Ein Jahr lang hat Julian Walkowiak gemeinsam mit zahlreichen ehrenamtlichen Helfern an der Umsetzung seiner Idee gearbeitet.

Foto: Walkowiak

Für die Förderung von Studentenmobilität unterschreiben kann man auf www.rideforyourrights.org. Das Ergebnis wird der EU-Kommission und nationalen Instanzen der Bildungspolitik vorgelegt.

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Ferne Länder und Kulturen mit dem Fahrrad zu erkunden, ist Julians Leidenschaft. "Ich will mit dieser Fahrt das Bewusstsein schaffen: Wir brauchen die Verbindung untereinander!"

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Julian Walkowiak schwingt sich am 3. Juli in Novi Sad auf sein Fahrrad. Bei seiner Ankunft in Sankt Petersburg am 15. September werden 74 Tage und rund 4.000 Kilometer hinter ihm liegen. Der Sportstudent an der Uni Wien radelt nicht im Alleingang. Er macht auch nicht Urlaub. Er tritt für ein Projekt - mehr noch, für eine Mission - in die Pedale: Julian wird in den insgesamt zwölf Ländern, die er mit rund 70 Gleichgesinnten bereist, reden, reden, reden. Möglichst viele Entscheidungsträger aus dem Bildungsbereich will er auf seinem Weg von Serbien nach Sankt Petersburg treffen und mit der Idee eines weltoffenen Studiums konfrontieren. "Ich möchte alle Menschen, die auf einer höheren Ebene etwas bewirken können - Lehrende, Rektoren, Bildungsminister oder EU-Parlamentarier - von der Möglichkeit von zwei Jahren Auslandsaufenthalt überzeugen." In einem Blog auf derStandard.at/fahrrad wird Julian Walkowiak ca. alle zwei Wochen über seine Reise berichten.

Bologna-Hürden aufzeigen

"Es ist wirklich wichtig, in Europa herumzukommen, in fremde Kulturen einzusteigen und die Sprachen zu lernen", betont Julian, "aber nicht einmal fünf Prozent der europäischen Studenten verbringen ein oder mehrere Semester an Partnerunis im Ausland. Die Ideen seit Bologna sind toll, die Umsetzung ist unzureichend. Obwohl in der Erasmus Charter drin steht, dass die EU Studentenmobilität fördert und die Hochschulen eine vollständige Anrechnung garantieren, steht und fällt die Anrechnung von Prüfungen an Auslandsunis oft mit einer Person." Auch die finanziellen Zuschüsse seien zu gering, gar nicht zu sprechen von den Ländern, in denen man seine nationalen Studienförderungen nicht mit ins Ausland nehmen kann. "Deshalb musste ein Manifest her", erzählt Julian. Die Idee zu Ride for your Rights war geboren, das unter anderem ein übergeordnetes Kontrollorgan für Studentenmobilität fordert.

Ein Jahr ehrenamtliche Arbeit

Die Route führt von Serbien aus nach Kroatien, Ungarn, Slowakei, Österreich, Tschechien, Polen, Litauen, Lettland, Estland, Finnland bis nach Russland. Endstation ist Sankt Petersburg. Die Fahrt wird von Ausflügen zu ehemaligen Kriegsschauplätzen und Ghettos unterbrochen. Darüber hinaus gibts in allen großen Städten Rasttage, an denen Workshops mit NGOs und Universitäten zu den Themen Menschenrechte, gewaltfreies Handeln oder Minoritäten besucht werden können.

Ein Jahr lang hat Julian gemeinsam mit zahlreichen ehrenamtlichen Helfern an der Realisierung seiner Idee gearbeitet. Er geht das Projekt aus seiner persönlichen internationalen Perspektive an. "Ich selbst war Austauschstudent in Portugal und habe mich anschließend als Studentenvertreter beim Campus Europae Student Council engagiert", schildert Julian seine Motivation.

Aufs Rad gekommen

Was Julian aufs Rad gebracht hat? "Ich reise unglaublich gern und habe nach vielen Reisen per Autostopp, Bus und zu Fuß das Fahrradreisen als meine persönliche Reiseform entdeckt. Man kommt an Plätze, die man normalerweise nicht sieht, man ist mit Menschen in Kontakt, und es ist umweltfreundlich." Außerdem ist er ein Alltagsradler, der sich- "wahrscheinlich nicht gerade vernünftig" - auch von Eis und Schnee nicht abschrecken lässt. Sein 15 Jahre altes Mountainbike lässt der Sportstudent für die lange Fahrt allerdings in Wien zurück. "Ich schaue mich nach einem größeren Fahrrad um, das für Radreisen ausgelegt ist". Von seiner ursprünglichen Idee, die 4000 Kilometer auf einem 36 Zoll-Einrad zu absolvieren, ist er wegen des organisationsbedingten Zeitmangels für ein Trainingsprogramm wieder abgekommen. Das Einrad fährt allerdings mit dem Begleitfahrzeug mit.

