Bild nicht mehr verfügbar.

Die Implantation eines künstlichen Hüftgelenkes ist ein Routineeingriff, aber immer noch sehr aufwändig.

Foto: APA/Jan Woitas

So soll Heilung passieren: Schmerzen in der Hüfte, die einem tagsüber das Leben zur Hölle machen und einem nachts den Schlaf rauben, sind nach einer nicht einmal zweistündigen Operation wie weggeblasen. Fast alle, die an Hüftgelenksabnutzungen leiden, können das dank moderner Ersatzteilmedizin am eigenen Leib erfahren. Europaweit werden heute ca. 500.000 künstliche Hüftgelenke eingesetzt. In Österreich sind es rund 16.000 pro Jahr. Tendenz steigend, weil die Menschen älter werden und damit naturgemäß auch die Abnutzung der Gelenke zunimmt.

"Das ist ein riesiger Markt für Medizintechnikhersteller", sagt Karl Knahr, Vorstand der Orthopädischen Abteilung im Krankenhaus Speising, "es gibt genauso viele Gelenktypen wie Automarken". Entscheidend für den langfristigen Erfolg sei die Erfahrung des Operateurs: Die Prothese, die in die Gelenkpfanne montiert wird, muss mit dem Schaft, der auf den Oberschenkel aufgesetzt wird, gut ineinandergreifen. "Mit der zementfreien Verankerung von Titanprothesen dürfte das Verankerungsproblem gelöst sein, die Materialien zur Verbesserung des Verschleißwiderstands - Metall-Metall-Paarung, Keramik-Keramik-Paarung und der neue Kunststoff Cross-linked Polyäthylen in Kombination mit Metall- und Keramikköpfen - lassen ebenfalls dauerhafte Funktionsfähigkeit des künstlichen Gelenks erhoffen", sagt Knahr. Ein schwelendes Problem bei der Evaluierung sämtlicher neuer Materialien: ein fehlendes, österreichweites Register, in dem sämtliche Krankengeschichten eingetragen und in der Folge hinsichtlich der Erfolgs- oder Miss- erfolgsraten ausgewertet werden. Datenschutzrechtliche Diskussionen verhindern eine Umsetzung. "Man wird die Spitäler zu entsprechenden Meldungen wohl zwingen müssen", meint Knahr.

Zugang zur Hüfte

Wertvoll wären diese statistischen Daten auch in Hinsicht auf die Operationsmethoden. Es gibt Auffassungsunterschiede zwischen Orthopäden, was den Zugang zum Gelenk betrifft. Minimal-invasive OP-Methoden, also solche, bei denen die Schnitte klein sind und man versucht, zwischen den Muskeln zum Gelenk zu gelangen, ohne Sehnen durchzutrennen, haben sich durchgesetzt. Diskutiert wird der Zugang. "Mit etablierten Methoden, die seitlich (transgluteal) beziehungsweise von seitlich vorn (anterolateral) das Gelenk freilegen, wird Muskel- und Nervengewebe zerschnitten oder gequetscht, das kann sich negativ auf den Heilungsprozess auswirken", ist Orthopäde Alexander Zembsch von den Barmherzigen Schwestern in Wien überzeugt. Er operiert seit Jahren nach einer Methode namens Anterior Minimal Invasive Surgery (Amis) und wählt den Zugang von vorn, weil dabei das Muskelgewebe des Oberschenkels und die Nerven unversehrt bleiben. Möglich macht es eine spezielle Beinhalte-Vorrichtung. Knahrs Einwand: "Es gibt nicht eine OP-Methode für alle Patienten, man muss individuell anpassen. Wichtig ist die korrekte Implantation für die dauerhafte Funktion des Gelenks."

Auch Orthopäde Reinhold Dallinger, Primar vom Krankenhaus Gmunden, wollte Klarheit darüber, welcher Zugang zum Hüftgelenk nun der bessere für Patienten sei. Er startete vor drei Jahren eine Studie an 30 Probanden, die jeweils beidseitig neue Hüftgelenke brauchten. Auf der einen Seite ging er nach Amis von vorn vor, auf der anderen wählte er den seitlichen Zugang. Das Ergebnis: Bei 80 Prozent waren die Heilungsergebnisse mit Amis besser. "Ein unverletzter Oberschenkelmuskel ist einfach stärker, damit ist auch die Stabilität des Beckens gesichert, und das wiederum wirkt sich positiv auf die Standfestigkeit der Patienten aus", sagt Dallinger. Er kritisiert seinen Berufsstand: "Wir Orthopäden denken zu wenig in Bewegungsketten", sagt er. Für die Auswertung seiner Studie kooperierte er mit der Sporttherapeutin Doris Hauser.

Gelungene Rehabilitation

Sie hat die Muskelkraft der Probanden isokinetisch gemessen und festgestellt, dass der Oberschenkel auf der nach Amis operierte Seite prinzipiell stärker war. "Das empfanden die Patienten selbst auch so", erklärt Hauser. Dallinger operiert nur noch nach der Amis-Methode. "Die beste Werbung sind die Patienten in der Rehabilitation", sagt er.

Knahr wiederum relativiert: Eine gelungene Rehabilitation hängt maßgeblich auch vom Engagement der Patienten selbst ab. "Nicht alle sind sportlich und trainieren." Damit hat Knahr zu kämpfen. Übergewicht und Bewegungsmangel wirken sich negativ auf die Genesung aus. (Karin Pollack, DER STANDARD Printausgabe, 19.09.2011)