Die Biologin Teresa Valencak vergleicht den Unterschied zwischen einer normal großen Maus (li.) und einer im Labor gezüchteten Zwergmaus. Die kleinen Mäuse werden nämlich deutlich älter. Warum, ist noch nicht restlos geklärt.

Foto: Valencak

Nahrungsmittel, Hautpflege, Fitnessprogramme - alles, was einen Anti-Aging-Effekt verspricht, ist ein gutes Geschäft. Wovon es wirklich abhängt, wie rasch ein Organismus altert, ist jedoch nach wie vor ungeklärt. An Theorien dazu mangelt es nicht - fragt sich nur, welche die richtige ist. Sofern es die eine Lösung überhaupt gibt. Genau diesen Fragen geht eine Wiener Biologin mit finanzieller Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF nach.

Teresa Valencak vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem Altern, und zwar anhand von Labormäusen. Bei Versuchen zur Lebensspanne säugender Weibchen fand sie heraus, dass Mäusemütter, die ihre Jungen bei 15 Grad Celsius aufziehen, im Schnitt 2,5 Monate länger leben als solche, die dasselbe bei 22 Grad bewerkstelligen. Männchen, die ebenfalls bei 22 Grad gehalten wurden, lebten mit durchschnittlich 610 Tagen rund einen Monat länger als die im Warmen säugenden Weibchen, aber immer noch 30 Tage kürzer als jene Mütter, die mit ihrem Wurf in kalten Käfigen lebten.

Wie kann sich eine kältere Umgebung positiv auf die Lebenserwartung auswirken? "Kleinsäuger wie Mäuse haben generell mehr Probleme bei der Thermoregulation als große, weil sie im Verhältnis zu ihrem Körpervolumen eine sehr große Oberfläche haben", erklärt Valencak. Zum Ausgleich dafür haben sie braunes Fettgewebe. Dieses wandeln die darin enthaltenen Mitochondrien normalerweise in Energie um, bei Kälte allerdings in Wärme. Letztere Variante heißt in der Physiologie "entkoppelte Zellatmung". Der Clou daran ist, dass dabei weit weniger freie Sauerstoffradikale (kurz ROS für "reactive oxygen species") entstehen als bei der gewöhnlichen, energieerzeugenden Zellatmung.

Freie Sauerstoffradikale aber haben zellschädigende Wirkung, und die "Freie-Radikale-Hypothese" geht denn auch davon aus, dass sie es sind, die die Lebensspanne verkürzen. Dagegen sprechen allerdings Tierversuche mit Antioxidantien, die ohne Effekt blieben, und die simple Existenz der Nacktmulle: Von dieser mausgroßen Nagerart weiß man, dass sie in ihren Geweben sehr viele freie Radikale erzeugt, dennoch aber bis zu 30 Jahre alt wird.

Ebenfalls auf die negative Wirkung der ROS zielt die "Membran-Schrittmacher-Hypothese" ab. Sie besagt, dass Tiere umso kürzer leben, je mehr ungesättigte Fettsäuren (kurz PUFAs für Polyunsaturated Fatty Acids) ihre Zellmembranen enthalten, weil diese die Gewebe anfälliger für freie Sauerstoffradikale machen.

Maus ohne Wachstumsgen

Um diese Theorie zu untersuchen, griff Valencak auf eine im Labor gezüchtete, besonders kleine Mäusevariante zurück, die Ames-Zwergmaus. Bei dieser handelt es sich um eine natürlich auftretende Variante von Labormäusen: Den Ames-Mäusen fehlt allerdings ein Gen, das unter anderem für die Produktion von Wachstumshormonen zuständig ist. Die Folge sind Kleinwüchsigkeit und Sterilität, aber auch eine deutlich erhöhte Lebensspanne: Im Gegensatz zu ihren normalwüchsigen Geschwistern, die maximal drei Jahre alt werden, beträgt ihre Lebenserwartung fünf Jahre.

Unter diesen Umständen sollte man erwarten, dass ihre Membranen nur sehr wenige ungesättigte Fettsäuren enthalten, das ist aber nur bedingt wahr. Wie Valencak herausfand, liegt der Anteil an ungesättigten Fettsäuren in den Geweben der Zwergmäuse mit 30 bis 60 Prozent genauso hoch wie bei normal großen Mäusen. Bei genauerer Betrachtung stellte sie jedoch fest, dass der Anteil von Omega-3-Fettsäuren bei den Ames-Mäusen deutlich reduziert war: In Herzmuskeln etwa haben die Zwerge gut zehn Prozent weniger davon als die normal gebaute Kontrollgruppe.

Es sieht also ganz so aus, als wären es nicht die ungesättigten Fettsäuren allgemein, wie bisher angenommen, die für die Lebensspanne verantwortlich zeichnen, sondern nur die Omega-3-Sorten davon. "Sehr viele Vorgänge in den Membranen sind temperaturabhängig", gibt Valencak zu bedenken. "Unsere neue Hypothese ist, dass die Omega-3-Fettsäuren eine Rolle bei der Thermoregulation und auf diesem Wege für die zu erwartende Lebensspanne spielen."

Tatsächlich weisen die Ames-Zwergmäuse eine konstant niedrige Körpertemperatur von nur 34 Grad auf - für die normal großen Mäuse sind 37 bis 38 Grad die Norm. Um diese Zusammenhänge zu überprüfen, wird Valencak in ihrem Projekt "normale" Labormäuse und Ames-Zwergmäuse in den nächsten Monaten bei unterschiedlichen Temperaturen und bei unterschiedlich fetter Nahrung halten. Die normal großen Tiere wird sie außerdem der Jungenaufzucht aussetzen, weil der Wärmehaushalt dabei zusätzlich herausgefordert wird.

Zuerst wiederholt sie die früheren Experimente an normal großen säugenden Weibchen, nur dass diese jetzt zusätzlich in drei Gruppen geteilt werden. Während die Kontrollgruppe ganz normale Nagerwürfel bekommt, erhalten jeweils 15 andere Nagerwürfel mit Lachsöl, das reich an Omega-3-Fettsäuren ist, bzw. Würfel mit Omega-6-PUFA-reichem Sonnenblumenöl. Ebenso werden die unfruchtbaren, aber "kälteren" Ames-Zwergmäuse diesen drei Diäten unterzogen und zwischendurch jeweils niedrigeren Umgebungstemperaturen ausgesetzt. Eine weitere Zwergmausgruppe wird gewöhnliches Futter erhalten, aber vier Wochen lang bei 35 Grad gehalten werden.

Körperwärme und Fettsäure

Während der ganzen Versuchsreihe wird die Körpertemperatur aller Tiere über einen winzigen Sensor, der unter der Haut implantiert wird, ausgelesen und nach zwölf Wochen die Fettsäurezusammensetzung der Membranen der jeweiligen Gruppe bestimmt. Wenn Valencak mit ihrer Hypothese recht hat, sollten die mit Lachsöl gefütterten Zwergmäuse eine erhöhte Körpertemperatur aufweisen und besser mit Kälte zurechtkommen als ihre normal ernährten Artgenossen.

Anti-Age-Empfehlungen für uns Menschen lassen sich daraus allerdings nicht direkt ableiten: Außer im frühen Säuglingsalter haben wir kein braunes Fett, das wir entkoppelt veratmen könnten. (DER STANDARD, Printausgabe, 02.11.2011)