München - Mehr als 150.000 Deutsche erleiden pro Jahr einen Schlaganfall. Jeder fünfte davon stirbt daran. Auf dem größten deutschsprachigen Neurologenkongress Ende September in Wiesbaden diskutieren über 4.000 Experten die Vorbeugung, Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung: So zählt die Hypothermie, also das Herabsetzen der Körpertemperatur, zu den vielversprechenden Therapieneuheiten. Moderne Gehirnscan-Verfahren sollen den Zeitpunkt eines Schlaganfalls im Nachhinein besser eingrenzen, damit noch mehr Patienten von der individuell besten Behandlung profitieren können. Beide Methoden werden derzeit im Rahmen von umfangreichen europäischen Forschungsprojekten unter deutscher Leitung untersucht, so die Deutsche Gesellschaft für Neurologie in einer Aussendung.

Mehr Prävention

"Würden alle Möglichkeiten der Prävention ausgeschöpft, so könnten wir das Schlaganfallrisiko um insgesamt 80 Prozent verringern", macht Christoph Diener, Direktor der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Essen, den Nutzen der häufig unterschätzten präventiven Maßnahmen deutlich. Dabei stellt die Behandlung eines Bluthochdrucks den wichtigsten protektiven Faktor dar - und dies nicht nur beim Hirn-, sondern auch beim Herzinfarkt.

Obwohl beide ischämische Ereignisse häufig auf einer Arteriosklerose beruhen, gibt es auch Unterschiede in der Prävention: So scheinen die sehr häufig eingesetzten cholesterinsenkende Statine in der Primarprävention des Schlaganfalls im Gegensatz zum Herzinfarkt keinen schützenden Effekt zu haben. Ein weiterer Unterschied: Moderates Übergewicht ist, anders als beim Herzinfarkt, kein ernstzunehmender Risikofaktor für einen Schlaganfall. Ärzte müssen deshalb ihre Patienten ganz individuell über Risiken dieser beiden Volkskrankheiten aufklären.

Unterkühlung ist eine heiße Spur

Die Hypothermie spielt in der Therapie von Hirnschäden nach Reanimation und der Versorgung von Neugeborenen mit Sauerstoffmangel bereits heute eine wichtige Rolle. Die internationale randomisierte Phase-3-Multizenterstudie EuroHYP-1 unter der Leitung von Stefan Schwab, Direktor der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Erlangen, will nun zu zeigen, dass das Abkühlen der Körpertemperatur auch bei ischämischen Schlaganfällen wertvolles Hirngewebe bewahren kann. "Beginnt man die Patienten bis spätestens sechs Stunden nach den ersten Symptomen auf Temperaturen um die 34°C herunterzukühlen, kann man doppelt so viel Hirngewebe retten wie beispielsweise mit einer alleinigen Thrombolyse", berichtet Schwab. Rund 500.000 Patienten könnte die neue Methode im Jahr helfen.

Der Faktor Zeit entscheidet

Liegt der Schlaganfall länger als 4,5 Stunden zurück, empfehlen Richtlinien, eine thrombolytische Therapie - also das Auflösen von Blutgerinnseln - nicht mehr zu beginnen. Das betrifft überwiegend Patienten, die den Schlaganfall bereits im Schlaf erleiden, die aber die Symptome erst nach dem Aufwachen bemerken (Wake-Up-Stroke). Alleine in Europa sind hiervon jährlich 120.000 Menschen betroffen. Die Wake-up-Studie untersucht nun ein neues Verfahren, das mithilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) eindeutig zu klären versucht, ob ein Schlaganfall bereits zu lange zurückliegt.

"Mit einer Genauigkeit von 80 bis 90 Prozent kann das Verfahren diese zentrale Frage beantworten", verspricht Christian Gerloff, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. "So könnte bald jeder, der mit Symptomen erwacht, im Krankenhaus ein MRT bekommen und die Chance auf eine Thrombolyse erhalten", verdeutlicht der Neurologe die Relevanz der neuen Methode. (red)