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Eltern sollten sich gut überlegen, wie sie ihr Baby nennen.

Foto: APA/dpa/Grubitzsch

"Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose." Was nach einem Kalauer aus einem Crashkurs für Hobbypsychologen klingt, ist die Quintessenz einer deutschen Studie aus dem Jahr 2009 - auf den Punkt gebracht von einer Pädagogin. Die Untersuchung unter hunderten Grundschullehrern ging der Frage nach, welche Namen welche Assoziationen hervorrufen. Schüler, die auf den Namen Kevin, Justin, Chantal oder Mandy hören, wurden als leistungsschwächer und tendenziell verhaltensauffälliger als die Sophies, Hannahs, Alexanders oder Maximilians dieser Welt eingeschätzt.

Der Name als Programm

Ein Stempel schon vor der ersten Prüfung, der sich auch später als Karrierebremse erweist? Zwischen einem sprachlichen Zeichen und dem Zeichenbenutzer bestehen Gefühle, sagt Peter Ernst, Professor am Institut für Germanistik in Wien: "Sprache existiert ja nicht im luftleeren Raum." Dementsprechend werden auch Vorurteile mittransportiert. "Die Bezeichnung Krebs als Wort ist neutral, aber jeder fährt zusammen, wenn er es hört", erklärt der Sprachwissenschafter im Gespräch mit derStandard.at. Und Namen als Anker der Persönlichkeit seien untrennbar mit Emotionen verbunden: "Sie haben eine stark identitätsstiftende Wirkung."

Kevin-Boom

Mit Kevin assoziiert Ernst zuallererst einen "Modenamen", der vor 20 Jahren die Hitliste der beliebtesten deutschen Vornamen anführte. Der Film "Kevin - Alleine zu Hause" und der Schauspieler Kevin Costner lassen grüßen. Die Komödie kam Anfang 1991 in die deutschsprachigen Kinos. Zu einer Zeit, als sich auch Kevin Costner großer Popularität erfreute. Das Western-Epos "Der mit dem Wolf tanzt", Costners erfolgreichster Film, ließ im Jahr 1990 die Kassen klingeln.

"Der Name Kevin steht mittlerweile schon sprichwörtlich für bildungsferne und verhaltensauffällige Menschen", sagt Knud Bielefeld, Namensforscher und Betreiber des Portals beliebte-vornamen.de. Den meisten Kevins werde jedoch Unrecht getan, relativiert er: "Es ist kein Wunder, dass es viele verhaltensauffällige Jungen namens Kevin gibt - es gibt eben besonders viele Kevins." Auch unter den aktuellen Maturajahrgängen, wie er gegenüber derStandard.at betont.

"Jung", "attraktiv", "intelligent"

Eine weitere deutsche Studie zur sozialen Wahrnehmung widmete sich dem Thema, welche Vornamen mit welchem Alter in Verbindung gebracht werden. Dabei zeigte sich, dass moderne Vornamen eher mit den Attributen "jung", "attraktiv", "intelligent" versehen wurden. Im Gegensatz dazu werden ein Werner oder eine Elfriede als vermeintlich ältere Semester schubladisiert - mit entsprechenden Eigenschaften, die mitschwingen. Die Empfehlung der Forscher: mit zeitlosen Namen auf der sicheren Seite landen. Alexander, Michael oder Claudia gehören in diese Kategorie.

Rückschlüsse aufs Alter der Eltern

Ob es milieubedingte Unterschiede bei der Namensgebung gibt, kann Knud Bielefeld mangels wissenschaftlicher Untersuchungen nicht sagen. "Mein Eindruck ist, dass es eher am Alter als am Bildungsniveau der Eltern liegt, welche Namen vergeben werden." Je jünger sie sind, desto öfter werden ungewöhnliche oder aus den Medien bekannte Vornamen bevorzugt. Das heißt: "Bildungsferne Eltern bekommen tendenziell früher Nachwuchs als gebildete Eltern. Sofern meine These stimmt, kann man anhand der Kindernamen also vermuten, wie alt die Eltern sind - aber nicht was diese gelernt haben."

Auch Namensforscher Peter Ernst warnt vor vorschnellen Etikettierungen, dass sich so genannte bildungsferne Schichten bei der Namensgebung an Vorbildern aus dem Film- oder Musikgeschäft orientieren. "Das ist bis jetzt noch nicht eindeutig erforscht." Namenmoden machen nicht beim Bildungsniveau Halt, er identifiziert solche Trends in allen Schichten: "Manche nennen ihre Kinder nach Personen aus Wagner-Opern oder nach dem lateinischen Alphabet."

