Null Meter Asphalt
Am Einrad über die Alpen
Zehn Tage, 400 Kilometer, 14.000 Höhenmeter - David Weichenberger hat die Alpen auf seinem Einrad überquert - Verschärfung: kein Kontakt mit Asphalt
Zehn Tage, 400 Kilometer, 14.000 Höhenmeter - David Weichenberger hat die Alpen auf seinem Einrad überquert - Verschärfung: Kein Kontakt mit Asphalt
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Während andere 26-Jährige im Meer plantschen, verbrachte David
Wechenberger seinen Urlaub damit, sich auf knapp 3.000 Metern Höhe durch den Schnee zu pflügen. Auf seinem
Einrad. Ohne dabei mit Asphalt in Berührung zu kommen.
Das Überqueren der Alpen mit dem Mountainbike liegt im Trend.
Der vierfache Downhill-Weltmeister auf dem Einrad
wollte dieses Abenteuer toppen. Mit Einrädern starteten er und seine und
seine zeitweiligen Weggefährten Stephanie Dietze und Lutz Eichholz am
19. Juli zu einer Tour vom Alpsee in Bayern über die Alpen bis zum
Gardasee im Trentino.
Bild: Wenige Wochen zuvor war die Welt noch grün. Sechs Monate dauerndes Training ging der Alpenüberquerung voran.
Die ganz besondere Herausforderung: "keinen,
null, zero Meter Asphalt zu befahren", so Weichenberger. Warum das? "Für ein Downhill-Einrad ist die Straße einfach keine Herausforderung. Darüber hinaus will ich eine neue Route ganz ohne Straßen finden, abseits asphaltierter
Straßen über Stock und Stein, von Berghütte zu Berghütte, von Gipfel zu
Gipfel."
Foto: David Weichenberger
Vor einem Jahr begann Weichenberger zu recherchieren. "Ich habe keine
Beschreibung einer Alpenüberquerung komplett abseits von Straßen
gefunden, und alle, die ich gefragt habe, meinten, das geht nicht. Das
habe ich einfach nicht geglaubt."
Bild: Piburgersee
So stellte der BWL-Student
anhand von Wanderkarten und Erfahrungsberichten eine theoretische Route zusammen,
die er sich nun praktisch Meter für Meter erarbeitete. "Immer wieder bin
ich angestanden, dann habe ich das Rad zurück getragen und wieder eine
andere Route ausprobiert." Apropos tragen: Sechs Kilo wiegt das Einrad, dazu kam das Gepäck.
Foto: David Weichenberger
Start war beim Schloss Neuschwanenstein in Bayern. Über die österreichische Grenze
ging es Richtung Inntal, dann in die Ötztaler Alpen auf knapp 2.875 Meter. Über das Timmelsjoch
führte die Route nach Italien. Am Ortler vorbei und Richtung Dolomiti
di Brenta. Das Ziel? Sich am 30. Juli ins laue Wasser des
Gardasees fallen zu lassen.
Bild: Neuschwanstein
Insgesamt 14.000 Höhenmeter hinauf und 15.000 in der Abfahrt galt es zu
bewältigen. Weichenberger: "Hinauf kannst eh nur fahren, schieben oder
tragen. Aber hinunter geht's dann zur Sache." Abgesehen davon, dass es
nicht minder anstrengend ist, als das Bergauffahren, sind Erfahrung und
Technik gefragt.
Bild: Das Einrad muss mit durch die Ache, denn Asphaltberührung kommt nicht infrage.
Natürlich kann man nicht jeden Meter am Berg auf dem Einrad zurücklegen,
streckenweise ist das zu gefährlich, deshalb lautete
Weichenbergers Definition der Fortbewegungsart von Beginn an: "fahren,
fallen, tragen, schieben." Dennoch bewältigte er gut die Hälfte der
Strecke auf dem Rad.
Bild: Der erste Schlechtwettereinbruch.
Das Einrad verfügt über Felgenbremsen und wurde
speziell für die Alpen mit einem Kotflügel und einem dickeren Reifen
adaptiert. Mindestens zwölf Stunden pro Tag legte Weichenberger in den ersten vier Tagen zurück. Der längste Tag bestand gar
aus 14 Stunden Einradfahren.
Bild: Der Weg zum Timmelsjoch
Auf derart winterliche Verhältnisse, wie sie kurze Zeit nach
dem Aufbruch eintrafen, war man nicht eingestellt: "Es ist
spannend, rutschig und gefährlich, durch den Schnee zu fahren." Nur
einmal ist Weichenberger an seine Grenzen gestoßen: "Am Tag nach dem Wintereinbruch
war ich körperlich völlig fertig...
Bild: Auffahrt zur Stettinerhütte
... ich bin mitten auf einem Steilhang
gestanden und hab gedacht, jetzt führt kein Weg an der asphaltierten Straße
unten vorbei. Als ich mich damit abgefunden hatte, entdeckte ich beim Abstieg zur Straße einen kleinen Weg. Es ist
weitergegangen." Ein
besonderes Erlebnis war für den gebürtigen Oberösterreicher die
Ankunft auf der Stettiner Hütte - mit 2875 Metern der höchste Punkt auf
der Strecke - in einem spektakulären Schneesturm.
Kurz nachdem Weichenberger am 27. Juli vom Vigiljoch - dem Hausberg von
Lana in Südtirol - aufgebrochen ist, versperrt ihm eine Kuh den Weg.
Foto: David Weichenberger
Ein Mann und sein Einrad durchschwimmen wieder einmal eiskaltes Gewässer: Diesmal handelt es sich um den Stausee bei St. Pankratz. Weil anders - sprich ohne Asphaltkontakt - nicht um den See herum zu kommen ist.
Foto: David Weichenberger
Gezeichnet von einer langen Tagesetappe kommt der Einradfahrer kurz vor Mitternacht am Tagesziel, der Rawauer Alm bei Proveis in Südtirol an. Am Freitag fuhr Weichenberger dann an der Brenta vorbei, am Samstag ging es endlich runter Richtung Gardasee, immer knapp an Riva vorbei.
Foto: David Weichenberger
David Weichenberger: "Die letzten paar Meter zählten zu den schwierigsten.
Zum See hin fällt das Gelände steil ab, und dann ist da auch noch die
Uferstraße, die überwunden werden musste. Ich hatte das Ziel
schon vor Augen, konnte aber nicht hin, das war hart. Schließlich hab
ich mich die letzten paar Meter abgeseilt."
Foto: David Weichenberger
Happy End nach elf harten Tagen: der Sprung in den Gardasee - ohne Asphaltberührung, versteht sich. (Eva Tinsobin, derStandard.at,
31.07.2011)
Foto: David Weichenberger