapp einem Drittel heimlich aus seiner Doktorarbeit abgeschrieben. Die Österreichische Agentur für Wissenschaftliche Integrität (ÖAWI) sieht in einem Gutachten vom 5. April 2011, das dem UniStandard exklusiv vorliegt, darin jetzt eindeutig "die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis verletzt". Das Gutachten stellt 32 Prozent Übereinstimmung von Dissertation und Habilitation fest - Paraphrasen wurden dabei noch gar nicht geprüft -, ohne dass auch nur darauf hingewiesen worden wäre.

Aber wen stört das wirklich? Die Innsbrucker Hochschule offenbar nicht. Ihr ehemaliger Rektor Karlheinz Töchterle, mittlerweile Neo-Wissenschaftsminister, erläuterte dem UniStandard, dass er kein Problem sieht, da in einer zweiten Fassung auf das Selbstzitat hingewiesen wurde. Daher befindet Töchterle: "Für mich ist die Sache damit geklärt."

Für den Sprecher der Uni Innsbruck, Uwe Steger, ist das Habilitationsverfahren seit 2008 ordnungsgemäß beendet. Ein internes Gutachten über die "Doppelverwertung" der Dissertation führte damals zu einem glatten Freispruch vom Verdacht eines Täuschungsversuchs.

Getrübter Frieden

Getrübt wird der Frieden allerdings durch einen Innsbrucker Mitbewerber auf eine "ordentliche Professur" für Europarecht. Der fühlt sich gegenüber dem erstplatzierten Kollegen mit der strittigen Qualifikation benachteiligt. Was vordergründig nur wie eine lokale Personalie scheint, zeigt beispielhaft, wie es im sogenannten akademischen Wettbewerb zugehen kann.

Der ertappte Abschreiber sucht sich damit herauszureden, dass er das fachgerechte Zitieren aus der "nicht publizierten Dissertation" einfach "vergessen" habe. Dabei gilt, wie der Uni-Sprecher Uwe Steger klarstellt, jede Doktorarbeit von Rechts wegen als "veröffentlicht" und mithin zitierpflichtig, auch wenn sie nur im Original in der Bibliothek hinterlegt und nicht als Buch erschienen ist.

Auch sogenannte "Selbstplagiate" sind in Prüfungsschriften für den Doktorgrad oder die Habilitation klar und deutlich auszuweisen, weil diese Werke laut Gesetz "neue wissenschaftliche Ergebnisse" darstellen, also auch über ältere eigene Erkenntnisse nachweislich hinausgehen müssen. "Wer wesentliche Teile seiner Dissertation als Habilitationsschrift vorlegt, muss da wohl auf große Bedenken stoßen", meint Heinz Mayer, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht.

Schon recht so

Tatsächlich hatte der Habilitand seine Schrift nach einer ersten Begutachtung durch eine Zweitfassung mit den erforderlichen Zitatnachweisen zu heilen gesucht. Grund für die "Nachbesserung" war der Einspruch des Innsbrucker Rechtsprofessors Andreas Schwartze. Schließlich konnte der akademische Lehrer des Kandidaten, der gleichzeitig sein Diplom-, Doktor- und Habilitationsvater wie nun auch Vorsitzender der Berufungskommission ist, die letztverantwortlichen Gremien zu einem "Is' scho recht so" überzeugen.

Ein vergleichbarer Fall in Deutschland ging vor wenigen Jahren ungünstiger aus. Mit Wissen seines Doktorvaters hatte ein Erfurter Nachwuchswissenschafter seine Magisterarbeit zur Dissertation verwurstet. Als die Fakultät dahinterkam, konnte er nach einigem Aufruhr zwar den Doktortitel behalten. Unter nachhaltigem Druck aus der bundesdeutschen Fachwelt haben sich Prüfling und Prüfer aber alsbald aus der Wissenschaft in die Politik verabschiedet.

An der Tiroler Landes-Uni sind die Bedenken offenbar geringer. Der Innsbrucker Bewerber war mit einer "Sammelhabilitation" erfolgreich, bestehend aus der gedoubelten Einzelschrift plus weiteren vierzig, bereits in Zeitschriften veröffentlichten Beiträgen.

Damit geht nach Einschätzung deutscher Kollegen aber der Sinn der Habilitation gerade in den Rechtswissenschaften verloren. "Später schreibt man noch genug Aufsätze und Gutachten von Fall zu Fall", sagt einer, "aber kaum mehr eine breitgefächerte und grundlagenorientierte Arbeit, wie es die dicke Habilitationsschrift sein soll." Im Idealfall soll sie aufgrund mehrjähriger vertiefter Studien an einem Stück dem ganzen Fach auf die Sprünge helfen.

Im konkreten Fall ging es aber anscheinend eher darum, dem Habilitanden die Reife für den neuen Innsbrucker Lehrstuhl zu bescheinigen. Mit einer Ernennung zum "ordentlichen Professor" hat der bisherige Rektor Töchterle entgegen einem klaren Besetzungsvorschlag der Gremien aber doch gezögert. Dass "die Diskussion um die Habilitationsschrift der Grund dafür" sei, hält Steger für eine irrige Vermutung. "Wegen Informationen über geplanter Budgeteinsparungen sind wir angehalten, jede personelle Entscheidung genau abzuwägen."

Postscriptum: Über den Mehrfachvater des fragwürdigen Habilitanden besteht übrigens auch ein unmittelbarer Link zum Guttenberg-Plagiatsfall: In der deutschen Zeit wurde publik, dass Guttenberg von ebendiesem Juristen heimlich abschrieb. Peinlicherweise hatte dieser aber besagte Stelle anscheinend selber heimlich abgeschrieben. (Hermann Horstkotte, UNISTANDARD, 5.5.2011)