Boliviens Präsident Evo Morales macht sich seit Jahren für das Recht der Bolivianer stark, Cocablätter kauen zu dürfen. Nun macht der Andenstaat ernst und tritt aus der Drogenkonvention aus.

Foto: STANDARD/Cremer

La Paz / Wien - Bei der UN-Drogenbehörde Undoc ist man derzeit etwas ratlos. Denn Bolivien wird aus der internationalen Drogenkonvention aussteigen. Um das Recht der Einheimischen auf ihre Cocablätter zu sichern. "Das ist noch nie passiert, derzeit befassen sich die Anwälte in New York damit", sagt Preeta Bannerjee, Pressesprecherin der in Wien ansässigen Undoc. "Die Angelegenheit ist eine hochgradig juristische Materie, daher können wir noch keine Einschätzung abgeben."

Am Dienstagabend (Ortszeit) hat der Kongress in Boliviens Hauptstadt La Paz ein Gesetz verabschiedet, das Präsident Evo Morales erlaubt, mit 1. Juli die Konvention zu verlassen. Allerdings nicht für immer. Denn unmittelbar nach dem Austritt am 1. Jänner 2012 will Bolivien die Konvention wieder unterzeichnen - aber ohne den Artikel 49, der sich unter anderem mit dem Coca-Kauen befasst.

In dem im Jahr 1961 verfassten Vertrag findet sich nämlich der Passus, dass innerhalb von 25 Jahren das Coca-Kauen verboten werden muss. Eine Anforderung, die Bolivien nie umgesetzt hat, ist doch diese Verwendung der Blätter des Coca-Strauches dort seit Jahrhunderten Tradition.

Die ähnlich wie Lorbeer aussehenden Blätter der Pflanze werden in den Andenstaaten getrocknet oder fermentiert und anschließend gekaut - oft unter Beimischung von Kalk. Das darin enthaltene Kokain wirkt leicht berauschend, unterdrückt das Hungergefühl, soll gegen die Höhenkrankheit helfen und wird auch bei religiösen Zeremonien oder als simples Genussmittel konsumiert. Auch Coca-Tees sind in den Geschäften legal erhältlich. Allerdings zählt Bolivien auch zu den drei Hauptexporteuren von Kokain. Das solle aber weiter verhindert werden, beteuert Präsident Morales, es gehe lediglich um den Binnenverbrauch.

Kein Blick in die Zukunft

Bei Undoc ist man dennoch alarmiert. Denn Boliviens Vorgehen könnte theoretisch Vorbildwirkung haben. Ob die UN Angst hat, dass etwa die Niederlande dann mit dem Konsum von Cannabis in ihrem Land das gleiche machen? "Man kann die Zukunft nicht vorhersagen, wir müssen abwarten, was die Anwälte sagen", meint Pressesprecherin Bannerjee.

Das Drogensekretariat selbst könne jedenfalls nicht aktiv werden. In der Konvention sind keine Sanktionen für Nichterfüllung von Punkten vorgesehen. "Die UN-Mitgliedsstaaten sind eigenständig, wir haben auch keinen Kontakt mit Bolivien aufgenommen. Das könnte nur das Generalsekretariat in New York machen." (Michael Möseneder, STANDARD-Printausgabe, 30.6.2011)