Der deutsche Forschungseisbrecher "Polarstern" mit dem beheizten Zelt, das die Elektronik für das Unterwasserfahrzeug (ROV) "Alfred" beherbergt. "Alfred" vermisst die Lichtverhältnisse unter dem Eis.

Foto: Mario Hoppmann/Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung

Bremerhaven - Deutsche Wissenschafter vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) kamen von ihrer jüngsten Expedition in die Arktis mit dem Forschungsschiff "FS Polarstern" mit schlechten Nachrichten zurück. Wie die Experten berichten, ist der Anteil von mehrjährigem, dickem Meereis weiterhin deutlich geringer als bei früheren Messungen aus den vergangenen Jahrzehnten. In weiten Teilen des arktischen Ozeans finden sich demnach auch in diesem Jahr nur noch dünne, wenige Monate alte Eisschollen.

Die Lage sei identisch mit der im Negativ-Rekordjahr 2007, dem Jahr mit der niedrigsten bisher gemessenen Eisausdehnung auf den Meeren am Nordpol, erklärte Stefan Hendricks, einer der Meereis-Physiker der Expedition. Damals hatten AWI-Experten mit dem Schiff schon einmal die Arktis durchquert, um ergänzend zur Eisflächenerfassung per Satellit die Dicke des Meereises zu ermitteln. "Das Eis hat sich nicht erholt. Es scheint auch in diesem Sommer genauso stark abgeschmolzen zu sein wie im Jahr 2007", teilte Hendricks mit.

Durchschnittliche Eisdicke bei 90 Zentimetern

"Dort, wo das Meereis in den vergangenen Jahrzehnten hauptsächlich aus alten, dickeren Eisschollen bestand, findet sich derzeit überwiegend einjähriges Eis mit einer Durchschnittsdicke von 90 Zentimetern", fasste das AWI die vorläufigen Expeditionsergebnisse zusammen. Nur in in einigen Meeresgebieten vor Kanada und der russischen Inselgruppe Sewernaja Semlja sei die "Polarstern" noch auf das früher typische, zwischen zwei und fünf Metern dicke alte Packeis gestoßen.

Möglicher "Kipp-Punkt"

Dass das arktische Meereis sowohl in der Fläche als auch in der Mächtigkeit abnimmt, gilt als Folge des globalen Klimawandels, der das Abschmelzen im Sommer beschleunigt und die Neubildung im Winter verlangsamt. Der Prozess wird von Forschern auch als ein möglicher "Kipp-Punkt" betrachtet - also als eine der sich selbst beschleunigenden Entwicklungen, die den Klimawandel und seine Folgen unumkehrbar machen könnten. Das liegt daran, dass eisfreies dunkles Wasser sich durch Sonneneinstrahlung stärker erwärmt als Wasser, das von Eis bedeckt ist. Die schneller steigende Wassertemperatur beschleunigt wiederum die Eisschmelze.

Genauer Vergleich folgt

Die rund viermonatige Forschungsreise der "Polarstern" führte nach Angaben des AWI über eine Strecke von 11.800 Seemeilen, also 22.200 Kilometern. Dabei durchquerte das Schiff auch den zentralen Arktischen Ozean und erreichte den Nordpol. Unterwegs flogen die Wissenschafter mit einem Bord-Hubschrauber über das Eis und maßen dessen Dicke mit einer elektromagnetischen Spezialsonde. Die "Polarstern" unternimmt solche ausgedehnten Arktisreisen im Abstand mehrerer Jahre, zuletzt 2007. Nun wollen die Experten die Daten beider Fahrten genauer vergleichen. (red/APA)