Comeback der "traditionellen Namen"

Ganz generell ortet er eine Rückkehr zum Traditionellen. Alexander, Philipp, Sophie oder Marie stehen wieder hoch im Kurs. Diese Vornamen würden mit einer Art Wertbeständigkeit verbunden, die auch für den beruflichen Erfolg entscheidend sein kann: "In einer Firma wird jemand mit einem traditionellen Namen vielleicht anders beurteilt als einer, der Kevin oder Elvis heißt", sagt er. Noch, denn: "Vielleicht ist es in 20, 30 Jahren ganz anders. Wenn diese Generation Karriere macht, dann heißt der Vorstandsdirektor halt Kevin."

In Deutschland sitzen Wolfgangs, Christophs und Michaels überproportional häufig in Chefsesseln. Das ergab eine Auswertung des Business-Netzwerks LinkedIn. In den USA finden sich Namen wie Ted, Jack, Bob oder Peter sehr oft in Führungspositionen, bei den Frauen sind es Deborah, Sally und Debra.

Lebenslanger Rucksack

Prinzipiell, gibt Ernst zu bedenken, sollten sich Eltern sehr gründlich überlegen, wie sie ihr Kind nennen. Ein schwerer Rucksack ist schnell mitgegeben. "Das Wohl des Kindes muss man immer im Auge behalten." Ein Buben zum Beispiel Adolf zu taufen, bedeute eine lebenslange Stigmatisierung. Was sehr viel über die Eltern sagt, kann gleichzeitig auch den Sprössling für höhere Weihen disqualifizieren. Der einzige Ausweg ist ein Namenswechsel. Als Grund müssen Nachteile - welcher Natur auch immer - ins Treffen geführt werden. Die Beweislast liege beim Antragssteller. Ein "Adolf" hätte wohl keine Probleme bei der Bewilligung, glaubt Ernst.

Kein Kind namens "Pepsicola"

Bei der Namensgebung gilt es, gesetzliche Vorgaben einzuhalten. Das Geschlecht sollte aus dem Namen hervorgehen, obszöne Namen sind tabu. Standesbeamten entscheiden immer im Einzelfall. In Deutschland fiel zum Beispiel "Pepsicola" durch, "Lady Gaga" dürfte auch nicht genehmigt werden, so Ernst, "nicht einmal Gaga alleine ist in Ordnung". Künstler- oder Trendnamen sind also gesetzliche Schranken gesetzt. Er rät, mehrere Vornamen zu vergeben. Eine Person könne sich dann im Alltagsleben einen davon aussuchen, auf Dokumenten geht das natürlich nicht.

Vor- und Nachname sollten harmonieren

Wichtiger als der "richtige" Vorname für den beruflichen Erfolg ist immer noch der Nachname, glaubt Knud Bielefeld. Untersuchungen in Deutschland dokumentieren etwa, dass Leute mit türkischen Namen seltener zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden als andere Kandidaten. Wie verhält es sich mit Chantal Müller oder Justin Moser? Im Idealfall harmonieren Vor- und Nachname, meint Bielefeld, "sie sollten zusammen gut auszusprechen sein. Hauptsache es klingt gut." Weiters empfiehlt er, Sonderzeichen zu vermeiden, die auf der PC-Tastatur nicht sofort zu finden sind. Das könne einer internationalen Karriere im Wege stehen. "In anderen Ländern sind selbst deutsche Umlaute problematisch."

Bei einem häufigen Nachnamen wie Müller sei ein ungewöhnlicher Vorname von Vorteil. "Um Verwechslungen zu vermeiden." Ein ausgefallener Vorname als Asset, das man in die Wiege gelegt bekommt? "Das kann durchaus sein", bestätigt Sprachforscher Ernst, es erhöht die Chancen aufzufallen. "Ein Tassilo oder Tarek sticht natürlich aus der Masse heraus."

Hitparaden-Namen nicht so häufig

Von 0815-Namen abraten wollen die Experten jedenfalls nicht. Die Hitparaden-Namen seien gar nicht so häufig, wie viele denken, erläutert Bielefeld: "So heißen nur circa ein Prozent der Neugeborenen des Jahrgangs 2010 Mia oder Leon - und das sind immerhin die häufigsten Namen in der deutschen Vornamenhitparade." Lukas vor Tobias und Maximilian. So lauteten 2009 in Österreich die beliebtesten Vornamen bei den Burschen, die Rangliste bei den Mädchennamen führte Sarah vor Anna und Leonie an. (Oliver Mark, derStandard.at, 21.6.2011)