Studieren, arbeiten, Sprachen lernen

Seit Mai 2010 ist Julian Walkowiak Präsident des Studentenrates von Campus Europae. Das Programm ermöglicht Studierenden zwei Auslandsaufenthalte für jeweils ein Jahr. Studieren, arbeiten und die jeweilige Landessprache erlernen, ist das Ziel. Das erste Jahr wird mit EU-Kommissionsgeldern finanziert, man kann sich dem Studium und Spracherwerb widmen. Das zweite Jahr gilt es mit einem Job selbst zu finanzieren. Im Wintersemester 2011 wird Julian sich ein Jahr lang in Sankt Petersburg für ein soziales Zirkusprojekt engagieren. Er hat Glück, denn obwohl sich International 20 Partnerunis am Campus Europae-Programm beteiligen, ist es in Österreich genau eine Uni: die Bildungswissenschaft in Wien.

"Mein Ziel ist ein Erasmus 2.0"

Warum bleibt eine Auslandserfahrung dieser Art einem kleinen Grüppchen Lehramtsstudenten aus Wien vorbehalten? "Viele Unis sagen, 'wozu? Wir haben schon Erasmus‘", weiß Julian. Dazu komme die Angst vor einem höheren bürokratischen Aufwand. "Dieser ist aber nicht gegeben", beruhigt er. "Ich will mit meiner Tour darauf aufmerksam machen, dass es Hürden für Studenten gibt, in andere Länder zu gehen. Mein Ziel ist ein Erasmus 2.0", sagt Julian, und weiter, "es liegt an den einzelnen Unis, die Initiative zu ergreifen". Aufmerksamkeit erhält das Projekt auch durch die Gleichgesinnten, die ihn auf seiner Reise begleiten - sei es am eigenen Rad oder virtuell über die Webseite, den Blog oder facebook.

"Studentenmobiliät braucht einen Extraantrieb"

Ein Begleitfahrzeug mit Grundnahrungsmitteln, Werkzeug und dem sogenannten Ehrenrad wird die Ride for your Rights-Tour begleiten. Auf letzterem sollen sich die Persönlichkeiten, die die Route der Aktivisten kreuzen, per Autogramm verewigen. Das Ehrenrad ist aus symbolischen Gründen ein E-Bike - "weil die Studentenmobiliät einen Extraantrieb braucht", erklärt Julian. Dieses Jahr hat er damit die Nominierung für den Jugendkarlspreis erhalten. Nach der Reise soll das von den Unterschriften förmlich übergehende Bike als Mittelpunkt einer dokumentarischen Aufarbeitung des Projekts an alle besuchten Universitäten zurückkehren. Danach folgt die Versteigerung. Mit dem Erlös wird ein Campus Europae-Pool zur finanziellen Hilfe für Studenten im zweiten Auslandsjahr begründet.

Julian sieht sich in seinem Unterfangen immer wieder mit Kritik konfrontiert: "Wie kannst du dich nur mit Politikern treffen und mit Unterschriften hausieren gehen?" Seine Antwort: "Wir brauchen für unser Projekt nun einmal Stimmen aus Politik und Bildung. Wer auf dem Ehrenrad unterzeichnet, unterstützt unser Manifest."

Low Budget-Reise

Förderer und finanzielle Mittel für das Projekt hat Julian mit seiner Gruppe von Mitstreitern im Alleingang aufgestellt. Die Sponsoren kommen aus dem Non Profit-Bereich, die Hauptkosten trägt Campus Europae. Ziel war die 4000 Kilometer lange Wegstrecke unter Low Budget-Bedingungen zu bestreiten, "damit jeder mitfahren kann", so Julian. "Ursprünglich war geplant, dass sich jeder selbst und auf eigene Verantwortung organisiert. Als sich herausstellte, dass uns rund 70 Personen begleiten werden, haben wir begonnen, uns um Übernachtungsmöglichkeiten und Verpflegung zu kümmern." Nun stellen Universitäten und Hostels Zimmer und Essen zur Verfügung. Dennoch ist die Reise nicht perfekt durchorganisiert. Zu schwierig die Koordination in den zwölf Ländern, die es zu passieren gilt. "Wir werden auch immer wieder campen. Es wird abenteuerlich", freut sich Julian und appelliert: "Ich hoffe, dass uns noch viele Menschen etappenweise begleiten werden! Es soll eine Bewegung werden." (Eva Tinsobin, derStandard.at, 03.07.2011)