Im Standard vom 4. Juli entwarf Stephan Schulmeister einen Plan für eine alternative Politik zur Bewältigung der schweren Finanzkrise in Europa. Ich verstehe diesen Plan in einigen Punkten nicht und ersuche um Erläuterung. Schulmeister schlägt die Errichtung eines ‚Europäischen Währungsfonds‘ (EWF) vor, der gemeinsam mit der EZB den Euro-Staaten Finanzmittel zur Verfügung stellt. Er soll dabei die Garantien für alle aushaftenden Kredite dieser Staaten übernehmen. Der Zinssatz soll so niedrig sein, dass die derzeit stark verschuldeten Staaten aus den Schulden herauswachsen können. Das würde freilich das Begehren der Staaten an solchen Kredite steigen lassen. Schulmeister weiß das und schlägt ein Verfahren vor, die Ausweitung der Staatschulden zu begrenzen: Die Vergabe der Mittel an die Mitgliedsländer soll "klaren Richtlinien" unterworfen werden.

Genau das aber ist der Punkt, den ich nicht verstehe. Was können solche Richtlinien bewirken? Soll der EWF prüfen, was die Staaten mit den so erhalten Mitteln machen wollen, so wie eine Bank ihre Kreditnehmer kontrollieren muss? Etwa: Zusätzliche Schulen dürfen gebaut werden, aber ein Eisenbahntunnel nicht? Oder: Bei einer Senkung der Einkommensteuer gibt es Kredit, aber nicht bei einer Senkung von Vermögenssteuern? Wie klar solche Richtlinien auch sein mögen, es wird bei jeder derartigen Kreditvergabe notwendig sein, die Steuereinnahmen, die Staatsausgaben und die geplante Politik des betreffenden bzw. betroffenen Staates zu prüfen und erst danach eine Entscheidung zu treffen.

Technisch ist das möglich. Dieser EWF wäre dann die zentrale fiskalpolitische Instanz für alle Staaten des Eurosystems und müsste dann zwangsläufig deren Souveränität stark beschränken. Das wird derzeit von vielen befürwortet und vielleicht führt tatsächlich kein Weg daran vorbei. Aber wenn man so etwas vorschlägt, dann muss man auch zeigen, wie das mit den üblichen Vorstellungen von Demokratie vereinbar ist, wonach bekanntlich gewählte Regierungen über Steuern und Staatsausgaben entscheiden.

Nehmen wir aber einmal an, dass das Vorhaben gelingt: Es gibt so einen Fonds, er kann mit den Staaten gut und dezent kooperieren, nicht grob bevormundend, wie es dem IWF oft vorgeworfen wird. - Sind gute Ergebnisse zu erwarten?

Zweifel

Ich habe da meine Zweifel. Stephan Schulmeister wird mit mir einer Meinung sein, dass die Fiskalpolitik in Österreich viel zu wünschen übrig lässt, sowohl die Steuern als auch die Staatsausgaben betreffend. Ich vermute sogar, dass wir weitgehend einer Meinung darüber sind, in welche Richtung die Fiskalpolitik geändert werden soll und was die Ursachen für die Probleme sind - Partikularinteressen der politischen Akteure und Dummheit. Ich gehe auch davon aus, dass wir Kollegen in anderen Staaten finden, die ähnliches von ihrem Land berichten können. Nur: Wie kann auf europäischer Ebene gelingen, was weder in Österreich noch in einem der anderen Staaten funktioniert?

Und: Wird dieser EWF dann von Personen dominiert, die erstens von der "richtigen" Theorie überzeugt sind und zweitens keinen Partikularinteressen nachgeben? Schulmeister beklagt, dass die derzeit wichtigsten Akteure - er nennt Schäuble, Lagarde, Juncker, Trichet - zu lange an den Markt geglaubt haben und nationalen Interessen nachgeben müssen. Wer ber auch immer die entscheidenden Positionen in diesem Fonds einnimmt - es werden Personen aus eben diesem Umfeld sein: Banken, Zentralbanken und die dominierenden Parteien der Mitgliedstaaten.

Was sie von den genannten Akteuren unterscheidet, ist nur, dass sie sich keiner Wahl stellen müssen. Sie werden aber wohl weitgehend die gleichen Theorien vertreten und die Expertisen der gleichen Partikularinteressen berücksichtigen.

Wer für die Errichtung eines EWF mit den in diesem Artikel geforderten Kompetenzen eintritt, muss daher erklären, wie dieser Fonds mit staatlicher Souveränität und Demokratie vereinbar und dennoch im gewünschten Sinn wirksam ist. Andernfalls bestünde nämlich die Gefahr, dass Stephan Schulmeister noch viele Gelegenheiten bekommen könnte, die Aktivitäten dieses EWF zu beklagen. (Kommentar der anderen, Peter Rosner, DER STANDARD, Printausgabe, 8.6.2011)