Ljubica Kokanovi´c  hat sich ihren Lebensabend in Vorarlberg erarbeitet. Nun fährt sie heim nach Serbien

Foto: Djukic

Hohenems - 1300 Kilometer Fahrt liegen zwischen Vorarlberg und Serbien, hin und retour 2600 Kilometer. Viele "Gastarbajter", so das serbische Wort für die im Ausland Arbeitenden, bewältigen die Strecke mehrmals pro Monat mit dem Bus. "So eine verrückte tagelange Reise, da muss man einen Film darüber machen", dachte sich die Hohenemserin Renate Djukic schon vor Jahren. Die Tochter serbischer Eltern, 1973, ein Jahr nachdem die Eltern nach Vorarlberg gekommen waren, geboren, hat selbst viele Stunden im Gastarbajter-Bus verbracht.

Als die Eltern in Pension und zurück nach Serbien gingen, wurde der Videokünstlerin und Kommunikationsgestalterin erstmals bewusst, "dass bald alle dieser Generation weg sind". Es war höchste Zeit für den Film. Mit "Gastarbajter" drehten Renate Djukic und Simon Böhler eine Road-Doku über das Leben zwischen zwei Welten, über eine Generation, die Fremdsein und Trennung von der Familie in Kauf nahmen, "damit es den Kindern einmal besser geht". Djukic lässt die Reisenden über ihre Jahre in Vorarlberg erzählen.

Firmen waren "pleite"

Im Fokus ist die Neopensionistin Ljubica Kokanovic, die ihren Hausrat in den Bus verfrachtet, um in einen neuen Lebensabschnitt zu fahren. Ein halbes Leben hat die Arbeiterin in Vorarlberg verbracht. "Die Firmen musste ich öfter wechseln. Aber nicht, weil man mich gekündigt hat, sondern weil die pleite waren." Sie zählt die Firmennamen auf, dokumentiert damit das Auf und Ab der Vorarlberger Wirtschaft in vier Jahrzehnten.

Wie die meisten ihrer Landsleute hat Frau Kokanovic in der alten Heimat ein Haus gebaut. Dort zieht sie nun hin, zu Sohn und Schwiegertochter. Geschuftet hat sie für das Haus, das als eine Art Entschädigung für den Sohn gedacht ist, den sie bei der Familie zurückgelassen hatte. Ljubica Kokanovic spricht nicht gerne darüber: "Das war halt so ..."

Die Trennung von den Kindern, Hausbau und der Krieg sind die Hauptthemen der Busreisenden. In ihren Erzählungen bleibt vieles unausgesprochen. "Aus Selbstschutz, sie reden nicht gerne über das Vergangene", sagt Renate Djukic, "trotzdem sind sie stark und ohne Selbstmitleid". (jub, DER STANDARD Printausgabe, 16.9.2011)