"Weiß auch nicht, warum die Saudis nach Wien wollten", erklärt Rabbi David Rosen, der als Vertreter des Judentums in den Aufsichtsrat des interreligiösen Instituts ziehen wird.

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Hier, im Palais Sturany am Wiener Schottenring 21, soll das Institut residieren.

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Es gab einige Aufregung, als klar wurde, dass Wien der Sitz des saudi-arabisch finanzierten "King Abdullah Bin Abdulaziz International Centre" werden sollte: Ein Zentrum für interreligiösen Dialog, benannt nach dem König eines Landes, das Religionsfreiheit mit Füßen tritt? Auch die feierliche Unterzeichnung des Gründungsvertrages mit Außenminister Michael Spindelegger am Donnerstag wird von Protesten begleitet sein. Wir haben mit Rabbi David Rosen gesprochen, der als einziger Vertreter des Judentums zum Mitglied des Aufsichtsrats, des Board of Directors, nominiert wurde. Warum er sich das antut, hat er Maria Sterkl erklärt.

derStandard.at: Rabbi Rosen, Sie sind das einzige Mitglied des geplanten interreligiösen Zentrums, das offiziell nicht nach Saudi-Arabien einreisen darf – und zwar allein deshalb, weil Sie Jude sind. Warum arbeiten Sie trotzdem im Aufsichtsrat des Instituts mit?

Rabbi David Rosen: Ich kenne einige Juden, die schon nach Saudi-Arabien eingereist sind, und ich glaube, dass ich das auch machen werde. An meinem Beispiel können die Saudis beweisen, dass sie es ernst meinen – schließlich müssen sie mich in Saudi-Arabien angemessen unterbringen.

derStandard.at: Ist Ihnen die Entscheidung schwer gefallen, als Vertreter der jüdischen Communities ins Board of Directors zu gehen?

Rosen: Nein. Ich war schon beim ersten interreligiösen Treffen mit König Abdullah in Madrid dabei, und war beeindruckt von seinem Plan, den Umgang Saudi-Arabiens mit anderen Religionen im Land zu verändern. Es ist zwar ein sehr langsamer Prozess, aber ich halte es trotzdem für sehr wichtig, ihn zu unterstützen. Es ist im Interesse aller Religionen, einen solchen Prozess zu fördern.

derStandard.at: Wann entstand der Plan, dieses Institut zu gründen?

Rosen: Das Treffen war in Madrid vor vier Jahren – König Abdullah hatte den Plan, interreligiösen Dialog zu fördern. König Abdullahs Berater sagten ihm wohl, dass es keine so gute Idee wäre, das Treffen in Saudi-Arabien abzuhalten, weil die Gesellschaft dort noch nicht bereit dazu sei. Also trafen wir uns in Madrid. König Juan Carlos und die spanische Regierung haben uns gerne aufgenommen. Damals war noch nicht klar, dass es ein Zentrum geben würde. Dieser Gedanke entstand erst vor circa zweineinhalb Jahren, bei einem zweiten Treffen in Wien.

derStandard.at: Worum ging es den Saudis?

Rosen: Um ehrlich zu sein, ging es ihnen wohl weniger um uns Juden, als um die christlichen Kirchen, vor allem um die katholische. Konsequenterweise mussten sie aber auch einen jüdischen Vertreter mit dabei haben. Sie einigten sich auf mich – obwohl ich als Israeli für die Saudis bestimmt kein einfacher Fall bin. Ich weiß, dass sie kritisiert worden sind, weil sie mich genommen haben.

derStandard.at: Warum haben die Saudis nicht einfach einen US-amerikanischen Vertreter nominiert, um sich diese Kritik zu ersparen?

Rosen: Das hätten sie machen können. Ich will nicht unbescheiden sein, aber ich glaube, es haben mich einfach genügend Leute empfohlen. Die positiven Aspekte überwogen ihre Angst vor Kritik. Es könnte aber auch taktische Gründe geben: Jetzt können sie sagen: Schaut her, wir sind seriös – obwohl wir das Land, aus dem David Rosen kommt, nicht ausstehen können, haben wir ihn genommen. Das ist der Beweis, dass wir es ernst meinen.

derStandard.at: Gab es auch innerjüdische Kritik?

