Sie gilt als Pionierin der Körperarbeit. Ida Rolf, geboren 1896 in New York, kam über verschiedene Stationen zu ihrer Theorie der "Strukturellen Integration", wie sie ihre Methode selbst nannte. 1921 war Rolf war eine der ersten Frauen, die an der Columbia University ein Studium der Biochemie abschlossen. Sie arbeitete 12 Jahre am Rockefeller Institute for Medical Research in New York, wurde Professorin, ging dann aber zu Forschungszwecken in die Schweiz, wo sie sich mit Mathematik und Physik, aber auch Homöopathie, Osteopathie und Chiropraktik beschäftigte.

Fast seit Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit interessierte Ida Rolf das Bindegewebe, konkret eine spezielle Untergruppe, die Faszien - kollagene Strukturen wie Sehnenplatten, Gelenkkapseln, Muskelhüllen oder Bänder. Sie wurden lange Zeit von der Medizin vernachlässigt, obwohl sie - wie Rolf überzeugt war - dem Körper als "Organ der Form" dienen. Die Faszien haben eine "tragende Rolle", plastische und elastische Eigenschaften und sind formbar. Bei Verletzungen stabilisiert der Körper Strukturen durch Bildung von Bindegewebe. Ida Rolf bezog in ihre Überlegungen vor allem aber auch die Schwerkraft mit ein, damit setzte sie den Körper - und das war damals neu - in seiner Form und seinen Bewegungen in Beziehung zur Umgebung.

"Der eine mag seinen verlorenen Kampf mit der Schwerkraft als scharfen Schmerz im Rücken empfinden, ein anderer als wenig schmeichelhaftes Aussehen, wieder andere als ständige Müdigkeit und Stress oder als andauernd bedrohliche Umwelt. Diejenigen über 40 mögen es Alter nennen - all diese Signale können aber auch auf ein einzelnes Problem hindeuten: Der Körper ist aus der Balance geraten. Er ist im Konflikt mit der Schwerkraft", sagt Ida Rolf, die überzeugt war, dass das Bindegewebe gerade wegen seiner Plastizität auch von außen durch präzise, tiefgehende Berührung beeinflusst werden kann, etwa um Spannungen zu lösen.

Ida Rolf entwickelte eine Abfolge von zehn systematisch aufeinanderfolgenden Sitzungen, in denen die optimale Struktur, die Haltung und Bewegungsform des Klienten analysiert und verbessert wird. Rolfing ist vordergründig also eine körperliche Behandlung, gleichzeitig aber auch eine Wahrnehmungs- und Bewegungsschulung, die den Körper zurück in eine Balance bringen soll. Eine Zeitlang war Rolf sogar in Hollywood populär: Marlene Dietrich, Greta Garbo und Cary Grant ließen sich "rolfen" und trugen zur Bekanntheit in den USA bei. Einer von Rolfs berühmten Schülern war Fritz Perls, Begründer der Gestalttherapie. Anfang der 70er-Jahre gründete Ida Rolf in Boulder, Colorado das Rolf Institute, das bis heute ihr Wissen über strukturelle Integration weitergibt. Nach Ida Rolfs Tod wurde ihre Methode unter dem Namen Rolfing weltweit bekannt. (pok, DER STANDARD, Printausgabe, 11.07.2011)