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Erst Jürgen Melzer stieß wie Antonitsch ins Achtelfinale von Wimbledon vor, Antonitsch ist voll des Lobes: "Er hat nach Federer die besten Anlagen für ein Spiel auf Rasen."

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Mit Thomas Muster verbinden ihn einige legendäre Daviscup-Doppel.

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Wien - Harte Zeiten für den Slice: Über Jahre hinweg galt der unterschnittene Angriffsball auf den Rasenplätzen von Wimbledon als Waffe, heute ist der Arme vom Aussterben bedroht. "Früher hat sich der Slice richtig eingegraben, alles fand einen Stock tiefer statt", sagt Ex-Profi Alexander Antonitsch, der sich 1990 bis ins Achtelfinale des Turniers vorgekämpft hatte. Mittlerweile habe der einst gefürchtete Schlag aber dramatisch an Effektivität eingebüßt: "Die Plätze werden abgedeckt und sogar geföhnt, dadurch bleiben sie härter, was den Ballabsprung natürlich etwas höher macht." Dass die Filzbälle zudem schwerer also auch langsamer gemacht wurden, nahm den lange Zeit dominierenden Serve-and-Volley-Spezialisten endgültig jenen Startvorteil, den früher nur Ausnahmekönner à la Björn Borg oder Andre Agassi wettmachen konnten.

Selbst dem ehemaligen Sandplatzwühler Thomas Muster, der immerhin einmal das Halbfinale im Queen's Club erreichte, würde Antonitsch unter den aktuellen Bedingungen größere Chancen einräumen: "Er litt stark unter der Bevorzugung der Aufschläger. Unter den derzeitigen Voraussetzungen hätte er durchaus die Chance gehabt, länger an der Spitze der Weltrangliste zu stehen. Gegen Ende seiner Karriere wurden die Hartplätze allmählich langsamer, da konnte er auch dort große Erfolge feiern." Gerade in der zweiten Woche von Wimbledon gliche der Court mittlerweile einem platt gewalzten Sandplatz.

Ein gutes Jahr

"Zu meiner aktiven Zeit konnte man sich die Reise nach Wimbledon ohne guten Aufschlag und Volley eigentlich ersparen", erinnert sich Antonitsch im Gespräch mit derStandard.at. Des Kärntners Flugball konnte sich aber ebenso sehen lassen wie sein variables Service, also trat er die Reise nach London gerne an, 1990 sogar mit reichlich Optimismus in der Sporttasche. Als 24-Jähriger hatte Antonitsch im Frühjahr in Seoul erstmals ein ATP-Turnier gewonnen, eine Woche später das Finale von Hong Kong erreicht und musste sich Boris Becker im Queen's Club erst im dritten Satz mit 7:9 geschlagen geben. In Wimbledon bezwang er unter anderem den Franzosen Henri Leconte ehe ihm im Achtelfinale die Nummer 1 der Welt gegenüberstand: Ivan Lendl.

"Das Match war am Center Court angesetzt, musste dann aber um einen Tag verschoben werden und wurde schließlich auf Court 1 ausgetragen", erzählt Antonitsch, der den ersten Satz mit 6:3 für sich entscheiden konnte, dann aber doch in vier Sätzen als Verlierer vom Platz ging. "Auch wenn er Wimbledon nie gewinnen konnte, ganz so schlecht war Lendl auf Rasen dann auch wieder nicht", scherzt der Österreicher, wohlwissend dass die tschechische Tennis-Legende zwei Mal im Finale des Turniers stand.

Daviscup als Höhepunkt

Den Höhepunkt seiner Karriere sieht Antonitsch aber nicht in Wimbledon, sondern im Wiener Prater: "Das Daviscup-Halbfinale gegen die USA war ein unvergessliches Erlebnis, so etwas wird es vielleicht nie wieder geben." Das Doppel mit Thomas Muster gegen Rick Leach und Jim Pugh ging zwar in vier Sätzen verloren, dennoch hat Antonitsch an die Länderkämpfe nur gute Erinnerungen: "Das Gemeinschaftsgefühl war immer etwas Besonderes, man hat auch für andere Menschen gespielt." So auch im Hollyburn Country Club von Vancouver, als Antonitsch das ÖTV-Team mit drei Punkten gegen Kanada in die Weltgruppe hievte - auf Rasen wohlgemerkt.

Woher aber die Vorliebe für das sprießende Grün? "Ich war nie der wieselflinke Sandplatzfloh, Stan Francker hat dies erkannt und gemeint: Du wirst an der Grundlinie nicht lange überleben, hau Dich besser nach vorne. Und das habe ich gemacht." So preschte Antonitsch bis auf Rang 40 der Weltrangliste vor, ehe ihn die Verletzungsmisere einbremste: "Ich wurde elf Mal operiert, unter anderem an der Schlaghand. Ich konnte über Monate kein Kaffeehäferl heben, an Tennis war gar nicht zu denken."

Das Hobby als Beruf

Auf Rasen erreichte Antonitsch auch sein letztes ATP-Finale, nämlich 1992 bei "fantastischer Atmosphäre" in Newport im US-Bundesstaat Rhode Island. An derselben Stelle gewann er gemeinsam mit Greg Rusedski 1994 auch den letzten seiner vier Titel im Doppel. Heute rät er jedem Jungprofi, die aktive Zeit zu genießen: "Es gibt nichts schöneres als sein Hobby zum Beruf zu machen, auch wenn man phasenweise Woche für Woche als Verlierer nachhause geht". Und selbst wenn es heute auf der Tour weit seriöser zugeht als vor zwanzig Jahren: "Für Spaßvögel wie Leconte wäre es nun schwieriger, umso mehr erstaunt mich der Humor eines Novak Djokovic. Aber selbst er ist am Platz zuletzt ernster geworden."

Einem Finalspiel zwischen Rafael Nadal und Roger Federer könnte Antonitsch auch bei der diesjährigen Wimbledon-Auflage einiges abgewinnen: "Das sind doch die tollsten Partien: wenn einer attackiert und der andere kontert." Und Melzer? "Er hat nach Federer die besten Anlagen für ein Spiel auf Rasen. Leider verlief seine Vorbereitung nicht optimal." Was ist mit Murray? "Auf ihm lastet ein enormer Druck". Auch Antonitsch lässt sich einen Besuch des Turniers nicht entgehen: "Wenn man die Anlage betritt, setzt sofort ein Prickeln ein. Die Fans campen über Nacht, um Karten zu ergattern. Sie lassen sogar den Pizzaservice aufmarschieren. Es herrscht eine unglaubliche Stimmung und Begeisterung."

Das größte Minus

Antonitsch und der Rasen, also eine ewige Liebesgeschichte? Mitnichten! Einst betrieb er im kärntnerischen Annenheim seine eigene Rasen-Anlage: "Das teuerste Hobby meines Lebens. Das größte Minus, das ich je gemacht habe." (Philip Bauer; derStandard.at; 16. Juni 2011)