Wien - Zahlreiche Lehrlinge in der Bundeshauptstadt sind mit ihrer Situation im Ausbildungsbetrieb offenbar unzufrieden. Beklagt werden vor allem verbotene Überstunden, Beleidigungen sowie mangelnde Betreuung durch die Ausbildner, wie eine Studie der Wiener Arbeiterkammer zeigt. AK-Präsident Herbert Tumpel forderte am Freitag deshalb mehr Qualitätsnormen und regelmäßige Kontrollen in den Unternehmen.

750 Betroffene befragt

Für die Studie "Wie geht es dir im Job?" wurden insgesamt 750 Lehrlinge quer durch alle Branchen befragt. Dem Ergebnis zufolge gibt es immer wieder arbeitsrechtliche Verstöße in den Betrieben. 37 Prozent klagten über häufige Überstunden, die für Jugendliche unter 18 Jahren eigentlich verboten sind. Außerdem gab knapp ein Viertel an, für Krankenstände kritisiert zu werden.

Die Studie zeige zudem, dass es in Sachen Didaktik Nachholbedarf gebe, so Tumpel. Gut ein Drittel der Befragten sah sich nämlich mit "Kritik unter der Gürtellinie" konfrontiert. Ebenso viele Lehrlinge bemängelten, dass sich ihr Ausbildner nur selten um sie kümmere. Daher sei es nicht verwunderlich, dass rund jeder vierte Jugendliche nach Abschluss seiner Lehre in einem anderen Berufsfeld arbeiten wolle, sagte der AK-Chef in einer Pressekonferenz.

Qualitätssicherung

Die Arbeiterkammer fordert nun Maßnahmen zur Qualitätssicherung in der Ausbildung. So sollen Lehrbetriebe bei Erfüllung gewisser Kriterien ein Zertifikat erhalten, wobei die Einhaltung der Normen regelmäßig durch die Wirtschaftskammer kontrolliert wird. Hier sei man mit der WK bereits in Verhandlungen, so Tumpel. Außerdem wünscht sich der AK-Präsident höhere Hürden, um eine Ausbilderberechtigung zu bekommen. Derzeit erhält man diese bereits nach einem 40-Stunden-Kurs, was zu wenig sei.

Tumpel plädierte außerdem dafür, dass staatliche Fördergelder für Ausbildungsbetriebe an gewisse Qualitätsmerkmale geknüpft werden. Bei der Gelegenheit beklagte er, dass die Prämien seit der Krise stark gestiegen, die Zahl der angebotenen Lehrstellen aber unverhältnismäßig gesunken seien.

Anti-Rassismus und Zivilcourage

Um Berufsschüler kümmert sich die AK auch in einem anderen Projekt, deren Fortsetzung ebenfalls heute bekanntgegeben wurde. Um Schülern der Wiener bfi-Einrichtungen für Anti-Rassismus und Zivilcourage zu sensibilisieren, werden auch im heurigen Schuljahr in Zusammenarbeit mit dem Verein ZARA Workshops zum Thema organisiert. Sie werden teils von Klassenkollegen geleitet, die im Vorfeld bereits zu "Peer-Trainern" ausgebildet worden sind.

Wirtschaftskammer verteidigt sich

Die Wiener Wirtschaftskammer hat sich am Freitag gegen Vorwürfe der Arbeiterkammer, die infolge einer Lehrlingsumfrage verstärkte Qualität in der Ausbildung forderte und einen Rückgang der Lehrstellenanzahl beklagte, gewehrt. Präsidentin Brigitte Jank verwies in einer Aussendung auf eine Reihe von Maßnahmen und verteidigte die Unternehmen der Bundeshauptstadt: "Die Wiener Betriebe nehmen ihre Verantwortung als Ausbilder für die Fachkräfte von morgen vorbildlich wahr."

Sie lasse sich die "erfolgreiche Arbeit" der Lehrbetriebe nicht schlechtreden, so Jank. Eine AK-Studie ergab, dass viele Lehrlinge mit ihrer Ausbildungssituation unzufrieden sind. Die Kammer setze seit Jahren Maßnahmen für eine bessere Qualifizierung von Nachwuchskräften und für die Steigerung verfügbarer Lehrstellen. Dazu gehörten etwa der Talente-Check für Pflichtschulabsolventen, das Angebot spezieller Förderung für Lehrlinge in bestimmten Berufsschulfächern, eine eigene Fortbildungsschiene für Ausbilder sowie eigene Lehrstellenakquisiteure.

Externe Qualitätskontrollen

Der Wiener SPÖ-Gemeinderat Christoph Peschek sagte in einer Aussendung, es brauche dringend eine Qualitätsoffensive in der Lehrausbildung, denn der Rekord an nicht bestandenen Lehrabschlussprüfungen in Wien habe ganz offensichtlich betriebliche Gründe. "Daher sind selbstverständlich die Forderungen von AK-Präsident Herbert Tumpel vollinhaltlich zu unterstützen."

Peschek fordert betriebliche Ausbildungspläne unter Einbeziehung der BetriebsrätInnen und JugendvertrauensrätInnen, externe Qualitätskontrollen sowie eine Ausweitung der Berufsschulzeit. (APA/red)