Angreifen und Begreifen: "Epiphanien" von Franz West in der Galerie Meyer Kainer.

Foto: Galerie Meyer Kainer

Wien - Eigentlich sollte man glauben, eine Erscheinung wäre genug. Für seine Ausstellung bei Meyer Kainer hat Franz West jedoch die Mehrzahl gewählt: Epiphanien titelt die Schau, in der man demnach am besten gleich mehrere prägende Erlebnisse hat.

Die erste Gelegenheit dazu bietet sich im Eingangsbereich, wo ein Objekt von der Decke hängt. Schon aus der Entfernung haftet dem rosafarbenen Unding, das an einen Trabanten im Weltraum erinnert, etwas Befremdliches an.

West, der in Bezug auf seine Kunst jedoch keine Berührungsangst kennt, führt die Betrachter noch näher an die Arbeit Epiphanie an Stühlen heran: Direkt unter dem riesigen Sputnik aus Pappmaché befinden sich nämlich zwei Stühle, auf denen man distanzlos Betrachten und Geistesblitze gemütlich abwarten kann.

Franz West hat den Zusammenhang zwischen Skulptur, Körper, Sprache und Theorie nie im stillen, blassgrauen Zimmer verhandelt: Schon in den 1970er-Jahren ist er vielmehr hinaus in die Welt, wo seine meist weißen Passstücke auch alle benutzten konnten. In jüngerer Zeit kamen außerdem knallige Farben hinzu: Rosa, blau und (hell)grün waren etwa auch die Skulpturen, die er in seinem Garten der Lüste 2009 im Belvedere präsentierte.

In der Ausstellung Epiphanien täuscht die schrille Farbauswahl seiner fünf raumgreifenden Skulpturen zunächst auch locker darüber hinweg, dass zu Beginn einmal mehr seine Beschäftigung mit Wittgenstein stand: Schon 1985 hat West ein Wittgenstein-Zitat in Umlauf gebracht. Es handelte sich um das Modell eines "Kritzels", einer eilig hingeschriebener Kurve, den der Sprachphilosoph in seinen Vorlesungen über Ästhetik als Beispiel für Sinnlosigkeit und Beliebigkeit angeführt hat. Gleichzeitig hat Wittgenstein jedoch auch darauf verwiesen, dass die Schlaufe in einem bestimmten Kontext (etwa einer musikalischen Komposition) durchaus Sinn haben könnte.

Nun sieht eine der West'schen Skulpturen nicht nur genauso aus wie die gekritzelte Linie von Ludwig Wittgenstein; sie wurde von West auch nach dem von dem Philosphen gezeichneten Kringel "benannt".

Obwohl damit - ähnlich wie das Symbol der Popgröße Prince - unaussprechlich geworden, löst sie in der Ausstellung die schönsten Aha-Erlebnisse aus: Schließlich kann man sie als Betrachter kinderleicht von ihrem Dasein als "Sinnlos-Schleife" befreien, wenn man sie einfach als Sitzgelegenheit nutzt. (Christa Benzer/ DER STANDARD, Printausgabe, 6.10.2011)