Andreas Oberhuber sieht in den stark gestiegenen Vormerkungen bei heimischen gemeinnützigen Bauträgern "eher eine Bestätigung dafür, dass das Interesse am geförderten Wohnbau in Österreich traditionell sehr hoch ist".

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derStandard.at: Der Wohnungsmangel in Österreich verschärft sich zusehends. Mit welchen Preissteigerungen müssen wir in den nächsten Jahren rechnen?

Andreas Oberhuber: Der Vorteil des heimischen Wohnbaufördersystems war immer, dass die Wohnungs- bzw. Mietpreise in den letzten Jahrzehnten wenig volatil waren, sie bewegten sich im Bereich der Inflation. Nun haben wir aber Entwicklungen, wo wir die Preissteigerungen aufgrund der Prognosen etwas über der Inflation sehen. In Wien wird beispielsweise mittelfristig mit Mietensteigerungen von jährlich vier Prozent zu rechnen sein.
Grundsätzlich waren die aktuellen Entwicklungen für uns absehbar. Wir weisen schon seit Jahren darauf hin, dass wir einer Wohnungsnot entgegensteuern, vor allem in den Ballungsräumen. Anhand verschiedener Bevölkerungsprognosen wissen wir, dass in den letzten Jahren um 3.000 bis 4.000 Wohnungen jährlich zu wenig neu gebaut wurden. Jetzt haben wir eine Situation, in der es - vor allem im geförderten, aber auch im frei finanzierten Segment, und natürlich auch aufgrund der Finanzkrise - ein Ausmaß an Baubewilligungen gibt, das den Bedarf mit Sicherheit nicht decken kann.

derStandard.at: Der aktuelle Wohnungsmangel lässt sich also auch vom frei finanzierten Sektor nicht "auffangen"?

Oberhuber: Nein, nicht alleine. Seit 2006/07 sehen wir einen ziemlichen Absturz bei der gesamten Wohnungsproduktion in Österreich. Bis 2008/09 konnte das noch durch die geförderte Wohnungsproduktion aufgefangen werden. Wenn jetzt aber die Fördermittel seitens der Länder zunehmend eingeschränkt werden, dann haben wir natürlich auch Einbußen im geförderten Segment. Der frei finanzierte Wohnbau ist sicher nicht imstande, das zu kompensieren.

derStandard.at: Sehen Sie in den so massiv gestiegenen Vormerkungen bei gemeinnützigen Bauträgern dennoch auch eine gewisse "Flucht" vom frei finanzierten Bereich in den geförderten Wohnbau, aus Kostengründen?

Oberhuber: Nein, das ist eher eine Bestätigung dafür, dass das Interesse am geförderten Wohnbau in Österreich traditionell sehr hoch ist. Man darf nicht vergessen, dass der geförderte Wohnbau rund 80 Prozent der gesamten Wohnungsbewilligungen abdeckt.
Die Frage nach der Leistbarkeit des Wohnraums ist sicherlich eine Kernfrage. Das österreichische System der Wohnbauförderung funktioniert seit Jahrzehnten ohne wesentlichen Systembruch, das stabil und vorhersehbar war und Planungssicherheit für die Wohnungswirtschaft bot. Durch die Abschaffung der Zweckzuschüsse bei der Wohnbauförderung im Rahmen des Finanzausgleichs 2008, andererseits aber auch durch verschiedene Finanzierungsprobleme, ausgelöst durch die Finanzkrise, sind die jährlichen Fertigstellungen auf unter 40.000 Wohneinheiten gerutscht.

derStandard.at: Wie ist die preisliche Situation im Wohnungseigentum?

Oberhuber: Im Eigentumsmarkt stellt sich die Situation etwas anders dar, hier hängt es natürlich davon ab, in welchem Ausmaß in Wohnungseigentum überhaupt investiert wurde, egal ob frei finanziert oder gefördert. In Wien wird es durchaus auch zu erheblichen Preissteigerungen kommen, der Trend der letzten Jahre wird sich also fortsetzen - als Konsequenz dessen, dass ursprüngliches Wohnungseigentum in Wien kaum gefördert wird, es also im Prinzip kaum neues Angebot gibt. Eine Lösung sollte hier der so genannte Miet-Kauf sein, also Mietwohnungen mit gesetzlicher Kaufoption. Allerdings hat dieses Modell bisher nicht wirklich funktioniert.

derStandard.at: Was könnte die Politik tun, um gegenzusteuern?

Oberhuber: Die Wiedereinführung der Zweckwidmung wäre aus meiner Sicht sinnvoll, in Kombination mit zum Teil schon erprobten, vielleicht auch neueren Finanzierungsinstrumenten am Kapitalmarkt. Ich denke da an das Instrument der Wohnbauanleihe, das man eventuell auch weiterentwickeln könnte, um günstiges Kapital zu beschaffen und auch zweckgebunden in den Wohnbau zu investieren.

derStandard.at: Welche Auswirkungen hat die Zunahme bei den Wohnungsgrößen und den Singlehaushalten?

Oberhuber: Das ist auch eine Entwicklung, die für uns nicht neu ist. Der Anstieg an Singlehaushalten ist auf verschiedene Umstände zurückzuführen: Die anhaltend hohen Scheidungsraten, in den Ballungsräumen auch Studenten, aber auch der Zuzug. Im Jahr 2001 gab es in Österreich etwa 3,35 Millionen Haushalte, 2010 waren es schon 3,62 Millionen, also um etwa 8,2 Prozent mehr. Bis 2030 wird die Zahl laut Statistik Austria auf 4,06 Millionen ansteigen, bis 2050 sogar auf 4,36 Millionen. Das sind dann gegenüber 2001 über 30 Prozent mehr. Die Zahl der Ein-Personen-Haushalte lag 2001 bei 1,12 Millionen, sie wird langfristig rund viermal so stark ansteigen wie die Zahl der Mehrpersonenhaushalte.
Ich denke also, dass die Nutzflächen der einzelnen Wohneinheiten sich tendenziell reduzieren werden, weil die Wohnungswirtschaft entsprechend vorgehen muss. Auch was die Fördermodelle der Länder betrifft gibt es schon entsprechende Anreizmodelle, indem etwa vorrangig durchschnittliche Wohnungsgrößen gefördert werden, also eher die 70- als die 130-m²-Wohnung, weil die echten Mehrpersonenhaushalte mit 5, 6 Personen unterdurchschnittlich repräsentiert sind. Es geht eher hin zu Kleinfamilien bzw. Singlehaushalte, die auch mit geringeren Nutzflächen auskommen. Mit niedrigeren Nutzflächen sind automatisch auch geringere Wohnkosten verbunden, und das wird vor allem in den Ballungszentren eine zunehmende Rolle spielen. (derStandard.at, 28.7.2011)