Wien/St. Pölten - Während in anderen Bundesländern heftig über die Abschaffung des Proporzes diskutiert wird, denkt die Wiener VP laut darüber nach, ihn in der Bundeshauptstadt einzuführen. Weil man damit, meint VP-Landesgeschäftsführer Alfred Hoch, gleich mehrere Posten einsparen könnte. Derzeit sitzen im Wiener Stadtsenat der Bürgermeister, acht amtsführende (sieben rote, eine grüne) sowie vier nicht-amtsführende (drei blaue, ein schwarzer) Regierungsmitglieder. Letztere haben weder ein Portfolio noch verfügen sie über ein Budget.

Hoch sieht Oberösterreich und Niederösterreich als Vorbild, wo es einen "echten" Proporz gibt, sprich: Alle im Landtag vertretenen Parteien ab einer Stimmenstärke von etwa zehn Prozent sind automatisch in der Landesregierung vertreten und übernehmen Ressortverantwortung. Als "zusätzlichen Reiz" sieht Hoch, dass dann auch freiheitliche Politiker mitgestalten müssten, anstatt nur zu kritisieren.

Auch bei der Aufgabenbeschreibung des Landeshauptmanns - der in Wien gleichzeitig der Bürgermeister ist - will sich Hoch an den anderen Ländern orientieren, wo dem Chef jeweils ein Ressort zugeordnet ist. Derzeit würde Michael Häupl (SP) nur die "Rosinen picken" , meint Hoch: "Der Bürgermeister präsentiert die Themen, die ihm sympathisch sind." Tatsächlich ist er der einzige Landeshauptmann ohne klare inhaltliche Zuständigkeit - wie alle seine Vorgänger. Laut Website der Stadt ist Häupl Vorstand des Magistrats und vertritt Wien nach außen.

Der Streit über die Auslegung der Stadtverfassung kocht immer wieder hoch. Der Verfassungsgerichtshof befand vor einigen Jahren, dass die in Wien angewandte politische Praxis rechtskonform sei, für eine Änderung wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat notwendig. Übrigens gestand die SP früher der VP trotz absoluter Mehrheit Stadträte mit Portfolio zu; die letzte so zusammengesetzte Regierung scheiterte 1973 am Streit über die Errichtung der Donauinsel.

Weiterreden in NÖ

In Niederösterreich gab es diese Woche erstmals schwarz-rote Gespräche über die Abschaffung des Proporzes. Die Klubobmänner Klaus Schneeberger (VP) und Günther Leichtfried (SP) haben dabei "grundsätzliche Positionen erläutert" . Anfang November wird weiter verhandelt, bis Jahresende soll es insgesamt noch drei Treffen diesbezüglich geben. Die Grünen, die die Diskussion im Landtag ins Rollen gebracht hatten, beschwerten sich darüber, das sie aus den Medien von dem Gespräch erfahren hätten. "Deutlicher kann man die Scheindemokratie in Niederösterreich nicht darstellen" , beschwerte sich Klubobfrau Madeleine Petrovic und forderte ein Protokoll des Treffens von Schneeberger und Leichtfried am Dienstag. (Andrea Heigl, DER STANDARD, Printausgabe, 20.10.2011)