Wien - Eine kräftige Reallohnerhöhung in Deutschland und Österreich, soziale Kontrolle über Banken, um ihre Risikofreude zu bremsen oder auch Zwangsanleihen für Reiche - Attac-nahe Ökonomen haben am Freitag in Wien vor Journalisten alternative Ideen präsentiert, um der aktuellen Wirtschaftskrise Herr zu werden. Die vorhandenen Ungleichgewichte müssten beseitigt werden, sonst droht der Eurozone der Kollaps, so die Analyse.

Die in der Währungsunion übliche Fixierung auf Defizit und Inflation sei nicht zielführend und habe auch Spanien und Irland nicht vor der Krise bewahrt. Mit einer gemeinsamen Währung sei es unerlässlich, auch die Lohnpolitik im Auge zu behalten, betonte Engelbert Stockhammer, früher Vorstand von Attac Österreich und derzeit Wirtschaftsprofessor an der Kingston University in London.

Deutschland habe, wie Österreich, in den letzten 10 bis 15 Jahren keinen nennenswerten Reallohnzuwachs mehr verzeichnet. Damit blieb die Inflation vergleichsweise auch besonders niedrig. Das wirke wie eine reale Abwertung von 25 bis 30 Prozent im Vergleich zu anderen Euro-Ländern und eine entsprechende Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. In Deutschland sei mit den Hartz-Löhnen de facto ein Billiglohnsektor geschaffen worden. Diesen Abstand müsse Griechenland jetzt wieder aufholen. Die ganze Anpassungslast Griechenland aufzubürden, würde zu Massenarbeitslosigkeit führen und zu einer zehnjährigen Depression in Südeuropa. Die Lohnerhöhung müsse auch nicht schlecht sein für die deutsche Wirtschaft, wenn sie zu mehr Konsum führe, argumentiert Stockhammer.

Ökonomin: Goldman Sachs half Griechen beim Bilanz-Fälschen

Der französische Wirtschaftsprofessor und Attac-Berater Dominique Plihon schlägt überhaupt radikale Eingriffe in die Marktwirtschaft vor. So sollten Banken als öffentliche Dienstleister gesehen und einer "sozialen Kontrolle" unterworfen werden. Nicht nur Eigentümer und Manager sollten entscheiden, weil diese zu viel Risiko nehmen, sondern auch Mitarbeiter, Konsumenten oder die Zivilgesellschaft. Hauptziel: Die Risikobereitschaft zu senken. Außerdem meint Plihon, dass man alle Reiche - mit Einkommen über 100.000 Euro im Jahr - verpflichten sollte, Staatsanleihen zu zeichnen. Diese könnten etwa mit einem Prozentpunkt über der Inflation verzinst sein. So könnte sich der Staat kostengünstig finanzieren. Ein ähnliches Modell habe es bei der großen Dürre in Frankreich 1976 erfolgreich gegeben, sagte Plihon.

Auch die griechische Ökonomin und Attac-Griechenland-Mitarbeiterin Marica Frangakis sieht abgesehen von Versäumnissen in ihrem Heimatland Ungleichgewichte in Europa als Ursache für die Probleme in Südeuropa. Griechenland habe keine eigene Zentralbank, die die nationale Politik unterstützen könnte. Bei der "Massage" der Bilanzzahlen sei Griechenland von Goldman Sachs beraten worden, die Bank habe nebenbei unter Kenntnis der wahren Situation auf Probleme Griechenlands gewettet und damit viel Geld verdient. Die weitere Deflation der griechischen Wirtschaft über sinkende Löhne drohe zu sozialen Unruhen und einem Zusammenbruch der Wirtschaft zu führen.

Lösung wären Eurobonds, die die Zinsbelastung Griechenlands senken würden. Aber auch eine Umstrukturierung der Hälfte der griechischen Schulden würde dem Land Luft verschaffen. Der Abverkauf von Staatsvermögen werde hingegen eher dazu führen, dass künftige Generationen die jetzige klagen, meint Frangakis. Auch hätten andere Länder sehr von der griechischen Verschuldung profitiert: Deutsche Banken haben Griechenland Geld geliehen, mit dem Geld wurden dann Waren in Deutschland gekauft, so die Ökonomin. Der Handelsüberschuss Deutschlands könne nicht so bestehen bleiben, "sonst wird die Eurozone zusammenbrechen". Und auch wenn es ein sensibles Thema sei: Deutschland schulde Griechenland noch 162 Mrd. Euro aus Verpflichtungen nach dem Zweiten Weltkrieg, ein Verfahren, das vor Gerichten anhängig ist, erinnerte Frangakis zum Abschluss. (APA)