Rosen: Ja, viel sogar. Schon ganz am Anfang, beim ersten Treffen mit den Saudis in Madrid, haben manche versucht, meinen Arbeitgeber dazu zu bringen, mich nicht hinfahren zu lassen. Ich hatte Zeitungen gegen mich. Die Kritiker meinten, ich wäre nur ein Feigenblatt für die Saudis, würde also quasi mit dem Feind kollaborieren. Ich kann die Kritik nachvollziehen und finde sie nicht dumm, aber ich halte sie für kurzsichtig. Wenn Sie sich weigern, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der sich in die richtige Richtung bewegt, auch wenn es dabei problematische Aspekte gibt, dann tun Sie sich selbst keinen Gefallen. Und als die Informationen konkreter wurden und klar war, dass zentrale Figuren der islamischen Welt mitarbeiten würden, da war die Entscheidung klar.

derStandard.at: Wann kam Wien als Standort in Frage und warum?

Rosen: Der Standort Wien wurde ungefähr vor neun Monaten fixiert. Es wäre interessant zu wissen, warum es nicht Madrid geworden ist – schließlich haben wir dort unseren Prozess begonnen. Vielleicht liegt es daran, dass Wien zentraler gelegen ist – ich weiß es nicht.

derStandard.at: In Österreich wird spekuliert, dass es wirtschaftliche Interessen sind, die Österreich bewogen haben, sich ins Spiel zu bringen.

Rosen: Das klingt sehr plausibel. Bleibt die Frage, warum auch König Abdullah nach Wien wollte, zumal er mit König Juan Carlos und der spanischen Regierung schon sehr gute Beziehungen hatte.

derStandard.at: Stört es Sie, dass die interimistische Leitung des Instituts bei einem saudischen Regierungsvertreter angesiedelt ist?

Rosen: Sollte es dabei bleiben, dann wäre das wirklich ein Grund zur Sorge. Wir werden ein Gründungsdokument erarbeiten, und darin soll stehen, dass das Institut völlig unabhängig sein wird und dass die Leitung des Instituts bei uns, den Board-Mitgliedern, liegen wird. Sollten die Saudis diese Selbstverpflichtung nicht einhalten, dann werden wohl die meisten von uns ihre Mitarbeit beenden.

derStandard.at: Dennoch kommt die Finanzierung vom saudi-arabischen Staat.

Rosen: Ja, und das Institutsgebäude gehört den Saudis, und auch das Institut ist nach König Abdullah benannt, aber das befürworten wir alle, sowohl die Christen als auch ich. Warum? Weil es positiv zu bewerten ist, dass sich Saudi-Arabien für religiöse Öffnung einsetzt. Und ja, es gibt viele problematische Aspekte in Saudi-Arabien, ganz besonders aus der jüdischen Perspektive. Aber die Saudis erklärten uns, dass das Institut ihnen helfen würde, in der saudi-arabischen Gesellschaft etwas zu bewegen. Jetzt liegt es an uns, das Risiko einzugehen, in gutem Glauben zu handeln. Wir müssen eines bedenken: In der islamischen Welt ist Saudi-Arabien nicht einfach nur irgendein islamischer Staat – sondern jener Staat, wo sich der heiligste Schrein befindet. Saudi-Arabien ist das Muttergestein des Islam, wenn Sie so wollen. Wenn also dieser Staat sich bei diesem Prozess engagiert, dann ist das aus unser aller Sicht nur zu befürworten.

derStandard.at: Wie viele Mitglieder wird das Board haben?

Rosen: Drei Muslime – zwei Sunniten, ein Schiit -, drei Christen – Katholiken, Anglikaner und Orthodoxe -, ein Buddhist, ein Hindu und ein Jude. Das Institut wird, soweit ich weiß, ein Co-Projekt Saudi-Arabiens mit Österreich, Spanien und dem Vatikan sein.

derStandard.at: Was sind Ziele, die Sie für die jüdischen Communities erreichen wollen?

Rosen: Für die jüdischen Communities ist es existenziell wichtig, dass Vorurteile abgebaut werden. Wir sind ja die ewige Minderheit und werden es immer bleiben. Darum ist interreligiöses Verständnis lebenswichtig für uns.

derStandard.at: Wie oft werden Sie nach Wien reisen?

Rosen: Vier Mal im Jahr, soweit ich weiß. Wir werden Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen einrichten – Wissenschaft, medizinische Entwicklung, Gesellschaft, Konfliktlösung.

derStandard.at: Werden Frauenrechte ein Thema sein?

Rosen: Das hoffe ich sehr. Wir haben das diskutiert und es gab keine negative Reaktion. Im Board wird zumindest eine Frau mitarbeiten – die Vertreterin des Buddhismus. Natürlich gibt es grobe Auffassungsunterschiede. Aber ich glaube nicht, dass man beim interreligiösen Dialog seine Glaubwürdigkeit bewahren kann, wenn man das Thema Menschenrechte und insbesondere Frauenrechte ignoriert. (Maria Sterkl, derStandard.at, 12.10.2011)