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Essen, Trinken und Trachten: Wiesn-Idyll jetzt auch im Prater.

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Ein Zwilling kommt selten allein, schon gar nicht zur Wiesn, egal ob die jetzt in Wien oder München stattfindet. Die Marketenderinnen Edith und Ernestine animieren zur Blasmusik.

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Wien - Während sich beim Münchner Original die Besucher schon im Morgengrauen vor den noch geschlossenen Zelten drängen, geht es bei der Premiere der kleinen Schwester in Wien gemächlicher zu.

Am Freitagvormittag eröffnete die erste "Wiener Wiesn" im Prater. Schon von weitem dröhnt dumpfes Humptata aus den drei Zelten, die auf der Kaiserwiese vor dem Riesenrad aufgestellt wurden. Nur langsam füllen sich die Reihen, ist ja auch erst Freitagmittag und die vorherrschende Farbpalette erstreckt sich von Hellbeige über zartes Vanillegelb bis hin zu Graubraun. Die Pensionisten, bis zu diesem Zeitpunkt eindeutig in der Überzahl, haben es nicht so mit der Tracht. "Unsere Kinder haben schon so was, aber die fahren auch lieber nach München" , erzählt ein älteres Wiener Ehepaar, die mit strahlenden Augen vor ihrem Krügerl und einem Wiener Schnitzel sitzen.

Schweinsbraten gibt es auch, ganz wie in München. Und Gulasch, Wiener Suppentopf, Sacherwürstel. Weil sie "schon schlecht hören" , sei das auch mit dem stetig ansteigenden Geräuschpegel im Zelt kein Problem. Auf der richtigen Wiesn waren sie zwar noch nie, gestehen sie, aber dafür schon auf Volksfesten am Land. Volkstümlichkeit jetzt direkt vor der Haustür - das freut die beiden Stadtbewohner.

Entgegen der Annahme, dass nur eingefleischte München-Fans in den Prater pilgern, um endlich das Theresienwiesn-Feeling in Kopie zelebrieren zu können, finden sich nur wenige, die das Original kennen. Selbst der Geschäftsführer der Wiener Wiesn war nur einmal bei den Nachbarn, und das auch nur, um sich mal anzuschauen, wie die das so machen, die Bayern. Er mag Feste, sagt Johann Leitner, der die Idee vor zwei Jahren im Freundeskreis geboren hat. Aus der Überlegung, sich nicht in den Zug setzen zu wollen wird ein 18-monatiges Projekt, um in den kommenden Jahren nur mehr die U-Bahn nehmen zu müssen. Man sieht ihm den Stress an, wie den meisten aus dem Organisationsteam. Schließlich muss das flutschen mit dem Debüt. Der Platz für nächstes Jahr sei schon reserviert. Ziel sind 100.000 Zeltgäste, die in den zehn Tagen kommen sollen.

20.000 Liter Bier, bitte

Das Bier kann ihnen nicht ausgehen, versichert der Chef des Wiesbauerzeltes. 20.000 Mass, also Liter, will er verkaufen. Masskrüge sieht man um diese Zeit noch wenige auf den Tischen, da wird noch zaghaft verschämt ein Krügerl um 3,90 Euro bestellt. Aber am Abend, so die Hoffnung, wird der Gerstensaft nur so fließen. Das hoffen auch die Kellner hinter dem Ausschank.

Am Ende der zehn Tage voller Blasmusik und Blasen an den Füßen wartet ein kleiner Topf mit Gold auf die Wiesn-Arbeiter. Wie viel sie genau verdienen wird, weiß Manuela, 20, noch nicht. "Aber 2000 Euro lege ich aufs Sparbuch, mit dem Rest geh ich shoppen" , freut sich die Dirndl-Trägerin. Auch sie war noch nicht in München, ebenso wenig die schmucken Marketenderinnen Edith und Ernestine, die sich in niederösterreichischen Zwirn geworfen haben. Noch schieben sie sich allein über die kleine Tanzfläche, später werden wohl auch andere mitschwingen, glauben sie.

Bier soll ja bekanntlich helfen, die urbanen Hemmungen über Bord zu werfen. Aber besser in Maßen, wie das im Nebenzelt deutlich wird. Dort schlägt schon der erste Gast sichtlich unrhythmisch mit dem Ellbogen zu den Klängen der dortigen Blasmusikkapelle auf den Tisch.

Sorge vor zahlreichen Bierleichen, wie das auch in München zum Wiesn-Bild gehört, haben die Betreiber in Wien allerdings nicht: Die Kellner und Security-Leute wären alle auf solche Szenarien vorbereitet und haben die Anweisung, ab einem gewissen Punkt kein Bier mehr auszuschenken.

Ausnüchtern kann sich Mann oder Frau dann nebenan im Wurstelprater, der den Wiener das ganze Jahr zur Verfügung steht. Im Gegensatz zu den Bayern. (Julia Herrnböck/DER STANDARD, Printausgabe, 24./25. September 2011)