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"Königin unerwünscht" lautet die Botschaft dieses jungen irischen Vaters. Vollständig ausgeräumt sind die Ressentiments noch nicht.

Foto: Reuters/Cathal McNaughton

Zum ersten Mal seit fast einem Jahrtausend ist am Dienstag eine englische beziehungsweise britische Monarchin nicht als Eroberin oder als koloniale Herrscherin nach Irland gekommen - sondern als freundschaftlich verbundene Nachbarin. Seit die 26 südlichen Grafschaften Irlands sich vor 90 Jahren aus dem Vereinigten Königreich verabschiedeten, gab es das noch nie. Zu Recht sprach die irische Präsidentin Mary McAleese von einem außerordentlichen Moment in der irischen Geschichte.

Symbolträchtig legte Queen Elizabeth II - passend im smaragdgrünen Mantel und Hut - am Dienstagnachmittag einen Kranz im Gedenken an irische Rebellen nieder, also für jene Iren, die seit 1798 die britische Krone in Irland aktiv und schließlich erfolgreich bekämpft hatten.

Die irischen Sicherheitskräfte überließen nichts dem Zufall. 40 Kilometer Absperrgitter wurden in Dublin aufgestellt, Straßen gesperrt, ja sogar der Dubliner Zoo schloss seine Tore - was er sonst nur am Weihnachtstag tut.

Bombe entschärft

Am Vorabend des Besuchs entschärften Experten eine funktionsfähige Bombe an Bord eines Linienbusses auf dem Weg nach Dublin. Doch die Saboteure, vermutlich aus den Reihen einer Splittergruppe der Irish-Republikanischen Armee (IRA), vertreten niemanden mehr, sie verkörpern nicht mehr die schlummernden antienglischen Leidenschaften der meisten Iren, sondern gelten als gefährliche Spinner.

Der erste englische König, Heinrich II., landete 1171 an der Spitze einer Invasionsarmee an der irischen Küste. Doch erst die Glaubensspaltung verwandelte die feudale Militäroperation in ein koloniales Verhältnis, denn Irland blieb katholisch, während England, Schottland und Wales sich diversen protestantischen Bekenntnissen zuwandten.

Die englische Krone siedelte zu Beginn des 17. Jahrhunderts gewaltsam protestantische Wehrbauern im irischen Nordosten an. Blutige Übergriffe gegen diese Eindringlinge provozierten eine erbarmungslose Vergeltungsaktion des englischen Diktators Oliver Cromwell.

An deren Ende waren die meisten katholischen Grundeigentümer in Irland enteignet. Die stillen Hoffnungen der Iren auf einen Katholiken auf dem englischen Thron zerschlugen sich endgültig nach der Schlacht am irischen Fluss Boyne 1690, als Wilhelm von Oranien seine Thronfolge durchsetzen konnte.

Die britische Gleichgültigkeit gegenüber der verheerenden irischen Hungersnot in der Mitte des 19. Jahrhunderts ermutigte - im Verbund mit dem europäischen Zeitgeist - den irischen Nationalismus und damit den Wunsch nach Eigenstaatlichkeit. Nach zahlreichen Fehlschlägen löste sich Irland 1921/22 blutig aus dem Vereinigten Königreich heraus, zuerst als Freistaat, dann ab 1949 als Republik (siehe unten).

Doch die irische Fixierung auf das Feinbild England dauerte an. Erst die Teilnahme an der europäischen Integration seit 1973 vermochte allmählich den irischen Blickwinkel zu verbreitern und ein irisches Selbstbewusstsein zu nähren. Allein, der akute Nordirlandkonflikt warf nach 1969 die Normalisierung des bilateralen Verhältnisses wieder zurück: Instinktiv weckte jeder britische - oder auch protestantische - Willkürakt die schlummernden anti-englischen Leidenschaften der Iren.

Erst seit dem nordirischen Friedensabkommen von 1998 wurde ein Besuch der Königin in der Republik überhaupt denkbar. Denn bis dahin hatte Irland einen Gebietsanspruch auf das britische Nordirland erhoben. Seither wurden geduldig weitere Bausteine hinzugefügt.

Im vergangenen Jahr wurden die Kompetenzen über Justiz und Polizei an die nordirische Regierung übertragen, kurz danach entschuldigte sich der damals neue britische Premierminister David Cameron für ein Massaker britischer Fallschirmjäger an unbewaffneten Demonstranten in Derry im Jahre 1972.

Der Staatsbesuch ist damit die Besiegelung der guten Nachbarschaft, nicht erst deren Auftakt. (Martin Alioth aus Dublin/DER STANDARD, Printausgabe, 18.5.2011)